Griechisches Parlament stimmt über umstrittenes Gesetz ab Neues Sparpaket, neue Proteste, neue Streiks
Die Wut der Griechen über die Sparpolitik der Regierung wächst. Weitere Lohnkürzungen und Steuererhöhungen sieht ein neues Gesetz vor, das heute endgültig gebilligt werden soll. Einen Tag nach den gewaltsamen Protesten wollen die Menschen wieder auf die Straße gehen. Auch die Streiks gehen weiter.
Von Oliver Neuroth, ARD-Hörfunkstudio Istanbul, zzt. Athen
Das umstrittene Sparpaket hat eine weitere Hürde genommen: Gestern Abend stimmte die Mehrheit des griechischen Parlaments für das Gesetz. "295 Abgeordnete haben abgestimmt: Es gibt 154 Ja- und 141 Nein-Stimmen. Damit hat das Gesetz des Finanzministeriums eine Mehrheit - es ist beschlossen", verkündete der Vize-Präsident des griechischen Parlaments Grigoris Niotis. Es war eine erste, namentliche Abstimmung, die die Oppositionsparteien gefordert hatten - als eine Art Schikane, um die Regierung unter Druck zu setzen.
Löhne und Gehälter sinken - Steuern steigen
Heute soll das griechische Parlament dem Sparpaket endgültig zustimmen. Eine genaue Uhrzeit steht noch nicht fest. Die Sparmaßnahmen sehen unter anderem vor, dass die Löhne und Gehälter von Beamten und anderen Staatsbediensteten um weitere 20 Prozent gekürzt werden. Das neue Gesetz soll es außerdem möglich machen, Staatsbedienstete zu entlassen. Und die Regierung will neue Steuern erheben - zum Beispiel auf Immobilien.
Besonders umstritten ist Artikel 37 des Gesetzes. Er bezieht sich auf Tarifverträge von Arbeitnehmern, die Gewerkschaften ausgehandelt haben. Solche Verträge sollen künftig nicht mehr gelten - jeder Arbeitgeber soll den Lohn der Beschäftigten selbst bestimmen dürfen. Die sozialistische Regierung von Ministerpräsident Papandreou ist in diesem Punkt zerstritten. Kritiker sagen: Ein praktisches Ausschalten der Gewerkschaften verstoße gegen des Kern des sozialistischen Denkens.
"Das ist keine sozialistische Partei mehr"
Massive Streiks und Demonstrationen gibt es auch heute wieder in Griechenland. Zum ersten Mal beteiligen sich Einzelhändler und Restaurantbesitzer an der Protestwelle, wie der 51-jährige Jorgos Kawathas: "Wir versammeln uns, um gegen die Politik der Regierung zu protestieren. Wegen der Entscheidungen der Politiker müssen wir unsere Läden dicht machen. Dass die Einkommen sinken, betrifft den Markt - denn wenn die Menschen kein Geld mehr haben, haben wir keinen Umsatz."
"Die Politiker sollen abhauen", sagt ein anderer Restaurantbesitzer. "Ich glaube, dass wir gerade die größten Demos überhaupt erleben. Die Regierung muss zurücktreten. Ich selber habe die gewählt, aber das ist keine sozialistische Partei mehr - das ist schlimmer als die Militärdiktatur. Von dem, was mir mein Vater darüber erzählt hat, war die Situation damals nicht so schlimm. So was passiert zum ersten Mal in Griechenland!"
Neue Proteste, weitere Streiks
Eine zentrale Protestkundgebung ist heute um 11 Uhr vor dem Parlamentsgebäude geplant. Die Polizei schließt es nicht aus, dass es wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Randalierern und den Sicherheitskräften kommt. Gestern waren bei Krawallen mindestens sieben Menschen verletzt worden.
Die Streiks betreffen auch heute wieder den Berufsverkehr in Griechenland. Bis 9 Uhr sollen keine Busse und Bahnen fahren - den ganzen Tag über keine Taxis. Viele Schulen bleiben geschlossen, Ärzte behandeln in Krankenhäusern nur Notfälle. Die Fluglotsen wollen heute nicht streiken. Gestern hatte ihr zwölfstündiger Arbeitskampf für Probleme im Flugverkehr gesorgt: Bis zum Mittag konnten auf griechischen Flughäfen keine Maschinen starten und landen.