Warnung der griechischen Zentralbank Raus aus dem Euro, raus aus der EU?
Die Athener Zentralbank hat eindringlich vor einem "Grexit" gewarnt. Ein Euro-Austritt könnte auch zu einem Verlassen der EU führen. Vertreter der EU dämpften unterdessen die Erwartungen an das Treffen der Euro-Finanzminister am Donnerstag.
Die griechische Zentralbank hat mit deutlichen Worten vor einem Scheitern der Verhandlungen der Regierung mit den Geldgebern gewarnt. Das wäre der Beginn eines schmerzvollen Weges, der das klamme Land in die Pleite und aus der Euro-Zone führe - wahrscheinlich sogar auch aus der EU, erklärte die Notenbank. Eine Einigung mit den Euro-Partnern und dem Internationalen Währungsfonds sei daher eine historische Notwendigkeit.
Spareinlagen weg, Steuereinnahmen brechen ein
Für die Zentralbank ist eine Einigung auch nicht mehr weit entfernt. Ein Kompromiss sei in wichtigen Fragen gefunden. Nur noch wenige Probleme müssten ausgeräumt werden. Zugleich warnten die Athener Währungshüter, dass sich der wirtschaftliche Abschwung des Landes im zweiten Quartal beschleunigen werde. Von Oktober bis April seien etwa 30 Milliarden Euro an Einlagen von den Banken abgezogen worden.
Rechtlich geregelt ist lediglich der Austritt aus der EU insgesamt: "Jeder Mitgliedsstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten", heißt es in Artikel 50, Absatz 1 des EU-Vertrags. Theoretisch könnte möglicherweise ein Land, das aus der EU ausscheidet, dann auch die Wirtschafts- und Währungsunion verlassen. Allerdings besteht auch in diesem Punkt kein rechtlich abgesicherter Automatismus. Denn auch Kleinstaaten wie der Vatikan, Andorra und San Marino haben aufgrund bilateraler Verträge den Euro als offizielle Landeswährung, ohne Mitglied der EU zu sein.
Auch die Steuereinnahmen sollen übereinstimmenden Berichten zufolge in den ersten fünf Monaten des Jahres etwa 1,7 Milliarden Euro unter den Erwartungen zurückliegen. Als Grund nannte das Staatsradio, dass sich praktisch die gesamte Wirtschaft nicht mehr bewege. So ließen Bürger Fristen für die Steuerzahlungen verstreichen, weil sie auf spätere Ratenzahlungen setzten. Auch die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer seien gesunken, weil viele Griechen ihre Ausgaben so weit wie möglich einschränkten.
Ball ist im Feld der Griechen
Derweil schraubten hohe EU-Vertreter die Erwartungen an ein Treffen der Euro-Finanzminister am Donnerstag herunter, da neue Spar- und Reformvorschläge aus Athen fehlten. "Der Ball ist im Feld der griechischen Regierung", sagte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici. Das Treffen der Eurogruppe werde "vielleicht nicht abschließend, aber nützlich sein."
Der für den Euro zuständige Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis ergänzte, die Ressort-Chefs würden eine Bestandsaufnahme machen und Vorgaben für die weitere Arbeit. Die Geldgeber hätten bereits zahlreiche Zugeständnisse gemacht. Falls Athen andere Sparmaßnahmen wolle, könne man darüber sprechen. Geldgeber und Athener Regierung liegen bei den Einsparungen etwa zwei Milliarden Euro auseinander. Dombrosvskis schlug vor, die griechischen Verteidigungsausgaben zu kürzen, die - gemessen an der Wirtschaftsleistung - die zweithöchsten in der EU seien. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte von Griechen ein Entgegenkommen.
Faymann als Vermittler in Athen
Ungeachtet der gegenseitigen Vorwürfe gingen die Vermittlungsgespräche weiter. So warb der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann in Athen für einen neuen Einigungsversuch. Faymann sagte nach einem Treffen mit Ministerpräsident Alexis Tsipras, dass dazu aber alle Seiten guten Willen zeigen müssten. Er könne sich für Europa keine glückliche und friedvolle Zukunft vorstellen ohne Griechenland. Was das Land brauche, seien aber keine weiteren Kürzungen, sondern mehr Investitionen.
Mit Blick auf die Steuern sagte er, reiche Griechen müssten ihre Abgaben zahlen und dürften ihr Geld nicht ins Ausland schaffen.
Tspiras sagte auf der gemeinsamen Pressekonferenz, er wolle eine "ehrenvolle" Lösung und sei bereit, die politischen Kosten dafür zu akzeptieren. Sollte aber keine solche Lösung möglich sein, werde er sich den "katastrophalen" Forderungen der Gläubiger widersetzen. Tsipras bekräftigte erneut, weitere Rentenkürzungen abzulehnen. Auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Medikamente und Strom werde es nicht geben.
Auch USA üben Druck auf Athen aus
Nicht nur die Europäer, sondern auch die USA übten Druck auf die Regierung in Athen aus. In einem Telefonat mit Premier Alexis Tsipras habe US-Finanzminister Jack Lew deutlich gemacht, dass "ein pragmatischer Kompromiss dringend nötig" sei, teilte das Ministerium mit. Lew zufolge hätte ein Scheitern der Verhandlungen nicht nur schwerwiegende Folgen für die Griechen selbst, sondern auch für die Weltwirtschaft.
Die griechische Regierung erklärte, Tsipras habe Lew über den Stand der Verhandlungen informiert und ihm zugesagt, eine Lösung anzustreben. Details, wie die Lösung aus Athener Sicht aussehen könnte, nannte der Regierungsvertreter nicht.
"Grexident" (alternativ auch "Graccident"): Dieser Neologismus steht für einen von der EU unbeabsichtigten, unfallartigen Euro-Austritt der Griechen. Das Kunstwort besteht aus "Greece" und dem englischen Wort für "Unfall" (Accident) - wobei das Wort im Englischen auch für "Zufall" stehen kann. Gemeint ist aus der Brüsseler Perspektive ein eher versehentliches Schlittern in den Euro-Ausstieg, da niemand weiß, wie die Regierung in Athen entscheidet.
Rettungspaket läuft aus
Das EZB-Präsidium beriet unterdessen in Frankfurt, wie es mit den Notkrediten für die griechischen Banken weitergeht. Am 30. Juni läuft das zweite Griechenland-Rettungspaket aus, aus dem sich Athen noch Zahlungen von 7,2 Milliarden Euro erhofft. Mit dem Geld könnte der drohende Staatsbankrott vorerst abgewendet werden. Ebenfalls Ende des Monats werden Zahlungen an den Internationalen Währungsfonds in Höhe von 1,6 Milliarden Euro fällig. Ob die Griechen so viel Geld überhaupt noch haben, gilt als fraglich.
Demo in Athen
Derweil demonstrierten etwa 7000 Menschen in Athen gegen weitere Sparmaßnahmen. Sie versammelten sich vor dem Parlament im Zentrum der griechischen Hauptstadt. Auch Vertreter der linken Regierungspartei Syriza nahmen teil.