Wall Street fehlen Impulse US-Anleger gehen vom Gas
Am Ende einer ereignisreichen und erfolgreichen Woche scheuten die US-Anleger größere Risiken. Die Rally an der Wall Street legte damit eine Pause ein. Zuvor hatte der DAX seine Klettertour fortgesetzt.
Mit dem Auslaufen der Berichtssaison fehlten der Wall Street zum Wochenschluss die Impulse. Die großen Aktienindizes stagnierten nach einer mit zahlreichen Konjunkturdaten gespickten Woche. Kursverluste bei mehreren Einzelwerten und Zweifel an baldigen Zinssenkungen der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) nach neuen Aussagen wichtiger Vertreter bremsten die Rally an der Wall Street aus.
Am Ende schloss der Dow Jones, der Leitindex der Standardwerte, bei 34.947 Punkten minimal höher. Getragen von Zinshoffnungen nach den Inflationsdaten hat sich der Dow seit seinem Zwischentief Ende Oktober deutlich erholt, und die Gewinnbilanz für diese Woche beträgt zwei Prozent.
Auch die anderen großen Indizes bewegten sich kaum. Der marktbreite S&P-500 hatte den ganzen Tag mit seinem Schlusskurs gerungen und ging am Ende bei 4514 Zählern um 0,1 Prozent leicht höher aus dem Handel. Leichte Gewinne von 0,1 Prozent gab es auch an der technologielastigen Nasdaq, der Auswahlindex Nasdaq 100 schloss bei 15.837 Punkten nahezu unverändert.
Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ist aus Sicht ihres Vizepräsidenten Michael Barr derweil am Zinsgipfel oder zumindest dicht davor. Jüngste Daten zeigten, dass sich die Zentralbank geldpolitisch hin zu einer "besseren Balance" bewege. Dies sei "ziemlich ermutigend", sagte der Fed-Vizechef, der zugleich deren oberster Bankenaufseher ist, am Freitag in New York.
Auch die Präsidentin des Fed-Bezirks San Francisco, Mary Daly, plädierte für eine abwartende geldpolitische Haltung. Angesichts der unsicheren Konjunkturaussichten sei Geduld angezeigt.
An den Terminmärkten wird fest damit gerechnet, dass die US-Währungshüter auch auf der nächsten Sitzung am 13. Dezember pausieren werden. Der Chef des Fed-Bezirks Minneapolis, Neel Kashkari, warnte jedoch unlängst davor, auch mit Blick auf die hochtourig laufende Wirtschaft den Sieg über die Inflation zu früh auszurufen.
Experten zeigten sich zurückhaltend. "Wir befinden uns immer noch in einer Situation, wo man mit dem Gedanken spielt, ob wir bald in eine Rezession geraten oder doch nicht", sagte Justin Onuekwusi, Chefanleger beim britischen Vermögensverwalter St. James's Place. "Deswegen sind die Erwartungen an die Zentralbanken zu einem derart wichtigen Faktor für die Börsen geworden. Im Moment ist es schwer, über die nahe Zukunft hinauszublicken."
Im Rampenlicht bei den Einzelwerten standen unter anderem die Aktien von Applied Materials, die vier Prozent verloren. Die US-Behörden ermitteln Insidern zufolge gegen den Chiphersteller wegen einer etwaigen Umgehung der Exportbeschränkungen gegen China.
Aus den Depots flogen auch die US-notierten Aktien von Alibaba, die weitere 1,9 Prozent verloren. Bereits am Vortag war die Aktie stark unter Druck gekommen. Der chinesische Online-Händler stoppt wegen der US-Exportbeschränkungen seine Investitionspläne in den Bereichen Cloud und Künstliche Intelligenz (KI).
Bei Microsoft strichen Anleger Kursgewinne ein, die Aktie sank um 1,68 Prozent. Nach einer Kurs-Rally von fast 20 Prozent seit Anfang Oktober hatten die Papiere am Vortag ein Rekordhoch erreicht. Schub bekam das Papier zuletzt von der Aussicht auf eigene Chips für den Einsatz für Künstliche Intelligenz.
Aktien des Bekleidungshändlers Gap, ein Nachzügler der Berichtssaison, schnellten um über 30 Prozent nach oben, nachdem im vergangenen Quartal der Gewinn trotz erheblicher Umsatzeinbußen höher ausgefallen war als am Markt gedacht. Im Fahrwasser der Gap-Aktie gewannen die Papiere der Bekleidungsketten Abercrombie & Fitch und Ralph Lauren 6,6 beziehungsweise 0,9 Prozent.
Auch zum Wochenschluss haben die Optimisten unter den Anlegern am deutschen Aktienmarkt die Oberhand behalten. Der DAX nahm nach dem lustlosen Handel des Vortages wieder Fahrt auf und schloss am Ende bei 15.919 Punkten um 0,84 Prozent höher. Auf Wochenbasis ergibt sich ein deutliches Plus von 4,5 Prozent. Auch der MDAX der mittelgroßen Werte holte gestrige Verluste teilweise wieder auf und rückte um 1,21 Prozent auf 26.283 Punkte vor.
Sein Tageshoch markierte der DAX heute bei 15.952 Punkten, was gleichzeitig der höchste Stand seit zwei Monaten war. Damit rückt für den deutschen Leitindex die Marke von 16.000 Punkten wieder ins Visier.
Nicht nur saisonal, auch markttechnisch ist derzeit Fantasie vorhanden. Der DAX hatte zur Wochenmitte seine 200-Tage-Linie, also den gleitenden Durchschnitt der vergangenen 200 Handelstage von unten nach oben durchkreuzt und damit ein technisches Kaufsignal gesandt. Das nächste Kursziel für den DAX stellt nun die Marke von 16.000 Punkten dar.
Fundamental hatten vor allem mildere Inflationsdaten aus den USA im Wochenverlauf die Zinssorgen an den Märkten gedämpft. Anleger rechnen damit, dass die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) nun den Zinsgipfel erreicht hat. An den Terminmärkten werden ab Mai sogar Zinssenkungen eingepreist.
Davon will Fed-Chef Jerome Powell allerdings bisher nichts wissen, denn das von der Notenbank angepeilte Ziel einer Inflation von zwei Prozent ist noch nicht erreicht. Man entscheide nach Datenlage, heißt es immer wieder, was übrigens auch für die EZB gilt.
"Die Zinsfantasie dürfte die eher trüben wirtschaftlichen Aussichten kompensieren und die Anleger schon auf die Zeit nach der Rezession blicken lassen", so Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets.
Dies gilt um so mehr, als sich bei der Konjunkturentwicklung eine Stabilisierung abzeichnen könnte. "Sollten sich Frühindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes oder das ifo-Geschäftsklima im November weiter stabilisiert haben, könnte in Sachen Konjunkturtrend der Boden erreicht sein", prognostizierte Aktienstratege Robert Greil von der Privatbank Merck Finck mit Blick auf die Daten der kommenden Woche.
Apropos neue Daten: Auch für die europäischen Märkte wird der Beginn des US-Weihnachtsgeschäfts ein wichtiges Datum sein, ist doch der Konsum in der größten Volkswirtschaft der Welt das Rückgrat der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung.
Nach dem Thanksgiving-Fest (Erntedank) am kommenden Donnerstag gilt der kommende Brückentag am Freitag, der sogenannte "Black Friday", als Startschuss. Traditionell ist dies für die Börsen eine saisonal gute Zeit.
Für Rückenwind sorgen Börsianern zufolge auch die kräftig gesunkenen Ölpreise. "Mittlerweile ist Öl so günstig wie zuletzt Mitte Juli. Das ist für Unternehmen, Notenbanken, Verbraucher und Aktionäre eine gleichermaßen gute Nachricht", sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Handelshaus QC Partners.
Die Ölpreise steuern mit knapp fünf Prozent auf ihren vierten Wochenverlust in Folge zu. Die Nordsee-Sorte Brent und US-Leichtöl WTI schlugen heute zwar einen Erholungskurs ein, notierten mit 78,80 und 75,22 Dollar je Fass (159 Liter) allerdings weiterhin nahe ihrer Vier-Monats-Tiefs. Anleger sorgen sich angesichts zuletzt schwacher Konjunkturdaten aus den USA und Asien um die weltweite Ölnachfrage.
Der Euro ist heute nach anfänglichen Verlusten im europäischen Handel stetig ins Plus gedreht. Im späten US-Devisenhandel wurde sogar die Marke von 1,09 Dollar überwunden, der Euro stieg damit auf den höchsten Stand seit Ende August. Zuletzt notierte die Gemeinschaftswährung bei 1,0905 Dollar. Unterstützung erhielt der Euro vor dem Wochenende von der freundlichen Stimmung an Europas Aktienmärkten. Der Greenback war deshalb etwas weniger als sicherer Anlagehafen gefragt.
Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0872 (Donnerstag: 1,0849) Dollar fest. Übergeordnet haben die gesunkenen US-Zinserwartungen im Wochenverlauf den Dollar deutlich geschwächt.
An der DAX-Spitze setzte sich die Erholungsrally der Siemens-Energy-Aktien fort. Am Schluss lagen Papiere des angeschlagenen Energietechnikkonzerns 7,5 Prozent im Plus. Sie profitierten damit weiter von dem jüngsten Durchbruch im Ringen um finanzielle Garantien des Bundes.
Der Volkswagen-Konzern hat im vergangenen Monat bei den Verkäufen weiter zugelegt und auch in China wieder mehr Auslieferungen verzeichnet. Im Oktober lieferte der Konzern mit all seinen Marken 765.500 Fahrzeuge aus und damit 10,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. In China, dem wichtigsten Einzelmarkt, gab es nach mehreren Monaten mit Rückgängen ein Plus von 5,1 Prozent auf 276.800 Fahrzeuge.
Gleichzeitig tagten heute die VW-Führungsgremien. Dabei präsentierte der Vorstand dem Aufsichtsrat seine Pläne. So will Volkswagen seine Präsenz auf dem nordamerikanischen Markt ausweiten. Zudem kamen die Investitionsplanung des Konzerns sowie das Sparprogramm des Konzerns zur Sprache, das Firmenchef Oliver Blume dem Konzern verordnet hatte. Details wurden nicht bekannt. Dies soll erst auf der Bilanzpressekonferenz im März stattfinden.
Blume hat seinem Konzern eine Rendite von bis zu zehn Prozent bis 2027 als Ziel gesetzt, die Kernmarke Volkswagen will bis 2026 dann 6,5 Prozent Rendite schaffen. Bis dahin soll der operative Gewinn um zehn Milliarden Euro steigen. Das Unternehmen verhandelt derzeit mit dem Betriebsrat über mögliche Sparmaßnahmen. Bereits bekannt ist, dass im indirekten Bereich - also in der Verwaltung - die Kosten um ein Fünftel gesenkt werden sollen; hier laufen einem Sprecher zufolge bereits entsprechende Gespräche. Im indirekten Bereich bei Volkswagen arbeiten rund 40.000 Büroangestellte
Größter Verlierer im DAX war die Infineon-Aktie. Negative Nachrichten aus der Tech-Branche lasteten auf dem Titel. In New York handeln Applied Materials über fünf Prozent leichter - wegen eines Medienberichts. Demnach soll es in den USA Ermittlungen gegen den Chipkonzern wegen der angeblichen Verletzung von Exportbeschränkungen nach China geben.
Bayer haftet nicht für bestimmte Klagen im Zusammenhang mit Dr. Scholl's Fußpflegeprodukten auf Talkum-Basis, das entschied gestern das höchste Gericht in Delaware. Dafür haften muss vielmehr Merck & Co. Bayer hatte Dr. Scholl's im Rahmen einer 14,2-Milliarden-Dollar-Transaktion 2014 von dem US-Pharmakonzern erworben. Die Bayer-Aktie gewann im DAX 2,1 Prozent.
Im MDAX gehörte die Aktie von Fresenius Medical Care(FMC) zu den Gewinnern. Anleger folgten damit einer Kaufempfehlung der Société Générale. SocGen-Experte Justin Smith sieht aktuell ein "Mispricing" in den Aktien von FMC und rät den Anlegern, diese Fehleinschätzung am Markt auszunutzen. Die Themen Übergewicht und Dialyse würden unsachlich in einen Topf geworfen, obwohl sie äußerst unterschiedlich seien. Mitte Oktober war die FMC-Aktie nach einem Forschungserfolg des Diabetesmittels Ozempic bei Nierenpatienten eingebrochen.
Aktien des Essenslieferdienstes Delivery Hero setzten ihre jüngste Kursrally nach den Quartalszahlen vom Dienstag fort. Seit Wochenbeginn gerechnet steht damit ein Gewinn von rund 21 Prozent zu Buche. Analyst Andrew Ross von der britischen Investmentbank Barclays verweist darauf, dass der chinesische Lieferriese Meituan laut der Nachrichtenagentur Bloomberg eine mögliche Übernahme des Südostasien-Geschäfts von Delivery Hero prüfe.
Bei der Entwicklerfirma hinter dem populären Chatbot ChatGPT gibt es einen überraschenden Chefwechsel. Der Verwaltungsrat von OpenAI entzog Mitgründer und Firmenlenker Sam Altman das Vertrauen. Altman sei nicht aufrichtig in seiner Kommunikation mit dem Gremium gewesen, hieß es in einer Mitteilung am Freitag.
Altman war das öffentliche Gesicht von OpenAI und stand erst vor wenigen Tagen im Rampenlicht bei der ersten Entwicklerkonferenz des Unternehmens. Technologiechefin Mira Murati werde vorläufig den Chefposten übernehmen, während die dauerhafte Nachfolge geregelt werden solle.
Der Chatbot ChatGPT kann Sätze auf dem sprachlichen Niveau eines Menschen formulieren. Seine Veröffentlichung vor rund einem Jahr löste einen Hype um Künstliche Intelligenz aus. OpenAI wurde damit zu einem Vorreiter bei der Technologie. Microsoft ging einen milliardenschweren Pakt mit der Firma ein, um deren Technologie in Produkte des Konzerns zu bringen.
Der Computer-Riese IBM stoppt alle Werbung bei Elon Musks Online-Plattform X, nachdem seine Anzeigen neben Nazi-Beiträgen entdeckt wurden. IBM dulde keine Hassrede und untersuche die "absolut inakzeptable Situation", teilte ein Sprecher gestern mit. Der Computer-Konzern wollte im Schlussquartal rund eine Million Dollar bei X ausgeben, wie die "New York Times" unter Berufung auf interne Nachrichten der Plattform berichtete.