Die Zinswende beginnt Erleichterung an der Wall Street
Die von US-Notenbankchef Powell heute in Aussicht gestellte Zinswende hat die Wall Street beflügelt - und erleichtert. Denn das Dauerthema der vergangenen Monate hat an den Nerven der Anleger gezerrt.
Jerome Powell hat geliefert und in den Vereinigten Staaten die Zinswende eingeläutet. "Die Zeit für eine Anpassung der Politik ist gekommen", sagte der Chef der US-Notenbank Federal Reserve bei einer Konferenz in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming.
Powell nannte keinen Zeitpunkt, aber Marktbeobachter gehen davon aus, dass eine Zinssenkung bei der Fed-Sitzung im September anstehen dürfte. Befürchtungen, dass der Fed-Chef die Märkte erneut hinhalten würde, bestätigten sich damit nicht.
Am Vortag hatte die Nervosität vor der Powell-Rede die Kurse an der Wall Street noch ins Minus gedrückt. Die gestern veröffentlichten, gemischt ausgefallenen Konjunkturdaten hatten auf ein eher geringes Tempo bei der Lockerung der Geldpolitik hingedeutet, was vor allem die Anleger der zinssensiblen Technologieaktien verschreckte.
Nun aber ist es nach Powells Worten quasi amtlich. Denn auch wenn die konkrete Ausgestaltung der nunmehr begonnenen Zinswende sich weiterhin an den jeweiligen Wirtschaftsdaten orientieren wird, ist die Richtung klar.
Auf diese Entwicklung warten die Investoren eigentlich schon seit Jahresbeginn. Aber der Abstieg vom US-Zinsgipfel erwies sich wegen der hartnäckigen Inflation schwieriger als gedacht. Immer wieder hatte die Fed darauf verwiesen, dass die Datenlage frühere Senkungen nicht hergebe. Jetzt ist der Prozess eingeleitet, auf den die Börsen weltweit gewartet haben.
"Die Spatzen pfiffen es spätestens seit dem enttäuschenden Arbeitsmarktbericht für Juli von den Dächern: Die US-Notenbank wird am 18. September die Leitzinswende einleiten. Ob Fed-Chef Powell zu einem maßvollen Vorgehen neigt, was eine Zinssenkung um 25 Basispunkte bedeutet, oder eine entschlossenere Lockerung um 50 Basispunkten bevorzugt, bleibt einstweilen offen. Ein wichtiger Gradmesser dürfte der Arbeitsmarktbericht für August sein", kommentierte Elmar Völker, Zinsexperte bei der LBBW.
Andere Experten zeigten sich vorsichtig. Die Anleger seien bereits mehrfach enttäuscht worden, was den Zeitpunkt der Zinswende angehe, sagte Chefstratege Sam Stovall beim Analysehaus CFRA. "Anders als die Sprinter bei den Olympischen Spielen wird die Fed nicht mit einer Senkung um 50 Basispunkte aus den Startlöchern kommen."
An der New Yorker Aktienbörse zeigten sich die Anleger aber zufrieden. Die großen Aktienindizes legten nach den Aussagen Powells unisono zu. Der Leitindex Dow Jones gewann 1,14 Prozent auf 41.175 Punkte, das Tageshoch lag bei 41.207 Zählern. Ähnlich der marktbreite S&P-500-Index, der 1,15 Prozent stieg. Die zinssensitive Nasdaq rückte um 1,47 Prozent, der Auswahlindex Nasdaq 100 um 1,18 Prozent vor.
Die US-Notenbank hatte den Leitzins zuletzt Ende Juli weiter in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent belassen und eine erste Senkung nach der großen Inflationswelle im September signalisiert. Dabei haben die Notenbanker immer wieder deutlich gemacht, dass künftige Zinsschritte von der Entwicklung der Konjunkturdaten abhängig seien.
Powell begrüßte in seiner Rede nun den Rückgang der Inflation in den vergangenen Monaten. Diese habe sich zuletzt wieder abgeschwächt, nachdem sie zu Beginn des Jahres ins Stocken geraten sei. "Meine Zuversicht ist gewachsen, dass die Inflation auf einem nachhaltigen Weg zurück zu zwei Prozent ist", sagte Powell.
"Gleichzeitig rückt er die zweite Seite des dualen Fed-Mandats deutlich stärker in den Fokus", kommentierte Thomas Altman, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter QC Partners. Die Währungshüter versuchen, mit erhöhten Zinsen die Inflation einzudämmen, ohne die Wirtschaft abzuwürgen.
"Powell äußert sich so besorgt über den US-Arbeitsmarkt wie nie zuvor in diesem Zins-Zyklus. Es wird klar, dass die Fed jetzt alles in ihrer Macht Stehende unternehmen wird, um weitere Abschwächungen des Arbeitsmarktes zu vermeiden. Und der Leitzins ist Instrument Nummer Eins dafür", sagte Altman weiter.
An den heimischen Märkten ging es nach den Aussagen Powells deutlich nach oben. Der DAX stieg in einer ersten Reaktion bis auf sein Tageshoch bei 18.670 Euro und schloss am Ende bei 18.633 Punkten um 0,76 Prozent höher. Im Wochenvergleich hat der Index damit rund 1,7 Prozent zugelegt nach 3,4 Prozent in der Vorwoche - und damit die Verluste vom Monatsanfang wieder ausgeglichen.
Bereits im Vorfeld waren die Anleger heute zuversichtlich gewesen und hatten bei Aktien zugegriffen. Der MDAX der mittelgroßen Werte gewann 0,92 Prozent auf 25.196 Punkte. Auch am Rentenmarkt stiegen die Kurse. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen fiel auf 2,22 Prozent.
Die gemischt ausgefallenen US-Konjunkturdaten hatten zuletzt auch die Abwertung des Dollars gestoppt. Nach Powells Ausführungen fiel der Dollar dann aber wie ein Stein, im Gegenzug kletterte der Euro und wurde zuletzt im US-Handel bei 1,1192 Dollar gehandelt. Das ist der höchste Stand seit über einem Jahr.
Der Euro konnte damit seine Vortagesverluste mehr als wettmachen. Dabei halfen auch überraschend positive Konjunkturdaten aus Frankreich: Die Stimmung in den Unternehmen des Landes hatte sich im August etwas stärker aufgehellt als erwartet. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1121 (Donnerstag: 1,1135) Dollar fest.
Auch am Goldmarkt wurde der Zinskurs der Fed mit Spannung erwartet, wird das gelbe Edelmetall doch in Dollar notiert. Der Preis für eine Feinunze sprang zunächst auf 2.517 Dollar, zuletzt wurden 2.510 Dollar bezahlt.
Die Klettertour der Münchener Rück-Aktie ging derweil im DAX weiter. Das Papier steigt derzeit von einem Rekordhoch zum nächsten und hat heute bei 476,20 Euro eine neue Bestmarke erreicht. Es stieg am Ende um 1,24 Prozent auf 475,00 Euro.
Die Aktie profitierte von einem überraschend guten Quartalsausweis des Konkurrenten SwissRe am Vorabend sowie einer allgemein guten Branchenstimmung. Die Gesellschaft hatte ihren Jahresausblick zuletzt bestätigt, ist aber dabei für ihre eher konservative Guidance bekannt. Die Anleger scheinen hier eine Überraschung zu wittern. Auch das Papier von Konkurrent Hannover Rück ist bei 254,30 Euro auf Rekordkurs, ein Tagesgewinn von 1,4 Prozent.
Die Einigung im Prozess um die Insolvenz der Tochtergesellschaft Qimonda lastete zunächst auf dm Infineon-Papier, dass dann aber mit dem Gesamtmarkt noch leicht um 0,26 Prozent zulegte. Infineon hatte sich mit dem Qimonda-Insolvenzverwalter im Rahmen des seit Ende 2010 laufenden Verfahrens auf eine Zahlung von 753,5 Millionen Euro geeinigt. "Die erste negative Reaktion sollte nicht anhalten, da die Angelegenheit jetzt vom Tisch ist", sagt ein Händler.
Im Fokus standen auch die Autokonzerne. Einer Studie der Beratungsfirma EY zufolge verzeichneten die 16 größten weltweit tätigen Autokonzerne im ersten Halbjahr einen Gewinnrückgang um acht Prozent und ein Absatzminus von zwei Prozent. Bei den deutschen Herstellern ging der Absatz um 2,5 Prozent zurück, der Gewinn brach um 18 Prozent ein.
Nach dem überraschenden Chefwechsel haben die Anleger die Titel des Nahrungsmittelriesen Nestlé auf den Markt geworfen. Zum Handelsende konnte das Papier seine Verluste aber noch etwas eingrenzen. Mit Laurent Freixe wird ein Firmenurgestein den Chefposten von Mark Schneider übernehmen. Ein solch unerwarteter und rascher Chefwechsel werfe Fragen auf hinsichtlich des laufenden Geschäfts und der kommenden Jahre, betonte Analystin Celine Pannuti von der Bank JPMorgan.
Die Billig-Airline Ryanair will Start- und Landerechte nicht übernehmen, die die italienische Airline ITA im Zuge ihrer Übernahme durch die Lufthansa aus wettbewerbsrechtlichen Gründen abgeben muss. Die Start- und Landerechte seien zu teuer oder ermöglichten nicht Flüge zu Zeiten, die interessant für Ryanair seien, sagte Ryanair-Chef Eddie Wilson in einem heute veröffentlichten Gespräch mit der Zeitung La Stampa.
Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat eine aktualisierte Version des Covid-Vakzins von BioNTech zugelassen. Der gemeinsam mit dem US-Partner Pfizer entwickelte und überarbeitete Impfstoff Comirnaty ziele auf neuere Varianten der Krankheit ab und soll rechtzeitig für eine Impfkampagne im Herbst verfügbar sein, teilte das Mainzer Biotechunternehmen gestern mit.
Nutzer von Apples iPhones und iPads in der EU werden bald mehr Apps des Konzerns von ihren Geräten löschen können. Dazu gehören der App Store, der SMS-Ersatz Messages, der Web-Browser Safari sowie die Kamera- und die Fotos-App. Die einzigen Apple-Apps, die nicht löschbar bleiben, sind die für Einstellungen und für Telefonanrufe.