Engel & Völkers Filiale

Ermittlungen gegen Immobilienmakler Was steckt hinter den Durchsuchungen bei Engel & Völkers?

Stand: 21.12.2024 03:47 Uhr

Deutschlands größter Immobilienmakler Engel & Völkers steht im Verdacht der Scheinselbstständigkeit von freiberuflichen Maklern. Was über die Ermittlungen bislang bekannt ist.

Der mit großem Abstand größte deutsche Immobilienmakler Engel & Völkers hat Probleme mit Sozialversicherungen und Strafverfolgungsbehörden. Der Vorwurf lautet: Scheinselbständigkeit. Vermutet wird, dass Makler, die als Freiberufler geführt werden, in Wirklichkeit abhängig Beschäftigte seien. Das Problem: Im Unterschied zu Freiberuflern müssen für Angestellte Beiträge an die Arbeitslosen-, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt werden.

Vergangene Woche deshalb durchsuchten im ganzen Land 300 Ermittlungsbeamte 18 Büros der Engel & Völkers-Gruppe. Unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft Bielefeld führt der Zoll die Ermittlungen. Diese Polizeibehörde des Bundes ist zuständig für Betrug und Untreue gegen Sozialversicherungen.

Auch Beamte der Steuerfahndung sind an dem Fall beteiligt. Ihr Einsatz deutet darauf hin, dass es auch um nicht gezahlte Lohnsteuer geht. Denn Lohnsteuer wird für Angestellte fällig, nicht aber für freie Mitarbeiter. Mehr ist allerdings nicht bekannt. Entgegen der gesetzlichen Behördenpflicht zur Auskunft an die Presse haben Zoll und Staatsanwaltschaft nur ein Kommuniqué herausgegeben und verweigern ohne Begründung weitere Informationen.

Makler kassieren Provision

"Grundsätzlich ist die Tätigkeit von selbstständigen Immobilienmaklern bei Engel & Völkers und den Lizenznehmern in der Vergangenheit mehrfach juristisch geprüft und bisher nach unserer Kenntnis nicht beanstandet worden", sagt Engel & Völkers- Sprecherin Kirsten Best-Werbunat dem Hessischen Rundfunk.

Bei Geschäften, in denen persönliche Beziehungen und Vertrauen eine große Rolle spielen, werden oft freie Mitarbeiter eingesetzt. Das gilt allemal, wenn die Arbeitsleistung vom Unternehmer schwer zu kontrollieren ist, weil sie sehr individuell ist oder vielfach außerhalb der Geschäftsräume stattfindet. Insofern ist es nicht unüblich, dass Maklerunternehmen Freiberufler beschäftigen, die im Erfolgsfall einen großen Anteil an der Verkaufsprovision kassieren.

Der Dreh- und Angelpunkt ist, ob diese freien Mitarbeiter tatsächlich kommen, gehen, und arbeiten können, wie es ihnen passt - oder ob sie in den Betrieb des Maklerunternehmens eingebunden sind. "Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen sollen Immobilienmakler sich als selbstständige Personen angemeldet haben, obwohl diese in den Arbeitsprozess der von den Beschuldigten geführten Unternehmen integriert gewesen sein sollen und von den Beschuldigten Weisungen erhalten haben sollen", heißt es im Kommuniqué von Zoll und Staatsanwaltschaft.

Engel & Völkers- Sprecherin Best-Werbunat sagt dazu nur: "Wir prüfen mit externem Rechtsrat nochmal genau, ob an irgendeiner Stelle organisatorische Anpassungen notwendig sind."

Ermittlungen begannen in Bielefeld

Die Ermittlungen gingen von der Engel & Völkers-Geschäftsstelle Bielefeld aus, die sieben Angestellte beschäftigt. Der Anwalt der Bielefelder Geschäftsführung, Carsten Thiel von Herff, sagt dem Hessischen Rundfunk, es gehe um vorgeworfene Scheinselbständigkeit "in nur sehr wenigen Fällen und für einen kurzen Zeitraum".  

Während Zoll und Staatsanwaltschaften ausdrücklich von mehreren Unternehmen sprechen und landesweit durchsucht haben, ist die Hamburger Engel & Völkers- Zentrale offensichtlich bemüht, den Fall als klein darzustellen: Es gehe nur um einen Lizenznehmer. Auf Nachfrage sagt Sprecherin Best-Werbunat: "Eine derart umfängliche Untersuchung ist bei Verdachtsmomenten dieser Art nicht unüblich".

Im Schnitt 100.000 Euro Provision pro Makler

Zwar trifft der Vorwurf der Scheinselbständigkeit die Gruppe nicht ins geschäftliche Mark. Er wirkt aber in der von persönlichem Vertrauen und zahlreichen Konkurrenten geprägten Branche wenig werbend.

Engel & Völkers vermittelt teure und mitunter luxuriöse Immobilien. Der letzte veröffentlichte Konzernabschluss bildet das Jahr 2021 ab, das unter der Pandemie- Flaute litt. Es werden 1,3 Milliarden Euro Verkaufsprovisionen genannt, die von mehr als 12.000 Maklern verdient wurden. Das bedeutet, dass im Durchschnitt pro Makler etwa 100.000 Euro Provision eingenommen wurden.

In mehreren Ländern tätig

Engel & Völkers macht sein Geschäft sowohl über eigene Maklerbüros wie über Lizenznehmer wie in Bielefeld, in einem sogenannten "Franchise"-Modell. Die größten Engel & Völkers- Märkte sind die deutschsprachigen Länder, gefolgt von Spanien, Italien und Nordamerika. In Griechenland wird das Geschäft aufgebaut. Engel & Völkers ist eine deutsche Marke, die in beliebten Urlaubsregionen vornehmlich Ferienimmobilien an Deutsche verkauft.

Das Unternehmen wurde 1977 von Dirk Engel in Hamburg gegründet. Später stieg sein Jugendfreund Christian Völkers ein. Engel starb 1986. Christian Völkers baute die Marke "Engel & Völkers" als Makler erst für wohlhabende Hanseaten auf Sylt und Mallorca, dann in ganz Deutschland und schließlich international auf. 2021 verkaufte der heute 69 Jahre alte Völkers rund 60 Prozent an den britischen Private-Equity-Fonds Permira. Der Rest gehört Christian Völkers und zu kleinen Teilen seinem älteren Bruder und einigen Topmanagern.

Mit dem Verkauf sicherten sich die Eigentümer für rund drei Viertel ihrer Anteile garantierte Dividenden von jährlich 10 Prozent aus den Vorzugsaktien. Permira vermittelte seiner neuen Tochtergesellschaft Engel & Völkers zudem einen hochverzinsten Kredit über 150 Millionen Euro.