EU-Kommission und Italien Eskalation programmiert
Die Post aus Rom ist eingetroffen: Im Haushaltsstreit mit der EU hat die italienische Regierung ihre Antwort fristgerecht in Brüssel eingereicht. Doch der Zwist dürfte weitergehen.
Kaum hatte Italien seinen Haushaltsplan für 2019 in Brüssel eingereicht, da ahnte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger bereits: "Dies scheint Krach zu bedeuten, Streit, offene Fragen."
Zum Beispiel die Frage, warum sich Italien bei einem Rekordschuldenstand von rund 131 Prozent der Wirtschaftsleistung mit 2,4 Prozent neu verschulden will. Und warum die italienische Regierung die unabhängige italienische Haushaltsaufsicht ignoriert, das sogenannte Budget-Amt des Parlaments, welches die überaus optimistischen Wachstumsprognosen der Koalitionsregierung in Rom nicht teilt.
Beide Fragen stehen in einem Brief von EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici und Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis an Italiens Finanzminister Professor Giovanni Tria. Diesen reichte die italienische Regierung fristgerecht ein.
Exorbitante Gesamtverschuldung, hohe Neuverschuldung
Fallen diese Antworten unbefriedigend aus, will das Juncker-Team bereits am Dienstag bei seiner wöchentlichen Sitzung seine offizielle Stellungnahme abgeben und Italien auffordern, innerhalb von drei Wochen den Haushalt zu überarbeiten. Im Klartext: die geplanten Ausgaben deutlich zu kürzen.
Premier Conte stellt mit Ministern die Haushaltspläne vor.
Italien verstößt mit seiner exorbitanten Gesamtverschuldung plus seiner hohen Neuverschuldung aus Kommissionssicht eindeutig gegen den EU-Stabilitätspakt. Bundeskanzlerin Angela Merkel wies bereits während des EU-Gipfels in der vergangenen Woche darauf hin, "dass die EU-Kommission jetzt die Institution ist, mit der Italien sprechen und den Dialog führen muss".
Doch an einem konstruktiven Dialog mit dem Juncker-Team sind weder Italiens Lega Chef Matteo Salvini noch Fünf-Sterne-Anführer Luigi di Maio interessiert. Die hohe Neuverschuldung von 2,4 Prozent wollen sie nicht korrigieren. Zwar ist diese für 2019 angesetzte Neuverschuldung dreimal so hoch, wie von der Vorgängerregierung zugesagt und von Brüssel genehmigt. Aber die Zusagen ihrer Vorgänger interessieren die italienische Regierung nicht.
EU rügt "besonders schweren Verstoß"
Außerdem sehen sich Salvini und Maio formal völlig im Recht: Schließlich liegt die von ihnen geplante Neuverschuldung unterhalb der laut Maastricht-Vertrag erlaubten drei Prozent-Marke. Regierungschef Guiseppe Conte sieht deshalb keinen Handlungsbedarf auf italienischer Seite: "Mir ist absolut klar, dass das nicht der Haushalt ist, den die EU-Kommission erwartet hat. Aber wir sind überzeugt von dem, was wir tun."
Damit ist eine Eskalation des Konflikts programmiert: Noch in diesem Jahr könnte die Juncker-Kommission ein Verfahren gegen Italien wegen eines exzessiven Defizits eröffnen. Bereits in dem Brief von EU-Finanzkommissar Moscovici an den parteilosen italienischen Wirtschafts- und Finanzminister Giovanni Tria wird Italiens Neuverschuldungsplan als "beispiellos in der Geschichte des Stabilitäts- und Wachstumspaktes" und als besonders schwerer Verstoß gegen die EU-Regeln kritisiert.
Lenkt Rom nicht ein, droht Italien eine Geldstrafe von bis zu 0,2 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung und damit in einer Höhe von bis zu 3,4 Milliarden Euro. "Die Maastricht -Kriterien gelten für alle", betont Österreichs Bundeskanzler Kurz, der bis Ende des Jahres den Ratsvorsitz in der EU inne hat.
Rating-Agenturen stufen Italien herunter
Kurz kündigt mit Blick auf die Italien-Turbulenzen an den Finanzmärkten schon einmal vorsorglich an, Österreich werde nicht für die Schulden Italiens bezahlen. Nur noch eine Stufe über dem Ramschstatus liegt die Bonitätsbewertung der Ratingagentur Moody's für Italien, an diesem Freitag folgt die Bewertung von Standard & Poor's.
Investoren verkaufen im großen Stil ihre italienischen Staatsanleihen. Und zahlreiche wohlhabende Italiener transferieren ihr Geld in die Schweiz. Für Italien wird es damit immer schwieriger, Geldgeber zu finden.
Und Italiens Banken sitzen auf einem Berg von Staatspapieren, deren Kurs ständig sinkt. Die drittgrößte Volkswirtschaft der EU ist wegen ihres Schuldenhaushaltes also nicht nur ein Fall für die EU-Kommission, sondern möglicherweise schon bald für den Euro-Rettungsschirm ESM.