Bulle und Bär vor der Frankfurter Börse.
marktbericht

Wall Street uneinheitlich Zinsthema ausgereizt?

Stand: 21.08.2024 18:17 Uhr

Immer mehr verfestigt sich die Erwartung, dass die US-Notenbank bald den Leitzins senkt. Die Euphorie darüber scheint aber an der Wall Street abzuflauen.

Nach einem Tag Pause hat der DAX seine Aufwärtsbewegung wieder fortgesetzt. Zum Handelsende notierte der deutsche Leitindex 0,5 Prozent höher bei 18.448 Punkten. Seinen gestrigen Kursrückgang konnte das deutsche Börsenbarometer damit nicht ganz wettmachen. Kursbestimmend war erneut die Hoffnung auf die Zinswende in den USA im September.

Mit dem gestrigen Rücksetzer ist der Markt allerdings etwas aus dem Tritt geraten. Erst bei einem Anstieg über das Hoch vom Dienstagmorgen bei 18.495 Zählern würde der DAX eine neue Aufwärtsdynamik entfalten. Charttechniker mahnen ohnehin zur Vorsicht - auch wenn der kurzfristige Trend im DAX derzeit noch nach oben zeigt. "Im Wochenchart befindet sich der DAX bisher noch in einem Abwärtstrend mit einer Kette von tieferen Verlaufshochs und tieferen Verlaufstiefs", gab ING-Charttechnikexperte Christian Zoller zu bedenken.

Einige Marktbeobachter warnen zudem, der deutsche Leitindex sei nach seiner jüngsten Aufholjagd inzwischen "überkauft", er ist also zu schnell zu hoch gestiegen. Auch das würde gegen weitere deutliche Kursgewinne sprechen.

Nach verhaltenem Start ist der Dow Jones zuletzt um 0,1 Prozent ins Minus gerutscht. Die Technologietitel an der Nasdaq gewinnen dagegen rund 0,2 Prozent. Gestern war auch an den US-Börsen die Gewinnserie gerissen, ohne dass es zu größeren Gewinnmitnahmen gekommen war.

Auch die revidierten US-Arbeitsmarktdaten für die zwölf Monate bis März dieses Jahres stärkten die Zinssenkungserwartungen. Zwischen April 2023 bis März 2024 seien wahrscheinlich 818.000 Stellen oder durchschnittlich 68.000 Stellen pro Monat weniger geschaffen worden als ursprünglich gemeldet, teilte das Bureau of Labor Statistics (BLS) am Nachmittag mit. Zuvor war für den Zeitraum noch ein Wachstum von durchschnittlich 246.000 pro Monat bekanntgegeben worden. Einmal im Jahr werden die Daten zum Stellenzuwachs vom BLS revidiert.

In ihrer Hoffnung auf sinkende Zinsen hangeln sich die Börsenprofis von Termin zu Termin. Der wichtigste ist der nächste Zinsentscheid der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) am 18. September, für den manche bereits einen mittelgroßen Zinsschritt von 0,5 Prozentpunkten erwarten.

Zunächst steht heute Abend nach Börsenschluss das Sitzungsprotokoll der Fed von Ende Juli auf der Agenda. Von den Mitschriften versprechen sich Börsianer Rückschlüsse auf das Tempo der erwarteten US-Zinssenkungen. "Die Sitzung hatte seinerzeit zu verstärkten Zinssenkungserwartungen beigetragen, weil nicht nur auf Inflationsrisiken verwiesen wurde, sondern auch auf die Risiken für den Arbeitsmarkt", erinnern die Experten der Landesbank Helaba.

Für besondere Spannung sorgt das morgen beginnende Notenbankertreffen in Jackson Hole. Vor allem die Rede von Fed-Chef Jerome Powell am Freitag wird die Aufmerksamkeit der Anleger auf sich ziehen. "Powell könnte enttäuschen, wenn er die Argumente für eine kurzfristige Zinssenkung nicht weiter verstärkt", befürchtet Anlagestrategin Naomi Fink von Nikko Asset Management.

Update Wirtschaft vom 21.08.2024

Bo Hyun Kim, HR, Update Wirtschaft, 21.08.2024 09:00 Uhr

Der Euro sprang nach den revidierten US-Arbeitsmarktdaten mit 1,1143 Dollar auf den höchsten Stand seit Juli 2023. Dabei ist die Stärke des Euro de facto eine Dollar-Schwäche. Die Aussicht auf Zinssenkungen durch die Fed drückt die US-Devise bereits seit Wochen.

Der Höhenflug des Goldpreises stoppte trotz der Dollar-Schwäche. Das Edelmetall fällt zur Wochenmitte auf 2.509 Dollar je Feinunze zurück, damit notiert es rund 22 Dollar unter dem Rekordhoch vom Dienstag. "Die glänzende Rally des Goldes wurde von den Spekulationen auf US-Zinssenkungen getrieben", sagt Anlagestratege Christopher Wong von der Bank OCBC. Wegen der hoch gesteckten Erwartungen an die Geldpolitik werde es für den Fed-Chef Powell schwierig, beim anstehenden Notenbankertreffen in Jackson Hole frische Impulse zu liefern.

Am Ölmarkt gehen die Preise am Nachmittag leicht zurück. Rohöl der Nordseesorte Brent wird zur Stunde mit 76,68 Dollar pro Barrel (159 Liter) 0,6 Prozent unter dem Vortagesniveau gehandelt. In den USA sind die Ölreserven in der vergangenen Woche unerwartet stark gesunken. Die Bestände an Rohöl fielen im Vergleich zur Vorwoche um 4,7 Millionen auf 426,0 Millionen Barrel. Solche Rückgänge stützen in der Regel die Ölnotierungen.

Zu den Kursgewinnern im New Yorker Handel gehört Ford. Der US-Autobauer ändert wegen hoher Verluste im hart umkämpften Markt für Elektroautos seine Modellpläne grundlegend. So wird es kein großes E-SUV mit drei Sitzreihen geben - dieses soll stattdessen einen Hybridmotor bekommen. Der Nachfolger des schweren Pickup-Trucks F-150 Lightning verzögert sich weiter. Fokussieren will sich Ford auf elektrische Lieferwagen ab 2026 und zwei mittelgroße, preisgünstigere Pickups ab 2027. "Diese Elektrofahrzeuge werden kostengünstiger sein", erklärte Ford-Chef Jim Farley. Finanzchef John Lawler ergänzte, der Fahrplan sei wegen des herrschenden Drucks auf Preise und Margen von E-Autos geändert worden. Ziel sei es, neue Modelle binnen eines Jahres profitabel zu machen.

Die Commerzbank will mit der Eröffnung eines Standorts in Litauen ihre Präsenz im Baltikum ausbauen. Die neue Repräsentanz solle im Dezember die Pforten öffnen, teilte das Frankfurter Geldhaus heute mit. "Deutschland ist einer der wichtigsten Handelspartner der baltischen Länder", sagte Michael Kotzbauer, im Vorstand der Commerzbank für das Firmenkundengeschäft zuständig.

Beim Lufthansa-Ferienflieger Discover stehen die Zeichen auf Streik. In getrennten Urabstimmungen haben die Mitglieder der Gewerkschaften Ufo und Vereinigung Cockpit heute für Arbeitskampfmaßnahmen gestimmt. Ein Streiktermin wurde nicht angekündigt. Die beiden Spartengewerkschaften für Piloten und Flugbegleiter arbeiten eng zusammen, um parallele, bereits bestehende Tarifverträge der Konkurrenzgewerkschaft ver.di mit dem Unternehmen überflüssig zu machen. Sie wollen stattdessen jeweils ein eigenes Tarifwerk durchsetzen.

Die Aktien von Minenkonzernen und Stahlherstellern profitieren nach der jüngsten Schwäche von einer positiven Preisentwicklung. Vor allem die Preise für Eisenerz, aber auch für Aluminium oder Betonstahl tendierten nach oben. Dies sorgt für Rückenwind. Im MDAX erholen sich Thyssenkrupp von ihrem vor einer Woche erreichten Rekordtief. Im SDAX kann die Aktie von Salzgitter zulegen.

Jenseits der großen Indizes geht der Kurseinbruch bei Mynaric weiter. Nach einer Kurshalbierung am Vortag geht es heute nochmals zweistellig in die Tiefe. Das Unternehmen, das auf Laserkommunikationsgeräte für Luft- und Raumfahrtszwecke spezialisiert ist, hatte gestern seine Umsatzprognose senken und gleichzeitig jene für den Betriebsverlust erhöhen müssen. Tim Wunderlich von Hauck Aufhäuser Investmentbanking senkte daraufhin das Kursziel auf 0 Euro.

Der US-Elektroautobauer Tesla muss 9.136 Fahrzeuge seines SUV-Modells in die Werkstätten zurückrufen. Grund seien Zierteile, die auf das vordere und mittlere Dach geklebt seien und sich lösen könnten, begründete die US-Aufsichtsbehörde National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) heute ihre Entscheidung. Tesla werde nun die Haftungsfähigkeit der Dachverkleidung testen, ohne dass Kosten für die Fahrzeughalter entstehen.

Der US-Einzelhandelsriese Walmart will sich Insiderberichten zufolge von seiner Beteiligung am chinesischen Internet-Konzern JD.com trennen und sich stattdessen stärker auf seine eigenen Geschäfte in der Volksrepublik konzentrieren. Walmart könnte aus dem Verkauf 3,74 Milliarden Dollar einnehmen.