Trotz hoher Tarifabschlüsse Inflation zehrt Lohnwachstum weiter auf
Wegen der jüngsten Tariferhöhungen sind die Löhne in Deutschland stark gestiegen. Dennoch bleibt unterm Strich immer noch ein deutliches Minus. Die anhaltend starke Teuerung zehrt das Gehaltsplus weiterhin auf.
Trotz der kräftigsten Lohnzuwächse seit mindestens 15 Jahren haben die deutschen Arbeitnehmer wegen der hohen Inflation im ersten Quartal erneut Kaufkraftverluste erlitten. Von Januar bis März wuchsen die Bruttomonatsverdienste der Arbeitnehmer einschließlich Sonderzahlungen zwar mit 5,6 Prozent zum Vorjahresquartal - und damit so kräftig wie noch nie seit Beginn dieser Statistik im Jahr 2008. Allerdings stiegen die Verbraucherpreise im selben Zeitraum mit 8,3 Prozent noch stärker an, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
Daraus errechneten dessen Experten einen realen Verdienstrückgang von rund 2,3 Prozent. Damit setzt sich ein Trend aus dem Jahr 2022 fort: "Die hohe Inflation zehrt das Lohnwachstum für die Beschäftigten auch zum Jahresbeginn 2023 mehr als auf", so das Fazit der Statistiker. Weil viele Verbraucher deshalb weniger konsumierten, ist die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal in eine Rezession gerutscht.
Prämien federn Kaufkraftverlust etwas ab
Immerhin habe die Auszahlung von Inflationsausgleichs-Prämien den Kaufkraftverlust leicht abgefedert. Bis zu 3000 Euro konnten Arbeitgeber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einmalig steuer- und abgabefrei auszahlen, es handelt sich um eine freiwillige Leistung. Das sei mit ein Grund gewesen, dass die Nominallöhne im ersten Quartal überdurchschnittlich angestiegen seien und so der Reallohnverlust der Beschäftigten gegenüber den letzten drei Berichtsquartalen etwas abgeschwächt wurde.
Geringfügig Beschäftigte kamen im ersten Quartal mit 8,9 Prozent auf den stärksten Nominallohnanstieg. "Dies ist vor allem auf die seit dem 1. Oktober 2022 gültige Erhöhung der Minijob-Verdienstgrenze von 450 Euro auf 520 Euro zurückzuführen", erklärten die Statistiker. Die Nominallöhne von Beschäftigten in Vollzeit stiegen ebenfalls leicht überdurchschnittlich, und zwar um 5,9 Prozent. Für Teilzeitkräfte und Auszubildende wurde ein Lohnanstieg von 4,7 Prozent verzeichnet.
Lohneinbußen das vierte Jahr in Folge
Trotz zuletzt starker Tarif-Abschlüsse in vielen Branchen drohen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern 2023 das vierte Jahr in Folge reale Lohneinbußen. 2022 hatte es inflationsbedingt ein deutliches Minus von vier Prozent gegeben.
"Da wir noch mit sehr hoher Inflation in das Jahr gestartet sind, könnte auch 2023 im Jahresschnitt insgesamt noch ein leichtes Minus bei den Reallöhnen herauskommen", sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, der Nachrichtenagentur Reuters. "2024 wird es dann aber aller Voraussicht nach deutlich besser." Dann dürften die Löhne erneut kräftig zulegen, die Inflation zugleich wieder in Nähe des Ziels der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent sinken, so die Erwartung Dulliens, der im kommenden Jahr mit einem spürbaren Plus bei den Reallöhnen rechnet.
2024 ist Besserung in Sicht
Ähnlich schätzt es das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) ein. "Die allgemeine Teuerung wird im Laufe dieses Jahres weiter nachlassen", sagte dessen Arbeitsmarktexperte Dominik Groll. "Die Nominallöhne werden zudem weiter kräftig steigen." Ein starkes Indiz hierfür seien die jüngsten Tarifabschlüsse - etwa in der Metall- und Elektroindustrie, im öffentlichen Dienst von Bund und Gemeinden und bei der Deutschen Post. Dort wurden kräftige Tarifaufschläge sowie hohe Einmalzahlungen vereinbart.