US-Börsen unentschlossen Wall Street schwächelt nach Rekordjagd
An den US-Börsen haben sich Anleger für keine klare Richtung entscheiden können. Nasdaq und S&P 500 stiegen zwischenzeitlich auf neue Rekordhochs, schlossen aber tiefer. Vor allem Nvidia treibt die Märkte. Wie lange geht das gut?
An den US-Börsen kam es nach der gestrigen Rekordjagd heute zu keinen größeren Bewegungen. Der technologielastige Nasdaq 100 und der breiter gefasste S&P 500 erreichten zwar schon früh neue Rekorde, schlossen aber beide letztlich nahezu unverändert mit einem Minus von jeweils 0,07 Prozent und 0,02 Prozent. Der Leitindex Dow Jones, der sowohl den anderen Indizes als auch seinem Rekord seit einiger Zeit hinterherhinkt, gewann dagegen 0,2 Prozent.
Spekulationen um mögliche Zinssenkungen der Fed bleiben bei den Anlegern im Fokus. Einen Indikator für die weitere Zinspolitik der Fed könnten die morgen anstehenden US-Beschäftigtenzahlen liefern.
Gestern hatten Kursfantasien zum Potential der Künstlichen Intelligenz die Rally angetrieben. Der Chiphersteller Nvidia wurde nach Microsoft und Apple zum erst dritten Unternehmen, das beim Börsenwert die Marke von drei Billionen Dollar geknackt hat. Im heutigen Handelsverlauf rutschte das Unternehmen wieder unter die Drei-Billionen-Marke.
Einige vergleichen den steilen Kursanstieg Nvidias schon mit den Spekulationen während der Dotcom-Blase Anfang der 2000er-Jahre. Innerhalb eines Jahres ist der Kurs des Chipherstellers um mehr als 200 Prozent gestiegen.
Die drei größten US-Börsenwerte Microsoft, Apple und Nvidia stünden inzwischen für 20 Prozent der Marktkapitalisierung sämtlicher im S&P 500 notierten Firmen, rechnete Neil Wilson, Chef-Analyst des Brokerhauses Finalto, vor. Knapp die Hälfte des Kursgewinns dieses Index gehe seit Jahresbeginn allein auf das Konto von Nvidia. "Das ist etwas furchteinflößend." Größere Kursrücksetzer dieser Unternehmen könnten den gesamten Markt in die Tiefe reißen.
Die erste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) seit Jahren hat die Anleger am deutschen Aktienmarkt wenig beeindruckt. Der DAX gab einen Teil seiner frühen Gewinne ab, als Anleger erkannten, dass die erwartete Entscheidung der EZB den Leitindex in Rekordnähe nicht mehr antreiben kann. Anleger vermissten auch Hinweise, dass es zeitnah weitere Lockerungen geben könnte. Am Ende schloss der DAX 0,41 Prozent höher bei 18.653 Punkten, nachdem er im Tageshoch vor dem Zinsentscheid schon mehr als ein Prozent gewonnen hatte.
"Dass die Europäische Zentralbank die Leitzinsen um 25 Basispunkte senken würde, darauf hatte sie den Markt in den vergangenen Wochen entsprechend vorbereitet und heute nun Fakten geschaffen", sagte Eckhard Schulte von MainSky Asset Management.
Die Währungshüter senkten den Schlüsselsatz um einen Viertel Prozentpunkt auf 3,75 Prozent. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte auf einer Pressekonferenz heute dazu, dass die Teuerungsrate wahrscheinlich bis ins nächste Jahr hinein über dem Zielwert der Europäischen Zentralbank bleiben werde.
Hoffnungen auf weitere Schritte in den kommenden Monaten seien verfrüht, warnte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. "Noch ist das Inflationsziel nicht erreicht. Es kann gut sein, dass eine hartnäckige Restinflation weitere Zinssenkungen in den kommenden Quartalen sehr schwierig gestalten wird."
Unterdessen sendet die deutsche Industrie weitere Schwächesignale. Im April verbuchte sie überraschend das vierte Auftragsminus in Folge. Das Neugeschäft schrumpfte um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vormonat, teilte das Statistische Bundesamt mit. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten hingegen mit einem Anstieg von 0,5 Prozent gerechnet.
"Die April-Zahl ist für sich genommen keine Katastrophe, denn es war nur ein Mini-Rückgang. Ohne die Einbeziehung der Großaufträge wäre sogar ein deutliches Plus erzielt worden", stellt Jens-Oliver Niklasch, Ökonom bei der LBBW fest. Aber im Zusammenhang zeige die Zahl dennoch, wie schwer sich die Konjunktur derzeit tue, wieder Tritt zu fassen. "Das zweite Quartal dürfte nach den bisher vorliegenden Daten eher schwächer ausgefallen sein als das Startquartal", so Niklasch.
Am Rohstoffmarkt deckten sich nach dem jüngsten Ausverkauf weitere Anleger mit Erdöl ein. Die Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich um 1,64 Prozent auf 79,87 Dollar je Barrel (159 Liter). Der vorangegangene Preisrutsch sei eine Überreaktion gewesen, sagte Analyst Amarpreet Singh von der Barclays Bank. "Die Nachfrage hat sich zuletzt zwar abgeschwächt, ist aber nicht zusammengebrochen."
Die Zinssenkung der EZB hat die Anleger von Immobilienwerten nicht zufrieden gestellt. Die Kurse der großen deutschen Branchenwerte rutschten deutlich ins Minus ab: Vonovia fielen um 1,9 Prozent. Im MDAX versammelten sich TAG Immobilien, LEG und Aroundtown mit Abschlägen zwischen 3,11 und mehr als sechs Prozent ganz hinten. Immobilienwerte reagieren für gewöhnlich besonders sensibel auf geldpolitische Entscheidungen.
Im DAX gehörten SAP-Papiere mit einem Kursplus von mehr als drei Prozent zu den Favoriten. Der Walldorfer Softwarekonzern habe bei seiner Hausmesse Sapphire einige "aufregende" Ankündigungen zur Aufrüstung weiterer Produkte mit Künstlicher Intelligenz (KI) gemacht. Ermutigend sei außerdem die Aussicht auf beschleunigtes Wachstum in den kommenden Jahren.
Der Münchner Bau- und Medien-Software-Spezialist Nemetschek kauft in den USA für umgerechnet mehr als 700 Millionen Euro zu. Nemetschek erwirbt das 2008 gegründete Unternehmen GoCanvas, das Software zur papierlosen Erfassung, Auswertung und Bearbeitung von Baustellendaten anbietet, wie das Unternehmen mitteilte. Finanzieren will Nemetschek die Übernahme aus der eigenen Kasse und mit Krediten.
Stühlerücken im MDAX: Der Nebenwerteindex bekommt in knapp drei Wochen drei neue Mitglieder. Der Reisekonzern TUI, der Großküchen-Ausrüster Rational und der Lkw-Hersteller Traton ziehen zum 24. Juni in den Index der 50 wichtigsten Werte unterhalb des DAX ein, teilte die Deutsche Börse mit. Dafür weichen müssen der Solar-Zulieferer SMA Solar, der Biotech-Konzern Morphosys und der Autovermieter Sixt, die in den Kleinwerteindex SDax absteigen.
Die Alphabet-Tochter Google hat seinen KI-gestützten Recherche- und Schreibassistenten "NotebookLM" für Anwenderinnen und Anwender in rund 200 Ländern außerhalb der USA freigeschaltet. "NotebookLM" funktioniert ähnliche wie ChatGPT von OpenAI oder Co-Pilot von Microsoft, verwendet für sein Training aber ausschließlich vom User vorgegebene Quellen. "NotebookLM" arbeitet nach Angaben des Tech-Konzerns damit als geschlossenes System, das heißt es analysiert nur die in den hochgeladenen Quellen enthaltenen Informationen und greift nicht auf das Internet zu, um zusätzliche Daten auszuwerten.
Rheinmetall und der US-Konzern Lockheed Martin bauen ihre Zusammenarbeit aus. Die beiden Rüstungskonzerne unterzeichneten eine Absichtserklärung, die auf eine Kooperation unter anderem bei Raketenartillerie- sowie Laserwaffensystemen abzielt, wie Rheinmetall mitteilte. Es sei "ein logischer Schritt für uns, die Zusammenarbeit mit Rheinmetall auf die nächste strategische Ebene zu heben", sagte Lockheed-Martin-Vertreter Dennis Goege.
Mit der größten Übernahme der Firmengeschichte will Robinhood seine Marktposition im Handel mit Bitcoin anderen Kryptoassets stärken. Der Online-Broker kündigte heute an, die in Europa und Asien populäre Kryptowährungsbörse Bitstamp für 200 Millionen Dollar in bar zu übernehmen. Das boomende Geschäft mit Cyber-Devisen hatte Robinhood zuletzt einen Rekord-Quartalsumsatz beschert.
Der Ticketvermarkter und Konzertveranstalter CTS Eventim zahlt rund 300 Millionen Euro für das Ticket- und Festival-Geschäft des Medienkonzerns Vivendi außerhalb Frankreichs. Die Anfang April angekündigte Übernahme sei nun perfekt, teilten die beiden Vertragspartner heute mit. Dabei bezifferten sie den Unternehmenswert des Geschäfts. Kern der Transaktion ist die Vivendi-Tochter See Tickets, in Großbritannien im vergangenen Jahr die Nummer zwei im Ticketing und mit insgesamt 44 Millionen verkauften Eintrittskarten in sieben weiteren Ländern Europas und in USA vertreten. Daneben will CTS Eventim das kleinere Festival-Geschäft übernehmen.
Das Bayerische Oberste Landesgericht will im November die Wirecard-Musterklage ehemaliger Aktionäre des Konzerns gegen den früheren Vorstandschef Markus Braun und zehn weitere Beklagte verhandeln. Termin ist der 22. November, wie das Gericht mitteilte. Der Kollaps des Wirecard-Konzerns im Sommer 2020 hatte neben dem Strafverfahren hunderte von Zivilklagen zur Folge.
Der europäische Flugzeughersteller Airbus hat bei der Auslieferung neuer Jets im Mai nachgelassen. Der DAX-Konzern übergab 53 Passagierjets an seine Kunden, wie er am Abend in Toulouse mitteilte. Im März und April hatte der Hersteller jeweils mehr als 60 Stück geschafft. Airbus muss sich weiter ranhalten, um in diesem Jahr wie geplant etwa 800 Maschinen auszuliefern. Nach den ersten fünf Monaten hat der Konzern erst 256 Stück geschafft und damit noch nicht einmal ein Drittel seines Jahresziels.
Beim Videospielehändler GameStop sorgte wieder einmal Keith Gill für einen Kurssprung von zuletzt gut 30 Prozent. Der auch als "Roaring Kitty" bekannt gewordene Investor kündigte seine Rückkehr auf die Videoplattform YouTube an. Vor gut drei Jahren hatte Gill noch deutlichere Kurssprünge bei GameStop ausgelöst und am vergangenen Wochenende auf der Online-Plattform Reddit einen Screenshot veröffentlicht, demzufolge er GameStop-Aktien und Optionen für rund 175 Millionen Dollar gekauft hat.