Autohersteller mit maroden US-Müttern Warum Ford besser dasteht als Opel
Investitionen in die deutschen Standorte, Arbeitsplätze für die nächsten Jahre gesichert - das sind die Nachrichten von Ford in der Autokrise. Dabei ist der Hersteller wie Opel die Tochter einer angeschlagenen US-Mutter. Was läuft bei Ford anders? Ist Opel noch zu retten? Darüber hat tagesschau.de mit dem Autoexperten Stefan Bratzel von der Fachhochschule für Wirtschaft in Bergisch Gladbach gesprochen.
tagesschau.de: Wie kommt es, dass sich die Tochter des einen US-Herstellers, Ford, über Investitionszusagen und Arbeitsplatzgarantien freuen kann, während Opel, Tochter eines anderen US-Autobauers, ums nackte Überleben kämpft? Was hat Ford richtig gemacht?
Stefan Bratzel: Ford of Europe, die Europa-Tochter, hat es tatsächlich geschafft, nachhaltig aus den roten Zahlen zu kommen. Selbst im vergangenen Jahr, als das vierte Quartal dramatisch schlecht war, hat man noch einen Milliardengewinn für das Gesamtjahr erzielt.
Ford hat das durch strikte Kostenkontrolle und durch eine wohl überlegte Modellpolitik geschafft. Einige Werke sind sehr flexibel, so dass auf einer Linie mehrere Modelle gleichzeitig gebaut werden können. Und Ford hat die Kooperation gesucht: Etwa beim Ford Ka, der auf der gleichen Plattform läuft wie der Fiat 500. Die Mutter hat die Tochter ein klein wenig eigenständiger agieren lassen. Das war einfach in der Summe besser als das, was man bei GM gemacht hat. GM Europe steckt dagegen seit Jahren in den roten Zahlen.
In Deutschland profitiert die Branche gerade sehr stark von der Abwrackprämie. Auch da hat Ford das richtige Timing: Der neue Fiesta und der neue Ka sind frisch auf dem Markt und schlagen ein. Der direkte Wettbewerber Opel hat hier nur den Insignia völlig neu.
Nur gebremst positiv
tagesschau.de: Kommt Ford damit glimpflich durch die Autokrise?
Bratzel: Die Nachrichten sind gebremst positiv, würde ich sagen. Aus meiner Sicht ist Ford nicht aus dem gröbsten heraus. Ford hat wie Opel das gleiche Problem: Eine Mutter, die in Amerika ums Überleben kämpft. Dem Mutterkonzern Ford geht es deswegen noch ein bisschen besser, weil die gerade noch rechtzeitig vor der Finanzkrise ihre Vermögenswerte, und zwar so ziemlich alles inklusive Name, Werke und Gebäude, verpfändet haben gegen Kreditzusagen. Deswegen verfügt Ford noch über ein deutlich höheres Liquiditätspolster. Das ist ein großer Vorteil gegenüber GM.
Stefan Bratzel (Jahrgang 1967) ist Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach und Leiter des dortigen Center of Automotive.
Außerdem hat Ford früher als GM Kapazitäten reduziert und kein Problem mit der Markenvielfalt. Aber ansonsten steht der Hersteller mit Milliardenverlusten nicht viel besser da als GM. Beide haben auf dem US-Markt das Problem der Produktpalette: Auch Ford hat auf die großen, spritschluckenden SUVs, Vans und Pick-ups gesetzt. Der F150, ein großer Pick-up, war über Jahre das meistverkaufte Fahrzeug in den USA. Und die Liquidität könnte bald aufgezehrt sein – das geht in diesen Zeiten relativ schnell.
Politisches Signal
tagesschau.de: Ford steht nicht vor dem Kollaps, sitzt aber auf einem Schuldenberg und schreibt Rekordverluste. Warum hat die US-Zentrale entschieden, in Deutschland zu investieren?
Bratzel: So weltbewegend ist diese Investition ja eigentlich nicht. Das hätte in normalen Zeiten keinen interessiert. Es ist ein Signal in einer tristen Zeit – auch an die Käufer: Wenn ihr euch einen Ford kauft, unterstützt ihr keinen siechen Konzern. Da könnt ihr die Sicherheit haben, bei uns läuft es noch.
Ich sehe darin aber auch ein politisches Signal. Ford will deutlich machen: Wir sind direkter Wettbewerber von Opel, wir sind in den schwarzen Zahlen und investieren. So warnt man auch vor Wettbewerbsverzerrung. Das sagt niemand offen, nur hinter vorgehaltener Hand.
Opel-Rettung nicht ohne massiven Jobabbau
tagesschau.de: Wie könnte ein Zukunftsmodell für Opel aussehen?
Bratzel: Allein wird Opel nicht überleben, weil der Hersteller schlicht zu klein ist. Das heißt, man braucht für eine langfristige Lösung einen industriellen Investor. Das muss ein anderer Automobilhersteller sein, der tatsächlich an einem westeuropäischen Hersteller Interesse hat, der trotz der Überkapazitäten auf dem europäischen Markt an die Technologie und auch an die Marktanteile kommen will. Dafür käme insbesondere ein chinesischer Hersteller in Frage. Der chinesische Staat hat sich zum Ziel gesetzt, in den nächsten zehn Jahren zwei bis drei große, globale Autohersteller zu bilden. Und dafür könnte ein Unternehmen wie Opel eine Grundlage in Westeuropa sein. Allerdings - und das ist das große Problem - in dieser kritischen wirtschaftlichen Lage haben auch diese Unternehmen kein Geld übrig. Sie müssen schauen, dass sie selber überleben.
tagesschau.de: Also gibt es keine Rettung?
Private-Equity-Gesellschaften sammeln finanzielle Mittel bei institutionellen Anlegern wie etwa Banken oder Versicherungen, in einigen Fällen auch direkt bei vermögenden Privatpersonen ein und beteiligen sich an Unternehmen. Besonders in Deutschland ist Private Equity als Form der Beteiligungsfinanzierung in die öffentliche Kritik geraten, Private-Equity-Firmen werden als "Heuschrecken" bezeichnet.
Bratzel: Man bräuchte einen Finanzinvestor, der die Übergangszeit der nächsten Jahre mit überbrückt und auch Risiken übernimmt. Früher wären das die klassischen Private-Equity-Firmen gewesen - das war deren Geschäftsmodell, das allerdings in der Finanzkrise weitgehend zusammengebrochen ist. Zusätzlich könnte vielleicht eine Bürgschaft der Bundesregierung das Unternehmen stützen. Allerdings ausdrücklich nur mit einem tragfähigen Konzept: Ohne drastischen Arbeitsplatzabbau ist es illusorisch, überhaupt an ein Weiterleben zu denken. Und das ist in der Tat eine gewisse Paradoxie: Ich schieße Staatsgeld zu, damit Leute entlassen werden.
Das Interview führte Claudia Witte, tagesschau.de.