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Unter Beobachtung des IWF Das wachsende Geschäft mit den Privatkrediten

Stand: 20.05.2024 15:46 Uhr

Wenn die Bank kein Geld gibt, wenden sich Unternehmen gerne an private Kreditgeber. Der Markt wächst - und das erfüllt Beobachter zunehmend mit Sorge. Entsteht eine Blase?

Eine Analyse von Ingo Nathusius, HR

In der Welt des großen Geldes wird über Chancen und Risiken von Privatkrediten diskutiert. Es geht um Millionen, die Unternehmen von privaten Finanziers ohne amtliche Zulassung und Aufsicht borgen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) beobachten die wachsenden Privatkredite genau. Im neuesten weltweiten Finanzstabilitätsbericht widmet der IWF Privatkrediten ein ganzes Kapitel - von dreien insgesamt.

Für Deutschland sind Bundesbank und Bundesanstalt für Finanzaufsicht (BaFin) noch entspannt. Doch die Aufseher sind durch die Finanzkrise von 2008 gewarnt. Damals waren undurchsichtige und schnell wachsende Finanzinstrumente wertlos geworden und hatten die Weltwirtschaft schwer erschüttert. In Deutschland schrumpfte deshalb vor 15 Jahren die Wirtschaftsleistung um 5,7 Prozent.

Der Markt der Privatkredite

Privatkredite werden von Spezialfonds an mittelgroße Unternehmen vergeben. Diese Schuldner sind für Kleinbanken zu groß und für Großbanken zu klein. Das Geld stammt von Versicherungen, Pensionsfonds und Vermögensverwaltern. Solche Finanzierungen gibt es seit Jahrzehnten. Seit fünf Jahren wächst der Markt rasant, nach Angaben der EZB in Europa um achtzig Prozent.

"Privatkredite haben ihren Schwerpunkt in Nordamerika, aber andere Regionen einschließlich Europa und Asien erleben eine ähnliche Wachstumsdynamik" schreibt der IWF. Er schätzt das Volumen weltweit auf umgerechnet 1,6 Billion Euro, wovon gut ein Viertel, 430 Milliarden Euro, auf Europa entfallen. Die Bundesbank gibt den deutschen Anteil mit 22 Milliarden Euro an.

Langfristige Geschäfte mit geringeren Ausfallrisiken

Für manche Unternehmen sind Privatkredite das Mittel der Wahl. Wenn sie ohnehin hoch verschuldet sind, tun sich normale Banken mit ihnen schwer. Fonds für Privatkredite haben geringere Standards, verlangen dafür aber höhere Zinsen. Die Zinsen werden oft auch noch variabel vereinbart.

Privatfinanziers sind aber keinesfalls die Kredithaie des Großkapitals. Sie kümmern sich um ihre Kreditnehmer oftmals besser als Banken. Sie streben langfristiges Geschäft an und haben reichlich Geld auf der Hinterhand. Daher halten sie Krisen ihrer Kreditnehmer gut aus und schießen im Notfall auch mal Geld nach. So kamen Unternehmen mit Privatkrediten gut durch die Pandemie. Trotz der harten Konditionen stellt der IWF fest, dass Privatkredite stabiler laufen als Bankfinanzierungen. Die Ausfälle seien geringer.

Interessenskonflikte und gebündelte Kreditsummen

Für Kreditnehmer gibt es außer dem selbstgewählten Schicksal, sich hoch zu verschulden, weitere Nachteile. Der Großteil der Privatkredite wird von Investoren organisiert, deren eigentliches Geschäft nicht Finanzierung von Unternehmen, sondern Beteiligung an Unternehmen ist ("Private Equity"). Wenn ein Investor - also ein Miteigentümer - auch noch Gläubiger wird, drohen Interessengegensätze. Der Investor kann unter Umständen Kreditbedingungen diktieren.

Das Risiko von intransparenten Interessengegensätzen sieht der IWF offenbar als großes Problem. Im Welt-Finanzstabilitätsbericht führt er diese Gegensätze dreimal an. Der Währungsfonds beobachtet auch mit Sorge, dass nicht mehr nur Profis Privatkredite finanzieren. Die Fonds wenden sich auch zunehmend an kleinere Privatinvestoren und sammeln dort Geld ein, um es gebündelt als Millionenkredite vergeben zu können.

IWF warnt vor systemische Risiken

Staatliche und internationale Finanzaufseher sorgen sich weniger um einzelne Unternehmen, deren Eigentümer sich in merkwürdige Risiken verstricken; sie haben vielmehr ganze Volkswirtschaften im Blick. Da das Geschäft der Spezialfonds für Privatkredite nicht staatlich geregelt ist, gibt es wenig Informationen und Daten: Die Aufseher haben keinen Durchblick. Der IWF sorgt sich vor weiterem Wachstum des Geschäfts. Ein Risiko bestehe dann, wenn sich bei akutem Geldmangel viele Kreditgeber gleichzeitig zurückzögen: "Das könnte auf andere Märkte und die gesamte Wirtschaft wirken."

Bei der EZB ist das Thema angekommen. Vor einem Vierteljahr sprach EZB- Bankenaufsichtschefin Elizabeth McCaul vor internationalen Fachleuten über die Risiken von Privatkrediten fürs Finanzsystem. Man habe die Lage genau im Blick. Für Deutschland spricht die Bundesbank auf Nachfrage von "untergeordneter Bedeutung". Die BaFin schreibt, Privatkredite und ihre Risiken schienen "derzeit weniger relevant". Beide Behörden versichern, den Markt genau zu beobachten.