Krise am Immobilienmarkt Eine Strafsteuer gegen Leerstand von Wohnungen?
Der Einbruch beim Neubau verschärft die Wohnungsnot. Auch Kommunen fällt es immer schwerer, Wohnraum zu schaffen. Eine Stadt in Rheinland-Pfalz will jetzt den Druck auf Eigentümer erhöhen, um Leerstand zu verhindern.
Lea Heidbreder geht durch die Innenstadt von Landau. Die Ortschaft hat knapp 47.000 Einwohner und liegt im Süden von Rheinland-Pfalz. Sie bleibt vor Häusern mit heruntergelassenen Rollläden stehen. "Auch hier in Landau haben wir einen angespannten Wohnungsmarkt", sagt die Grünen-Politikerin. "Selbst im Zentrum stehen Objekte leer - einige seit Jahren. Deshalb bin ich für eine Leerstandssteuer bei dauerhaftem Leerstand." Heidbreder sitzt für ihre Partei im Landtag von Rheinland-Pfalz. Sie ist Sprecherin für Bauen und Stadtentwicklung.
Die Zahl ungenutzter Immobilien in Landau habe sie überrascht. "Die Behörden sind zunächst von etwa 200 Objekten ausgegangen. Nach einer genauen Überprüfung waren es dann über 800." An die Daten kam die Stadt über einen sogenannten Leerstandsmelder - einem Online-Portal der Grünen in Landau. Die Einwohner der Stadt wurden aufgefordert, mutmaßlichen Leerstand im Internet zu melden.
Möglicherweise Tausende Euro Strafe
Kritik, mit dem Leerstandsmelder würden Eigentümer an den Pranger gestellt, weist Heidbreder zurück. "Wenn sich Eigentümer bei uns gemeldet haben und um Löschung ihres Eintrags baten, sind wir Grünen in Landau dem nachgekommen. Wir haben auch keine Namen oder sonstige private Daten veröffentlicht. Es ging uns lediglich darum, einen Überblick über den Leerstand in Landau zu bekommen."
Die Gründe für Leerstand seien vielfältig, so die Politikerin. Nach einem Todesfall bräuchten Angehörige zunächst Zeit, um Erbfragen zu regeln. Teils seien Eigentümer mit der Neuvermietung überfordert. Andere hätten kein Geld für die notwendige Sanierung. "In diesen Fällen wollen wir unterstützen, um den Wohnraum schnell wieder nutzen zu können", sagt Heidbreder. Denkbar sei etwa, bei Förderanträgen zu helfen.
"Sollte sich aber herausstellen, dass Eigentümer nur auf eine höhere Rendite spekulieren, muss die Steuer her. Wir sind für eine jährliche Zahlung von zwei Prozent auf dem aktuellen Marktwert der Immobilie", sagt Heidbreder. Bei einem Immobilienwert von 500.000 Euro entspräche das einer Strafsteuer von 10.000 Euro - für jedes Jahr, in dem eine Wohnung leer steht. Eine Kontrolle könne über die Wasser- und Energiedaten der Objekte stattfinden. Seien diese niedrig, könne das auf Leerstand hindeuten.
"Das ist kein Zustand"
Lea Heidbreder ist inzwischen am Marktplatz angekommen. Dort im Rathaus hat Oberbürgermeister Dominik Geißler seinen Arbeitsplatz. Er unterstützt die Leerstandssteuer. "Landau ist eine Universitätsstadt. Wir haben viele junge Leute und junge Familien, die keinen bezahlbaren Wohnraum finden. Die Stadt wendet sehr viel Steuergeld auf, um Bauland zu erschließen und sozialen Wohnungsbau zu fördern."
Vom Balkon im ersten Stock deutet der Christdemokrat auf ein Gebäude direkt gegenüber. "Seit Monaten gibt es dort drüben einen riesigen Leerstand. Wir können die Eigentümerin seit Monaten aber nicht erreichen. Unsere Verwaltung hat eine lange Liste von Eigentümern, da steht nur drin: nicht erreichbar. Das ist kein Zustand." Rechtlich betrete die Stadt mit der geplanten Strafsteuer Neuland, so Geissler. Der Oberbürgermeister erwartet Widerstand. Am Ende werde der Plan wohl vor Gericht entschieden werden.
Bundesweit immer weniger leerstehende Wohnungen
In Berlin studiert Reiner Braun lange Zahlenkolonnen. Braun ist Vorstandsvorsitzender des empirica-Institutes, das Entwicklungen auf den Wohnungsmarkt auswertet. Nach der aktuellen Erhebung liegt die Leerstandsquote bundesweit bei 2,8 Prozent. Das sind 607.000 Wohnungen. Die Anzahl geht seit Jahren im Trend zurück. Dabei handelt es sich um sogenannten "marktaktiven Leerstand" - also Wohnungen, die bezugsfertig sind.
"Der Mangel an verfügbarem Wohnraum hat zugenommen. Regional gibt es aber große Unterschiede", so Braun. Im Osten sei der Leerstand mit 6,2 Prozent fast dreimal so hoch wie im Westen. In Städten wie München, Frankfurt am Main und Münster gebe es kaum noch freie Wohnungen. "Welchen Sinn macht in diesen Fällen eine Strafsteuer?", fragt Braun. Auch in vielen anderen Städten gebe es praktisch keinen Leerstand und auf dem Land seien viele Wohnungen frei, weil es kaum Nachfrage gebe.
Zudem sei es juristisch äußerst schwierig, Leerstand in spekulativer Absicht wirksam zu fassen, so Braun. "Der Mangel an Wohnraum resultiert nicht aus Leerstand oder Spekulation, sondern aus Knappheit."
Eigentümerverband sieht Kommunen in der Pflicht
Ablehnend fällt auch die Reaktion des Zentralverbandes Haus und Grund aus - der Interessengemeinschaft privater Immobilien- und Grundstückseigentümer. Zu spekulativem Leerstand lägen keine validen Zahlen vor. "Bei privaten Einzeleigentümern steht das Spekulationsmotiv sicher ganz hinten auf der Liste", urteilt Präsident Kai Warnecke. "Leerstand bedeutet, dass es keine Mietzahlungen gibt. Aber auf diese sind private Einzelvermieter in höchstem Maße angewiesen."
Statt neuer Steuern plädiert Warnecke vielmehr für neue Angebote von Städten und Gemeinden. "Mit der Idee einer Strafsteuer wollen die Kommunen oftmals von eigenen Versäumnissen ablenken. Sie sind es jedoch, die die Voraussetzungen schaffen müssen, dass Wohnen in ihren Städten erschwinglicher wird - beispielsweise über das Absenken der Grundsteuer."
Scharfe Kritik übt Warnecke an der Datenerhebung der Grünen in Landau. "Vollkommen abwegig sind öffentlich zugängliche Leerstandsmelder. Das sind mittelalterliche Methoden, die wir strikt ablehnen. Wir erwarten, dass sich auch die Grünen in Landau auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen."
Kommt die Strafsteuer 2026?
In Landau liegt die Leerstandsquote derzeit bei zwei Prozent - also deutlich unter dem bundesweiten Schnitt. Der Stadtrat will am 26.September über die Strafsteuer entscheiden. Mit einer zweijährigen Übergangsfrist könnte die Abgabe dann Anfang 2026 wirksam werden.
Oberbürgermeister Geißler hofft auch auf eine bundesweite Signalfunktion, da auch andere Kommunen über eine Sondersteuer auf Leerstand nachdenken würden. Klagen sieht er gelassen entgegen. "2020 hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages festgestellt, dass eine Leerstandsteuer möglich ist. Ich bin bereit, mit einer Musterklage vor Gericht durchzuziehen."