Ein Aktienhändler verfolgt die Kursentwicklung auf Computermonitoren im Handelssaal der Deutschen Börse in Frankfurt am Main.
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Wall Street unentschlossen Nur ein Sommergewitter an den Börsen?

Stand: 04.09.2024 16:22 Uhr

Der September gilt weithin als schwacher Börsenmonat. Nach der Rally im August geht es für den DAX wieder abwärts. Ist das die Trendwende oder nur ein Sommergewitter, wie einige Experten vermuten?

Vor beinahe einem Monat hat der kleine "Black Monday" DAX-Anleger verschreckt. Eine große Verkaufswelle drückte das deutsche Börsenbarometer bis auf 17.025 Punkte, bis eine starke Erholungsbewegung einsetzte. Vier Wochen und ein paar neue Rekordhochs im DAX später: Wiederholt sich die Geschichte?

Der deutsche Leitindex fiel zur Wochenmitte um bis zu 1,1 Prozent zurück, zum Nachmittag steht er 0,7 Prozent tiefer bei 18.615 Punkten und damit noch deutlich unter dem gestrigen Rekordhoch bei 18.991 Zählern. Der Ausbruch auf ein neues Allzeithoch darf wohl getrost als Fehlausbruch gedeutet werden. Nicht umsonst besagt eine alte Börsenweisheit: "False breaks are followed by fast moves" - auf Fehlausbrüche folgen demnach rasch dynamische Gegenbewegungen.

"Vier Wochen nach der ersten geht an der Börse nun die Angst vor einer zweiten Verkaufswelle um", betont Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege beim Broker RoboMarkets.

Wie groß diese Angst ist, zeigt auch ein Blick auf die Volatilitätsindizes VDAX und VIX, welche die erwartete Schwankungsbreite der Kurse im DAX und S&P 500 messen: Diese sprangen gestern hoch und legen auch heute deutlich zu. Ein klares Warnsignal, geht eine steigende Volatilität doch in der Regel mit fallenden Kursen einher.

ING-Charttechnikexperte Christian Zoller bleibt trotzdem optimistisch - noch. "Bisher sieht es noch nach einem normalen Rücksetzer und erneut steigenden Kursen aus", so Zoller. Aber die Entwicklung im DAX müsse im September genau im Auge behalten werden. "Der September zählt zu den schwächsten Börsenmonaten im Jahr." Tatsächlich hält die negative Saisonalität im DAX sogar noch bis Ende Oktober an. Erst nach Halloween beginnen dann die laut Statistik "besten sechs Monate an der Börse".

Auch die Chartspezialisten von Index-Radar mahnten, die jüngsten Verluste nicht überzubewerten. "Nach der kräftigen August-Rally haben viele Indizes zuletzt Rekordstände erreicht und waren technisch überhitzt. Die nun überfälligen Gewinnmitnahmen sind daher ein ganz normales Sommergewitter."

Update Wirtschaft vom 04.09.2024

Samir Ibrahim, HR, Update Wirtschaft, 04.09.2024 09:00 Uhr

Wall Street unentschlossen

Wie es nach dem düsteren September-Auftakt an den US-Börsen weitergeht, bleibt abzuwarten. Doch nach dem gestrigen Kursrutsch im Technologiesektor, aus Sorge vor einer Abkühlung des KI-Hypes, dürften auch heute Verluste folgen. Der technologielastige Nasdaq 100 sank zum Börsenauftakt um 0,83 Prozent. Gestern war er um mehr als drei Prozent eingebrochen. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte trat bei 40.956 Punkten auf der Stelle, der breiter gefasste S&P 500 gab um 0,27 Prozent nach.

Für Nervosität sorgen aber auch anstehende Konjunkturdaten. Investoren haben vor allem den US-Arbeitsmarktbericht für August im Blick, der am Freitag erwartet wird. Sollte der offizielle Jobbericht der US-Regierung positiv überraschen, würde das die Zinssenkungserwartungen am Markt wieder merklich dämpfen.

"Der Arbeitsmarktbericht für August ist diesmal so besonders wichtig, weil der Vorgänger vor vier Wochen massiv enttäuschte und Spekulationen aufkommen ließ, dass die Fed aus Sorgen vor einer Rezession schneller und stärker senken muss als bislang erwartet", erklärte Devisenexpertin Antje Praefcke von der Commerzbank.

Im Devisenhandel tendiert der Euro bei 1,1056 Dollar seitwärts. Gold kann von den Turbulenzen am Aktienmarkt zunächst nicht profitieren. Die Feinunze Gold wird aktuell bei 2.519 Dollar gehandelt und damit 0,17 Prozent tiefer.

Nach dem gestrigen Absturz der Ölpreise geht es auch heute mit dem Preisverfall weiter, wenn auch nicht mehr ganz so dramatisch. Obwohl die Preise für Rohöl der Sorte Brent am Mittag zunächst angezogen hatten, geht es am Nachmittag wieder um 0,42 Prozent auf 73,35 Dollar pro Barrel nach unten. Die Furcht vor einer schwächelnden Nachfrage und Entspannungszeichen im politischen Konflikt in Libyen hatten den Brent-Preis gestern noch um fast fünf Prozent in die Tiefe gedrückt.

Zu den größten Verlierern im DAX gehört die Infineon-Aktie mit einem Abschlag von über vier Prozent. Im MDAX erwischt es Aixtron mit einem Minus von 2,7 Prozent. Hintergrund sind schlechte Vorgaben aus New York: Dort war der Halbleiterindex SOX am Vorabend um fast acht Prozent abgerutscht. Allein der KI-Liebling Nvidia hatte gestern den Rekordwert von rund 280 Milliarden Dollar an Marktkapitalisierung verloren.

In einem schwachen Gesamtmarkt stehen auch Aktien der Commerzbank überproportional stark unter Druck. Der Staat plant den Ausstieg und will seine Beteiligung in einem ersten Schritt laut der Bundesfinanzagentur reduzieren. Im Gespräch sind laut informierten Kreisen Verkäufe von zunächst drei bis fünf Prozent.

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hat angesichts des geplanten Staatsausstiegs bei der Commerzbank Übernahmeambitionen eine Absage erteilt. "Wir fokussieren uns auf die Deutsche Bank", sagte Sewing auf dem Banken-Gipfel des "Handelsblatts" in Frankfurt. Eine Übernahme der Commerzbank durch die Deutsche Bank werde unter ihm "kein Thema" werden, sagte der Manager auf Nachfrage.

Gegen den schwachen Markttrend erobern Aktien der Deutschen Börse mit über 204 Euro ein neues Rekordhoch. Für Auftrieb sorgt der neu verantwortliche Barclays-Analyst Alex Medhurst mit einer Empfehlung. Europas Börsen glänzten durch qualitativ hohes Wachstum und unterdurchschnittliche Bewertungen, so der Experte. Gerade für das Eurex-Geschäft ist er nach eingehender Analyse sehr optimistisch.

Die VW-Spitze hat auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg ihren verschärften Sparkurs verteidigt. "Wir haben noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen. Aber diese Zeit müssen wir nutzen", sagte Konzern-Finanzchef Arno. "Wir geben in der Marke seit geraumer Zeit schon mehr Geld aus, als wir einnehmen. Das geht nicht gut auf die Dauer!" Von den Mitarbeitern war der Vorstand mit scharfem Protest empfangen worden.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich in die Krise bei VW eingeschaltet. Ein Regierungssprecher sagte in Berlin, Scholz habe sowohl mit dem Management als auch mit der Konzernbetriebsratsvorsitzenden sowie Aufsichtsratsmitgliedern gesprochen. Dem Kanzler sei die Bedeutung von VW als eines der größten Unternehmen der Autoindustrie klar.

Wenn die Deutsche Börse heute Abend nach Börsenschluss die Zusammensetzung ihrer wichtigsten Indizes überprüft, dürfte im DAX alles beim Alten bleiben. Im MDAX sind allenfalls zwei Veränderungen zu erwarten: Absteigen werden wohl das Biotech-Unternehmen Evotec und der vor der Übernahme stehende Wind- und Solarparkbetreiber Encavis. Aufsteigen könnten der Finanzdienstleister Hypoport und der Börsenneuling Schott Pharma.

Die Nvidia-Aktie steht nach ihrem gestrigen Absturz um knapp zehn Prozent weiter unter Druck. Das US-Justizministerium habe dem Konzern eine Vorladung geschickt und damit die Untersuchung der kartellrechtlichen Praktiken des Unternehmens vertieft, berichtete die Agentur Bloomberg.

Der japanische Stahlriese Nippon Steel will bei der geplanten Übernahme des US-Konkurrenten US Steel die Führung des Unternehmens weitgehend in US-amerikanischer Hand belassen. Das Kern-Management-Team sowie die Mehrheit der Vorstandsmitglieder sollen aus US-Bürgern bestehen. Die Zusagen erfolgen vor dem Hintergrund wachsender politischer Bedenken in den USA.

Der US-Fahrdienstvermittler Lyft will sich im Rahmen seines Sparprogramms von einigen Vermögenswerten trennen. Das Unternehmen wolle Posten aus dem Bereich Fahrräder und Roller verkaufen, teilte der Uber-Rivale heute mit. Für die geplante Umstrukturierung muss der Konzern nach eigenen Angaben voraussichtlich zwischen 34 und 46 Millionen Dollar aufbringen. In diesem Zusammenhang müssten auch zahlreiche Mitarbeiter ihren Hut nehmen. Demnach werde rund ein Prozent der fast 3.000 Arbeitsplätze abgebaut.

Der schwedische Autohersteller Volvo hat sein Ziel einkassiert, bis 2030 nur noch voll elektrische Autos zu produzieren. Das Unternehmen, das dem chinesischen Konzern Geely gehört, korrigierte die Zielvorgabe aber nur leicht nach unten - auf "90 bis 100 Prozent", wie es heute mitteilte. Bis zu zehn Prozent der Neuwagen könnten "bei Bedarf" auch Hybridmodelle sein. Volvo nannte vor allem den mangelnden Ausbau der Ladeinfrastruktur in einigen Märkten als Grund.

Mit Informationen von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 04. September 2024 um 07:12 Uhr.