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Vor EZB-Entscheid Zinssorgen verpufft

Stand: 05.06.2024 22:21 Uhr

Am Donnerstag wird die EZB aller Voraussicht nach die Zinswende einleiten. Auch die US-Geldpolitik hat wieder mehr Spielraum. Das beflügelte die Kurse. US-Technologieaktien verbuchten neue Rekordstände.

Nach den jüngsten Rückschlägen sind dies- und jenseits des Atlantiks wieder Zinshoffnungen aufgekeimt. Der amerikanische Leitindex Dow Jones setzte seine Kurserholung von Dienstag fort und gewann 0,25 Prozent auf 38.807 Punkte. Die jüngsten Konjunkturdaten haben wieder die Hoffnung genährt, dass die US-Notenbank Fed mehr Spielraum für Zinssenkungen in diesem Jahr hat. Weiteren Aufschluss verspricht der mit Spannung erwartete US-Arbeitsmarktbericht am Freitag. "Wir fangen an, eine Flaute auf dem Arbeitsmarkt zu sehen, was der Fed mehr Flexibilität gibt", sagte Marktexperte Justin Onuekwusi von St. James's Place Management.

Noch besser schnitten die Technologietitel ab. Wegen ihrer meist höheren Verschuldung gelten Technologieunternehmen als sensitiver für Zinsänderungen. Der Auswahlindex Nasdaq 100 markierte ein neues Rekordhoch und schloss zwei Prozent höher bei 19.035 Punkten.

Der aktuelle Einkaufsmanagerindex für die Dienstleistungsbranche ist dagegen wieder in die Wachstumszone zurückgekehrt. Der Index des Institute for Supply Management (ISM) stieg im Mai auf 53,8 Punkte, nach 49,4 Punkten im April. Die US-Industrie hatte dagegen im Mai ihre Talfahrt überraschend beschleunigt. Deren Einkaufsmanagerindex sank um 0,5 auf 48,7 Punkte, wie das ISM zu Wochenbeginn mitteilte. "Die Wachstumshoffnungen der USA liegen damit einmal mehr auf dem Servicesektor", kommentierte Ökonom Ralf Umlauf von der Helaba.

Auch am deutschen Aktienmarkt erholten sich dank neu entfachter Zinshoffnungen die Kurse. Der DAX verbuchte ein deutliches Plus von 0,9 Prozent auf 18.575 Punkte. Am Dienstag war der deutsche Leitindex mit 18.365 Punkten zeitweise auf den tiefsten Stand seit vier Wochen gesunken.

"Die EZB wird morgen voraussichtlich als erste große Zentralbank der G7-Volkswirtschaften die Zinsen senken und damit einen geldpolitischen Kurswechsel einleiten, dem im Sommer die Bank of England und im Herbst die Federal Reserve folgen dürften", sagte Analyst Konstantin Oldenburger von CMC Markets. Deutlich geringere Inflationsraten erlauben es den Währungshütern, den zuvor auf den Rekordwert von 4,5 Prozent heraufgesetzten Leitzins zu senken - voraussichtlich auf 4,25 Prozent.

Ein positives Signal in Richtung EZB gaben heute zudem die Erzeugerpreise im Euroraum: Sie sind stärker als erwartet gesunken und signalisieren nachlassenden Inflationsdruck. Im April gingen sie im Vergleich zum Vormonat um 1,0 Prozent zurück.

Aufgehellt hat sich auch die Unternehmensstimmung im Euroraum. Sie erreichte im Mai den besten Wert seit einem Jahr. Der Einkaufsmanagerindex von S&P Global stieg zum Vormonat um 0,5 Punkte auf 52,2 Zähler. Der Indikator liegt bereits den dritten Monat über der sogenannten Expansionsschwelle, was auf eine Zunahme der wirtschaftlichen Aktivitäten hindeutet.

Angetrieben von den Dienstleistern hat auch die deutsche Wirtschaft im Mai mehr Fahrt aufgenommen. Der Einkaufsmanagerindex stieg auf 52,4 Zähler von 50,6 Punkten im April auf ein Zwölf-Monats-Hoch, wie S&P Global mitteilte.

Nach dem jüngsten Preisrutsch haben sich die Ölpreise zur Wochenmitte stabilisiert. Am späten Abend notierte Öl der Nordseesorte Brent zur Lieferung im August bei 78,44 Dollar pro Barrel (159 Liter). Ein unerwarteter Anstieg der US-Ölreserven konnte die Ölpreise nicht weiter belasten. Die Rohölbestände erhöhten sich zur Vorwoche um 1,2 Millionen auf 455,9 Millionen Barrel. Die tägliche Ölproduktion stagnierte auf hohem Niveau bei 13,1 Millionen Barrel. Am Dienstag waren die Ölpreise noch auf die tiefsten Stände seit Anfang Februar gefallen. Unter anderem hatte die Förderpolitik der OPEC+ die Notierungen belastet. Mitglieder des Ölkartells wie Russland wollen ab Oktober ihre freiwilligen Produktionskürzungen zurückfahren.

Der Euro geriet am Nachmittag unter Druck. Auslöser war der starke ISM-Einkaufsmanagerindex aus dem US-Dienstleistungssektor. Am Abend notierte die europäische Gemeinschaftswährung 0,1 Prozent tiefer bei 1,0874 Dollar. Der Goldpreis zog trotz der Dollar-Stärke um 1,1 Prozent auf 2.353 Dollar je Feinunze an.

Am späten Abend teilte die Deutsche Börse die Ergebnisse der turnusgemäßen Überprüfung ihrer Indizes mit. SMA Solar, Sixt und MorphoSys steigen vom MDAX in den SDAX ab. TUI und Rational kehren in den MDAX zurück, neu aufgenommen wird zudem Traton.

Die erwartete Rückkehr in den MDAX hat heute bereits die Aktien von TUI beflügelt. Die Papiere haben ihre Kursrally bis fast an das Mai-Hoch bei 7,212 Euro fortgesetzt. Zuvor hatte das Papier auch von der Insolvenz des Wettbewerbers FTI profitiert.

In den SDAX wird zudem der Börsenrückkehrer Douglas aufgenommen. Dagegen scheiden Heidelberger Druck, der Versicherer W&W und der Wasserstoff-Spezialist Thyssenkrupp Nucera aus dem Kleinwerteindex aus.

Einer der auffälligsten Werte an der Nasdaq war Crowdstrike. Die Aktie gewann über zehn Prozent. Der Anbieter für Sicherheitssoftware legte Ergebnisse für das abgelaufene Quartal vor, die die Konsensschätzungen übertrafen. Zudem hob das texanische Unternehmen den Ausblick für das Geschäftsjahr an.

Sinnbildlich für die laufende Tech-Hausse in den USA war der Anstieg des Börsenwerts von Nvidia über drei Billionen Dollar. Der Anbieter von Prozessoren für KI-Anwendungen überholte damit Apple und ist nun das am zweithöchsten bewertete Unternehmen der Welt. Nur der Softwarehersteller Microsoft liegt mit 3,1 Billionen Dollar noch vor ihm.

Nach einer ganzen Reihe von Hiobsbotschaften und Rückschlägen gab es heute eine Erfolgsmeldung für Boeing. Der US-Luftfahrtkonzern hat erstmals Astronauten zur Internationalen Raumstation (ISS) geschickt. Das Raumschiff "Starliner" mit zwei NASA-Astronauten soll die Raumstation morgen nach 25 Stunden Flugzeit erreichen. Damit folgt Boeing dem Raumfahrtkonzern SpaceX, der bereits Transportdienste für die US-Raumfahrtbehörde ins All leistet.

Der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock und der US-Hedgefonds Citadel unterstützen die Gründung einer neuen nationalen Börse in Texas. Die Branchengrößen wollen mit dem Schritt die steigenden Compliance-Kosten der Nasdaq und der NYSE sowie neue Zielvorgaben für die Diversität von Nasdaq-Vorständen in Frage stellen, berichtete das "Wall Street Journal" unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Die Texas Stock Exchange (TXSE) wolle die Registrierungsunterlagen noch in diesem Jahr bei der US-Börsenaufsicht SEC einreichen und bereits 2025 mit dem Handel beginnen.

Die Bayer-Aktie war einer der gefragtesten Titel im DAX. Eine Richterin im US-Bundesstaat Pennsylvania hat die Strafzahlung in einem Glyphosat-Prozess gegen Bayer von 2,25 Milliarden auf 400 Millionen Dollar zusammengestrichen. In einer Entscheidung vom Dienstag gab Richterin Susan Schulman einigen Einsprüchen von Bayer statt. Bayer kündigte dennoch an, gegen das Urteil Berufung einzulegen.

Der Gesundheitskonzern Fresenius setzt seiner Krankenhauskette Helios höhere Ziele. Für 2024 strebt Helios nun ein organisches Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich sowie eine operative Rendite (Ebit-Marge) von zehn bis elf Prozent an, wie das DAX-Unternehmen mitteilte. Bislang war ein Umsatzplus im niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich und eine Marge innerhalb einer Spanne von neun bis elf Prozent angestrebt worden.

Nur wenige Monate nach einem ersten Angriff ist Europas größte Laborkette Synlab erneut Opfer einer Cyberattacke geworden. Das britische Unternehmen Synnovis, an dem Synlab beteiligt ist, sei bereits am Montag angegriffen worden, teilte das SDAX-Unternehmen gestern nach Börsenschluss mit. Expertinnen und Experten sollen nun die Auswirkungen der Attacke prüfen. Andere Synlab-Unternehmen und -Standorte seien nicht betroffen.

Im Rahmen einer Veränderung der Ausschüttungspolitik können SAP-Aktionäre auf höhere Dividenden hoffen. Europas größter Softwarehersteller richtet sich bei der Ausschüttung seiner Dividende künftig mehr nach dem Abschneiden im operativen Geschäft. So sollen nun mindestens 40 Prozent des um Sondereffekte bereinigten Konzerngewinns nach Steuern aus dem fortgeführten Geschäft an die Aktionäre ausgezahlt werden. Der DAX-Konzern hatte bisher als Richtlinie, mindestens 40 Prozent des unbereinigten Konzernergebnisses nach Steuern auszuzahlen. Mit der neuen Regelung zieht SAP Sonderbelastungen wie Umbaukosten und Aufwendungen für Übernahmen und Unternehmensteilverkäufe nicht mehr von der Grundlage für die auszuzahlende Dividendensumme ab. Auf der anderen Seite kommen mögliche Sondererträge aus Unternehmensverkäufen den Aktionären aber auch nicht mehr automatisch zugute.

Der badische Rollstuhlhersteller Sunrise Medical geht doch nicht an die Börse. Der skandinavische Finanzinvestor Nordic Capital hat eine Woche nach der Ankündigung des Börsengangs doch noch einen Käufer gefunden, der ihm das ganze Unternehmen abnimmt. Die kalifornische Beteiligungsfirma Platinum Equity übernimmt Sunrise Medical, wie die Beteiligten heute mitteilten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 05. Juni 2024 um 09:00 Uhr.