Reaktionen auf die Gasumlage Das Fass "darf nicht überlaufen"
Eine Umlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde Gas - für viele Menschen belastend, aber nötig und so gerecht wie möglich, verteidigt Minister Habeck das Instrument. Sozialverbände, Opposition und Gewerkschaften fordern mehr Hilfen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat die Gasumlage als die gerechteste unter den möglichen Optionen verteidigt. Es sei aber klar, dass die dadurch entstehenden Mehrkosten für manche Menschen das Fass finanziell zum Überlaufen bringen könnten - "und es darf nicht überlaufen", sagte Habeck in Berlin. Diese Menschen gezielt zu entlasten sei nun "die Aufgabe der Stunde".
Details zu möglichen Entlastungen nannte Habeck nicht. Er verwies auf Ankündigungen, die Kanzler Olaf Scholz bereits gemacht hatte. Demnach seien neben weiteren Steuererleichterungen auch Änderungen beim Wohngeld, Leistungen für Studierende und Rentner sowie Menschen mit geringem Einkommen geplant.
Sollten die bisher geplanten rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde Gas noch besteuert werden müssen, werde die Bundesregierung dafür einen Ausgleichsmechanismus schaffen, sagte Habeck. Details könne er dazu aber noch nicht nennen, da dies in die Zuständigkeit des Finanzministeriums falle. Derzeit bemüht sich die Bundesregierung bei der EU um eine Ausnahmeregelung, um auf die Gasumlage nicht zusätzlich noch die Mehrwertsteuer aufschlagen zu müssen.
Habeck: Umlage war einzige umsetzbare Instrument
Habeck verteidigte die Berechnung der Umlage durch die Trading Hub Europe GmbH, ein Gemeinschaftsunternehmen der Gasnetzbetreiber. Die Berechnungen der "Hüterin der Infrastruktur" seien "streng geprüft" worden, durch Wirtschaftsprüfer und die Bundesnetzagentur. Alle drei Monate werde sie zukünftig der Marktentwicklung angepasst - das heißt, sie könnte steigen, aber auch sinken.
Auch das Instrument der Umlage als solches verteidigte Habeck. Eine steuerfinanzierte Rettung der Gasversorger, so ließ Habeck durchblicken, wäre in der Regierungskoalition nicht umsetzbar gewesen. Auf die Frage eines Journalisten, ob damit die FDP gemeint sei, die Steuererhöhungen kategorisch ausschließe, ging Habeck nicht konkret ein.
Die Frage sei also nur gewesen, ob es eine Umlage für alle Gaskunden oder nur für jene geben solle, deren Versorger Verträge für russisches Gas abgeschlossen hätten. Letzteres hätte zu "sozialen Unwuchten" geführt - daher habe man sich in der Regierung entschieden, die Umlage breiter aufzustellen. Die gefundene Lösung sei die gerechteste der möglichen Optionen.
Klingbeil: Scholz muss zügig entscheiden
SPD-Chef Lars Klingbeil drängte seinen Parteikollegen Scholz, nun rasch über Entlastungen zu entscheiden. Dessen Ankündigungen müssten "jetzt zügig mit Leben gefüllt werden", sagte Klingbeil dem TV-Sender "Welt". Finanziert werden solle dies über eine Übergewinnsteuer: "Die Übergewinnsteuer ist ein Modell, das ich präferiere." Auch die Grünen sind für eine Übergewinnsteuer offen - die FDP lehnt sie allerdings ab.
Gewerkschaften und Sozialverbände fordern mehr Hilfen
Die Gewerkschaft ver.di befürchtet existenzielle Schwierigkeiten für viele Haushalte ab dem Herbst. Ver.di-Chef Frank Werneke forderte, den Gaspreis für normale Verbrauchsmengen zu deckeln. Die Kosten hierfür sollten für die Verbraucher auf dem Niveau von 2021 eingefroren werden und die Mehrkosten der Versorger vom Staat übernommen werden. Nicht helfen würde den Menschen aus Wernekes Sicht ein "Herumschrauben am Einkommenssteuertarif".
Ulrich Schneider, Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, sagte: "Es braucht hier kein Entlastungspäckchen für alle, sondern ein großes Paket für die Armen." Konkret fordert der Verband, die Regelsätze von Sozialleistungen zu erhöhen und das Wohngeld auszuweiten. Dies müsse sofort geschehen, nicht erst zum kommenden Jahr.
Für die Linkspartei ist die Gasumlage der "völlig falsche Weg", da sie einseitig die Verbraucher belaste. Parteichef Martin Schirdewan verteidigte in den tagesthemen den Aufruf seiner Partei zu Protesten gegen die Gasumlage.
Bedenken, diese Demonstrationen könnten in der jetzigen Situation die Gesellschaft spalten, wies er zurück. "Diejenigen, die die Gesellschaft spalten, sind die in der Bundesregierung vertretenen Parteien, indem sie eine unsoziale Politik umsetzen, die vor allem zu Lasten der Bevölkerungsmehrheit geht. Dass sich da Unmut regt in der Bevölkerung, ist doch ganz natürlich. Wir als Linke streben an, einen heißen Herbst gegen die soziale Kälte der Bundesregierung zu organisieren."
Schirdewan forderte erneut eine Übergewinnsteuer für Krisengewinner und Kriegsprofiteure, die ihren "gerechten Anteil der Krisenlast zu tragen" hätten.
Auch Firmen sorgen sich um Mehrbelastung
Auch die Wirtschaft beklagt die finanziellen Belastungen: Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft wird die Gasumlage mit rund 5,7 Milliarden Euro bei den Industriebetrieben zu Buche schlagen. Besonders betroffen seien Chemie- und Metallindustrie, da sie viel Energie verbrauchen.
CDU-Chef Friedrich Merz bemängelte den Umgang der Bundesregierung mit der Umlage. Millionen Gaskunden müssten per Brief über die Umlage informiert werden, deren Höhe wegen der ungeklärten Frage der Besteuerung aber noch gar nicht feststehe.
(Anm. d. Red.: In einer früheren Version dieses Artikels hatte SPD-Chef Klingbeil eine falsche Amtsbezeichnung. Wir haben dies korrigiert)