Niedrigster Wert seit März 2022 Inflationsrate sinkt im Mai auf 6,1 Prozent
Wegen sinkender Benzinpreise und dem Start des 49-Euro-Tickets hat sich die Inflation in Deutschland im Mai deutlich abgeschwächt. Die Rate fiel auf 6,1 Prozent und damit auf den niedrigsten Wert seit März 2022.
Die Verbraucherpreise in Deutschland sind im Mai so langsam gestiegen wie seit über einem Jahr nicht mehr. Waren und Dienstleistungen kosteten voraussichtlich im Schnitt 6,1 Prozent mehr als im Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt in einer ersten Schätzung mitteilte. Niedriger war die jährliche Inflationsrate zuletzt im März 2022 mit damals 5,9 Prozent.
Die Teuerungsrate bleibt damit den dritten Monat in Folge rückläufig. Im April hatte sie noch bei 7,2 Prozent gelegen. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Rückgang auf 6,5 Prozent gerechnet. Im März des laufenden Jahres hatte die Inflationsrate erstmals seit August 2022 wieder die Acht-Prozent-Marke unterschritten.
Preisauftrieb bei Energie schwächt sich deutlich ab
Seit Monaten belastet die hohe Teuerung Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie zehrt an ihrer Kaufkraft, die Menschen können sich für einen Euro weniger leisten. Trotz der kräftigsten Lohnzuwächse seit mindestens 15 Jahren betrug der reale Verdienstrückgang im ersten Quartal rund 2,3 Prozent. Zwar blieben Nahrungsmittel und Energie hierzulande auch im Mai teils deutlich teurer als ein Jahr zuvor, jedoch verlor der Preisauftrieb weiter an Tempo. Von April auf Mai fielen die Preise sogar, wenn auch nur um 0,1 Prozent.
"Das sind gute Nachrichten von der Inflationsfront", kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Erstmals sei auch die Kerninflation - also ohne die schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise - gesunken, von 5,8 Prozent auf geschätzte 5,3 Prozent. "Die verminderte Teuerung hilft, den privaten Konsum und damit den wichtigsten Eckpfeiler der sehr schwachen deutschen Konjunktur zu stabilisieren", betonte auch Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust.
Für Entspannung sorgte vor allem die Entwicklung der Energiepreise. Sie stiegen im Vergleich zum Mai 2022 nur noch um durchschnittlich 2,6 Prozent, wobei das Tanken in vielen Bundesländern sogar billiger wurde. Im April waren es noch 6,8 Prozent. Zudem dämpfte das zu Monatsbeginn eingeführte 49-Euro-Ticket für den Öffentlichen Personennahverkehr dämpfte die Inflation. So sinken die Beförderungskosten für die bereits mehr als zehn Millionen Käufer der neuen Fahrkarte.
Volkswirte gehen von keinem schnellen Ende der hohen Inflation aus
Nahrungsmittel verteuerten sich den vorläufigen Berechnungen der Statistiker zufolge binnen Jahresfrist um 14,9 Prozent. Im April hatten die Nahrungsmittelpreise noch um 17,2 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats gelegen. Dienstleistungen kosteten im Schnitt 4,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, nach 4,7 Prozent im April. Commerzbank-Ökonom Krämer zufolge dürfte die Inflation in den kommenden Monaten nun weiter zurückgehen.
"Trotzdem ist eine Entwarnung nicht angebracht", warnte er. "Die rasch steigenden Arbeitskosten sprechen gegen eine nachhaltige Beruhigung der Teuerung." Experten schließen sogar nicht aus, dass die Inflationsrate wieder steigen könnte. "In den kommenden Monaten wird es dann komplizierter", sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. "Denn dann bekommen wir Basiseffekte vom 9-Euro-Ticket und Tankrabatt, wodurch der Inflationsdruck wieder zunimmt." Beides wurde von der Bundesregierung für Juni, Juli und August 2022 eingeführt, um die Bürger zu entlasten.
Außerdem komme die stärker lohnkostengetriebene Inflation bei vielen Dienstleistungen "jetzt erst richtig in Gang", so ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann. "In den Sommermonaten werden Verbraucherinnen und Verbraucher dies bei den Preisen für Tourismus-Dienstleistungen stark spüren." Tatsächlich verteuerten sich Pauschalreisen in Bayern und Sachsen schon jetzt um jeweils 13,6 Prozent. "Es zeigt sich, dass die Deutschen nach der Pandemie trotz knapper Kassen das Leben wieder genießen und richtig Urlaub machen möchten", erklärte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding.
EZB sollte "mit weiteren Zinsschritten Geduld üben"
Die Europäische Zentralbank (EZB) versucht seit längerem, die Inflation mit höheren Zinsen zu dämpfen. Diese verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen kann, aber gleichzeitig die Konjunktur belastet. Die Notenbank strebt mittelfristig für den Euroraum stabile Preise bei einer Teuerungsrate von zwei Prozent an. Nach sieben Zinsanhebungen in Folge liegt der Leitzins im Währungsraum der 20 Länder mittlerweile bei 3,75 Prozent. Da auch in Frankreich (6,0 Prozent) und Spanien (3,2 Prozent) die Inflationsraten im Mai deutlich gesunken sind, könnte ein Ende der Zinserhöhungen nun näher rücken.
Experten rechnen jedoch noch mit zwei weiteren Schritten nach oben im Sommer. Die EZB ist laut ihrer Präsidentin Christine Lagarde bestrebt, die Zinsen auf ein ausreichend hohes Niveau zu bringen, damit das Inflationsziel von 2,0 Prozent nachhaltig erreicht werden kann. "Für die Europäische Zentralbank ist nun wichtig, mit weiteren Zinsschritten Geduld zu üben", mahnte jedoch der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien.
Die Notenbank habe die Leitzinsen in den vergangenen Jahren stärker als jemals in ihrer Geschichte erhöht. "Die Zinserhöhungen dürften in den kommenden Quartalen bereits die Konjunktur merklich dämpfen", so der Fachmann. Die aktuellen Preistrends deuteten darauf hin, dass die Inflation auch ohne weitere Zinserhöhungen zum Notenbankziel zurückkehre.