Händlerin an der New York Stock Exchange.
marktbericht

Anleger nervös Hohe Anleihezinsen bremsen Wall Street aus

Stand: 23.10.2024 22:13 Uhr

Seit Wochen steigen die Marktzinsen in den USA, was sich jetzt auch am Aktienmarkt niederschlägt. Die Wall Street verbuchte den dritten Tag mit Verlusten.

Der Rekordlauf an der Wall Street ist unterbrochen: Schon den dritten Tag in Folge stand der Dow-Jones-Index unter Druck und büßte 0,96 Prozent auf 42.514 Punkte ein. Am vergangenen Freitag hatte der US-Leitindex noch ein historisches Hoch bei 43.325 Punkten erreicht.

Auch die Technologietitel fielen weiter zurück. Der Nasdaq 100 gab um 1,55 Prozent auf 20.066 Punkte nach.

Marktteilnehmer führten neben uneinheitlichen Unternehmensnachrichten die gestiegenen Marktzinsen als wichtigste Belastung an. In den vergangenen fünf Wochen kletterte die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen von rund 3,620 auf 4,228 Prozent. "Wenn zehnjährige Staatsanleihen bei viereinviertel Prozent liegen, wird die Rally am Aktienmarkt gebremst", sagte Robert Pavlik vom Vermögensverwalter Dakota Wealth. "Alles geht langsamer, und die Leute werden ein wenig nervös."

Die Aussicht auf eine nach den Präsidentschaftswahlen am 5. November potenziell inflationär wirkende Neuverschuldung bei anhaltendem Wachstum versetze den geldpolitischen Ambitionen der US-Notenbank einen Dämpfer, schrieb Analyst Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets.

Der am Abend veröffentlichte Konjunkturbericht der US-Notenbank Fed nahm aber wieder etwas Druck von den Zinsen. Die Wirtschaft in den USA sei zuletzt unter dem Strich auf der Stelle getreten, so die Fed in ihrem "Beige Book". "Im Großen und Ganzen hat sich die Wirtschaftstätigkeit in fast allen Bezirken seit Anfang September kaum verändert, obwohl zwei Distrikte ein bescheidenes Wachstum meldeten." Der Bericht zeigte auch, dass sich der Inflationsdruck weiter abschwächt. Das macht weitere Zinssenkungen nach der Zinswende im September wahrscheinlicher.

Trotz zwischenzeitlicher Gegenwehr hat auch der DAX den dritten Verlusttag in Folge verbucht. Der deutsche Leitindex büßte 0,23 Prozent auf 19.377 Punkte ein. Die meisten Quartalszahlen des Tages wurden mit Kursverlusten quittiert, was eine Kurserholung letztlich verhinderte.

Das vor einer Woche bei 19.675 Zählern erreichte Rekordhoch bleibt damit vorerst unerreicht. Der Aufwärtstrend des DAX bleibe aber weiter intakt, merkten die Chart-Experten der HSBC an.

Ein zartes Hoffnungszeichen von der Konjunktur in der Eurozone konnte die Kurse kaum stützen. So hat sich die Stimmung der Verbraucher in dem Währungsraum im Oktober leicht aufgehellt. Das Barometer für das Konsumklima stieg um 0,4 Zähler auf minus 12,5 Punkte, wie die jüngste Umfrage der EU-Kommission ergab. Das Barometer liegt damit nur noch knapp unter seinem langjährigen Durchschnittswert. Die Teuerungswelle im Euroraum, die die Lebenshaltungskosten der Bürger nach oben getrieben hat, gilt als weitgehend überstanden.

Der Euro hat den Sinkflug der vergangenen Handelstage fortgesetzt. Zeitweise wurde die Gemeinschaftswährung bei 1,0761 Dollar gehandelt und damit so niedrig wie seit Anfang Juli nicht mehr. Seit Beginn des Monats hat der Euro bereits etwa drei Prozent an Wert verloren. Die Experten von Goldman Sachs hatten jüngst sogar vor einem Kurssturz des Euro gewarnt, sollte Donald Trump die US-Wahl gewinnen.

Nach einer zwischenzeitlichen Erholung fielen die Notierungen am Ölmarkt wieder. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete am Abend 75,19 Dollar und damit 0,5 Prozent weniger als gestern. Ein überraschend starker Anstieg der US-Lagerbestände drückte die Preise. Die Rohölvorräte in den USA stiegen in der vergangenen Woche um 5,5 Millionen Barrel, Analysten hatten mit einem Anstieg um eine Million Barrel gerechnet.

Anhaltende Sorgen wegen eines potenzielles Risikos für die Ölversorgung aufgrund des Konflikts im Nahen Osten grenzten allerdings Experten zufolge die Preisverluste ein. Die Ölpreise waren am Dienstag um gut zwei Prozent gestiegen, Analysten der Großbank ING verwiesen auf das Ausbleiben jeglicher Ergebnisse des jüngsten Besuchs von US-Außenminister Antony Blinken in Israel.

Unterdessen ging die Rally am Goldmarkt zunächst weiter. Der Goldpreis markierte am Morgen bei 2.758 Dollar ein neues Rekordhoch, bevor er wieder zurückfiel. Dem gelben Edelmetall kommen die zuletzt wieder etwas gesunkenen US-Zinssenkungserwartungen zugute, wirft es doch selbst keine Zinsen ab.

Der gebeutelte US-Flugzeugbauer Boeing hat im zurückliegenden Quartal wegen des Streiks von Zehntausenden Beschäftigten und Problemen in seiner Verteidigungssparte einen Milliardenverlust erlitten. Das Minus von Juli bis September belief sich auf 6,17 Milliarden Dollar. Der Umsatz sank in den drei Monaten um ein Prozent auf 17,84 Milliarden Dollar. Der neue Boeing-Chef Kelly Ortberg bereitete Anleger und Mitarbeiter nach über fünf Jahren Dauerkrise auf eine noch längere Durststrecke vor. Es werde Zeit brauchen, um den Konzern wieder zu alter Stärke zurückzubringen, so Ortberg.

Auch der Quartalsbericht von Coca-Cola kam nicht gut an. Der US-Getränkehersteller verzeichnete zwar eine überraschend stark gestiegene Nachfrage nach seinen Limonaden und Säften in den USA, Indien und Südkorea. Dies stimmte den Vorstand zuversichtlich, im Gesamtjahr ein organisches Umsatzwachstum um etwa zehn Prozent zu erreichen, statt wie bisher um neun bis zehn Prozent. Doch Experten zeigten sich zurückhaltend. "Die Prognose wird nur beibehalten", sagte etwa Christian Greiner, Portfoliomanager beim Investitionsverwalter F/m.

An der Nasdaq sorgte der Lizenzstreit zwischen ARM und Qualcomm für Gesprächsstoff. ARM hat laut der Nachrichtenagentur Bloomberg einen Konzessionsvertrag mit Qualcomm gekündigt. Der britische Chip-Designer habe den US-Halbleiterhersteller mit einer Frist von 60 Tagen über das Ende der Vereinbarung informiert. Qualcomm sprach von einem "verzweifelten Versuch", den anstehenden Patent-Prozess zu stören. ARM, mehrheitlich im Eigentum des Technologie-Investors Softbank, wollte sich zu diesem Thema nicht äußern. Ab Dezember fechten die beiden Konzerne ihren Streit vor einem US-Gericht aus.

Die Aktie von McDonald's stand stark unter Druck, nachdem Restaurants der Kette in mehreren US-Bundesstaaten mit einem Kolibakterien-Ausbruch in Verbindung gebracht wurden. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC starb eine ältere Person und zehn wurden in Krankenhäusern behandelt. Insgesamt seien 49 Fälle in zehn Bundesstaaten bekanntgeworden.

Am Abend wurde berichtet, dass Siemens den US-Softwarehersteller Altair Engineering kaufen könnte. Beide Unternehmen seien im Gespräch über eine mögliche Übernahme, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Es sei noch ungewiss, ob es tatsächlich zu einer der größten Akquisitionen in der Geschichte von Siemens komme. Die Siemens-Aktie verlor im Handel auf der Plattform Tradegate gegenüber dem Xetra-Schlusskurs 1,1 Prozent, während die Altair-Papiere in New York um sechs Prozent zulegten.

Die Aktie der Deutschen Bank büßte 0,7 Prozent ein. Marktbeobachter sprachen von Gewinnmitnahmen nach den Quartalszahlen, hatten die Aktien der Bank doch seit Anfang August um rund ein Drittel zugelegt. Analyst Kian Abouhossein von der US-Bank JPMorgan wies zudem darauf hin, dass die Deutsche Bank die Prognose für Rückstellungen in diesem Jahr auf 1,8 Milliarden Euro erhöht habe. Ein schwieriges konjunkturelles Umfeld mache der Bank allmählich zu schaffen. Das lasse nach dem dritten Quartal nun kaum noch Spielraum für höhere Gewinnschätzungen im Gesamtjahr.

Dazu kommt, dass die Bank den jahrelangen Entschädigungsstreit mit früheren Postbank-Aktionären vor dem Oberlandesgericht Köln verloren hat. Hintergrund ist die Mehrheitsübernahme der Postbank durch die Deutsche Bank im Jahr 2010. Es ging letztlich um die Frage, ob die Bank den Anlegern mehr Geld hätte zahlen müssen. Die Deutsche Bank erklärte, ihre Rückstellungen deckten die Forderungen der Kläger vollständig ab.

Größter DAX-Gewinner war die Infineon-Aktie. Sie profitierte von der Zahlenvorlage des Konkurrenten Texas Instruments (TI). Der Halbleiterhersteller hatte am Vorabend nach US-Börsenschluss mit seinen Quartalszahlen die Erwartungen übertroffen. Analyst Blayne Curtis vom Investmenthaus Jefferies lobte unter anderem die Stärke der US-Amerikaner im Autogeschäft.

Die Deutsche Börse hat erneut die Prognosen für das laufende Jahr erhöht. So soll der Erlös 2024 jetzt um circa 14 Prozent auf rund 5,8 Milliarden Euro steigen. Beim Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) geht der Börsenbetreiber jetzt von einer Bandbreite von 3,3 bis 3,4 Milliarden Euro aus. Analysten hatten bereits mit Werten in dieser Größenordnung gerechnet.

Wegen der anhaltenden Kämpfe im Nahen Osten hat die Lufthansa-Gruppe weitere Flüge in die Region gestrichen. Die Verbindungen in die libanesische Hauptstadt Beirut bleiben bis einschließlich 28. Februar 2025 ausgesetzt, wie das Unternehmen in Frankfurt für alle seine Gesellschaften mitteilte. Die iranische Hauptstadt Teheran wird zunächst bis einschließlich 31. Januar 2025 nicht angeflogen.

Unternehmensneuigkeiten von Evotec kamen an der Börse gut an. Mit einem Aufschlag von fast neun Prozent standen die Papiere des Wirkstoffentwicklers an der Spitze des SDAX der kleineren Werte. Evotec und der US-Pharmakonzern Bristol Myers Squibb erweitern die Kooperation im Bereich Proteinabbau. Dank wissenschaftlicher Erfolge erhält Evotec eine Zahlung von 50 Millionen Dollar.

Die starke Nachfrage nach ETFs hat der zur Deutschen Bank gehörenden Fondsgesellschaft DWS kräftige Mittelzuflüsse im dritten Quartal beschert. Mit 18,3 Milliarden Euro habe die DWS die zweithöchsten Nettomittelzuflüsse in einem Quartal seit dem Börsengang 2018 verzeichnet, teilte die SDAX-Firma mit. Das insgesamt verwaltete Vermögen stieg um 30 Milliarden Euro auf ein Rekordniveau von 963 Milliarden.

Der Münchner Personalplanungs-Spezialist Atoss Software schraubt seine Ergebniserwartungen nach oben und erwartet das 19. Rekordjahr in Folge. Die Umsatzrendite vor Zinsen und Steuern (Ebit-Marge) wird in diesem Jahr nun bei 35 Prozent erwartet. Bisher lag das Ziel bei 33 Prozent. Der Umsatz soll auf mindestens 170 Millionen Euro steigen, das wäre ein Plus von zwölf Prozent.

Der Linzer Stahl- und Verarbeitungskonzern Voestalpine verkauft seine kriselnde deutsche Tochter Buderus Edelstahl an den Münchner Finanzinvestor Mutares. Über den Kaufpreis sei Stillschweigen vereinbart worden, teilte das österreichische Unternehmen mit. Mutares ist auf Sanierungsfälle spezialisiert. Buderus Edelstahl aus dem hessischen Wetzlar produziert jährlich 300.000 Tonnen Rohstahl.

Die mit einer schwachen Nachfrage kämpfende Kaffeehauskette Starbucks kommt auch unter ihrem neuen Chef nicht in besseres Fahrwasser und setzt ihre Jahresprognosen aus. Trotz verstärkter Investitionen habe Starbucks den Kundenschwund nicht stoppen können, sagte Finanzchefin Rachel Ruggeri bei der Vorstellung der Quartalszahlen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 23. Oktober 2024 um 09:00 Uhr.