Commerzbank Tower in Frankfurt am Main.
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Der Staat als Aktionär "Nicht unbedingt der bessere Unternehmer"

Stand: 04.09.2024 16:23 Uhr

Nach 16 Jahren will sich der Bund von seinen Commerzbank-Anteilen trennen. Die Nachricht löst Diskussionen aus. Soll sich der Staat als Aktionär einmischen? Wie muss eine Rettung aussehen?

Von Stefan Wolff, ARD-Finanzredaktion

Der Staat ist auch in Deutschland - einer freien und sozialen Marktwirtschaft - weitaus häufiger als Aktionär oder Unternehmer anzutreffen, als man annehmen würde. Allein der Bund hält weit über 100 Beteiligungen. Sie reichen von Aktienpaketen zum Beispiel an der Deutschen Telekom bis zu Gesellschaftsanteilen an den Bayreuther Festspielen.

Dabei gibt es drei Gründe für das Engagement und den Aktienbesitz. Erstens Anteile an ehemaligen Staatskonzernen, wie der Post, der Telekom oder der Bahn, die nur schrittweise oder eben gar nicht privatisiert werden. Zweitens Anteile an Unternehmen, die von politischem oder strategischen Interesse sind, wie beispielsweise an Rüstungskonzernen wie Hensoldt. Hier gibt es sogar Pläne, sich stärker - auch bei anderen Konzernen - zu engagieren.

Der rettende Staat

Und drittens: Anteile an Unternehmen, die aus allerhöchster Not gerettet werden. Dazu gehört die Commerzbank. Der Bund war während der Finanzkrise bei der kurz vor dem Kollaps stehenden Bank eingestiegen und hält bis heute 16,5 Prozent. Jetzt der verlustreiche Ausstieg, der nach Ansicht vieler viel zu spät erfolgt. "Es geht um den freien Wettbewerb. Und der wird eingeschränkt, wenn der Staat sich engagiert", sagt Marc Tüngler von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. "Deswegen sehen wir das sehr kritisch."

Mit dem Staat im Rücken kam die Commerzbank leichter an Kredite. Ein Vorteil, der vor allem in den Volks- und Raiffeisenbanken scharf kritisiert wurde. Deshalb ist die Meinung an den Finanzmärkten ziemlich klar. "Letztlich haben Steuergelder in Aktiengesellschaften nichts zu suchen", so Ascan Iredi von der Plutos Vermögensverwaltung. Doch ist auch hier keine Regel ohne Ausnahme. Immer wieder rufen Unternehmen auch nach dem Staat, wie der Baukonzern Holzmann, der Ende der 1990er Jahre erst gerettet wurde und dann später doch pleite ging, weil der mit dem Bund ausgehandelte Sanierungsplan scheiterte.

Erfolgsmodell Lufthansa

Für Chris-Oliver Schickentanz, Anlagechef bei der Capitell Vermögensverwaltung ist klar: "Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer, aber es kann immer mal Situationen geben, wo der Staat der letzte ist, der tatsächlich noch Geld zur Verfügung stellen kann." Dann gelte es, abzuwägen. Wie bei Uniper vor zwei Jahren. Der Gashändler hätte Russlands Überfall auf die Ukraine nicht überlebt. Der Staat verstaatlichte, warf die Aktionäre raus und könnte nun kommendes Jahr Uniper zurück an die Börse bringen.

Weiteres Beispiel die Lufthansa: Während der Corona-Pandemie durfte niemand fliegen, und folglich wollte in dieser Situation niemand der Lufthansa Geld leihen. Der Bund sprang ein, um den Luftverkehr unter deutscher Flagge zu erhalten, und bekommt dafür Lob vom Anlegerschützer. "Es gab einen glasklaren Plan, dass der Staat wieder aussteigt, wenn die Geschäfte wieder normaler werden", erklärt Marc Tüngler. So solle der Normalfall aussehen. "Ein klares Szenario, dass man einsteigt und dass man dann wieder aussteigt."

Keine Boni bei Staatseinstieg

Manches Mal haben die Unternehmen selbst großes Interesse daran, den Staat auch wieder loszuwerden. In einem solchen Fall werden Gehälter gedeckelt und Boni gestrichen. So mussten sich die Commerzbank-Vorstände jahrelang mit einem Jahresgehalt in Höhe von höchstens 500.000 Euro bescheiden, während man bei der Konkurrenz längst wieder Millionenbeträge einfuhr.

Auch für den Bund lohnt sich eine klare Strategie. Im Falle Lufthansa verdiente der Staat mit seiner Rettungsaktion sogar noch 800 Millionen Euro, während er bei der Commerzbank wohl deutlich draufzahlen wird. Am Ende trägt das Risiko jedoch der Steuerzahler.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 04. September 2024 um 17:24 Uhr.