Marathon-Sitzung zur Euro-Krise Anti-Ansteckungsprogramm soll den Euro retten
Griechenland, Irland, Portugal - und nun Italien? Das wollen die Euro-Finanzchefs nicht zulassen. Sie wollen den Euro-Rettungsfonds für neue Aufgaben zur Euro-Sicherung einsetzen. Von einem "Anti-Ansteckungsprogramm" gegen die Euro-Krise ist in Brüssel die Rede.
Die Staaten der Eurozone wollen durch eine Palette von Maßnahmen verhindern, dass sich die Schuldenkrise zu einem Flächenbrand entwickelt. Als mögliche Schritte nannte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker in Brüssel eine Stärkung des Euro-Rettungsfonds sowie Krediterleichterungen für hoch verschuldete Staaten, die bereits Hilfen erhalten.
Nach stundenlangen Beratungen erklärten die Euro-Finanzminister ihre Bereitschaft, "weitere Maßnahmen zu verabschieden, die die systemische Widerstandsfähigkeit der Eurozone gegen eine Ansteckungsgefahr stärken". Dazu gehörten eine Stärkung des bestehenden Euro-Rettungsfonds sowie Krediterleichterungen für die Länder, die internationale Kredithilfen erhalten, sagte Juncker und fügte hinzu: "Das ist ein Anti-Ansteckungsprogramm." Angesichts der Zuspitzung der Schuldenkrise ist auch ein Sondergipfel der Euro-Staaten Ende der Woche im Gespräch. "Es ist nicht ausgeschlossen, aber noch nicht entschieden", sagte der Sprecher von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy.
Sorge um Italien
Zuvor hatten sich die Befürchtungen gemehrt, dass Italien als nächstes Land seine Schulden nicht mehr alleine in den Griff bekommt. Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, ein Hilfseinsatz für das Land könnte den Europäern wesentlich größere Probleme bereiten als die bisherigen Pakete für Griechenland, Irland und Portugal.
Die neue Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, versuchte, Sorgen über Italien zu dämpfen. "Italien hat ganz klar im Moment mit Problemen zu tun, die im wesentlichen von den Märkten befeuert wurden", sagte sie in Washington. Einige der Wirtschaftsdaten des Landes seien "exzellent"; ein großer Teil der Schulden werde im Inland gehalten. Das bedeutet, dass der Einfluss internationaler Märkte begrenzt ist. Zugleich sei es aber ebenso klar, dass sich das italienische Wirtschaftswachstum verbessern müsse, betonte Lagarde. Zusammen mit den beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Schuldensituation sei dies entscheidend, die Lage wieder zu normalisieren.
Weitere Milliarden für den Hilfsfonds?
Konkret wird der Erklärung zufolge überlegt, "die Flexibilität und den Anwendungsbereich" des Euro-Rettungsfonds zu erweitern. Der Fonds kann nach einer kürzlich beschlossenen Aufstockung 440 Milliarden Euro an verschuldete Länder verleihen. Offen blieb, ob diese Summe aufgestockt werden soll.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte vor dem Treffen eine Erhöhung des Fonds strikt abgelehnt. EU-Währungskommissar Olli Rehn schloss allerdings nicht aus, dass der Fonds künftig auch Schulden von Euro-Ländern an den Finanzmärkten aufkaufen kann. Zudem können Griechenland, Irland und Portugal auf Erleichterungen bei der Rückzahlung ihrer Kredite hoffen. Die Euro-Länder wollen die Zinsen senken und die Rückzahlfristen verlängern. Auch hier müssen die Einzelheiten aber erst noch ausgearbeitet werden.
Keine Beschlüsse zu Griechenland
Konkrete Beschlüsse zu einem zweiten Rettungspaket für Griechenland wurden nicht gefasst. Die Finanzminister bekräftigten in ihrer Erklärung, dass sich private Banken an einem zweiten Rettungspaket beteiligen sollen. Das wird besonders von der Bundesregierung gefordert. Über die Ausgestaltung dieser Bankenbeteiligung besteht jedoch offenbar noch keine Einigkeit. "Es werden Gespräche darüber geführt, die wollen wir so schnell wie möglich zu einem Abschluss bringen", sagte Juncker.
Die Beteiligung der privaten Gläubiger ist technisch kompliziert und könnte dazu führen, dass Ratingagenturen einen solchen Schritt als Zahlungsausfall bewerten. Das will die Europäische Zentralbank (EZB) unbedingt verhindern, da in diesem Fall Turbulenzen an den Finanzmärkten drohen. Schäuble beharrte allerdings im Deutschlandfunk darauf, dass eine Form gefunden werden müsse, "wie die privaten Gläubiger beteiligt werden, ohne dass es zu den Zuspitzungen an den Märkten kommt". Dieser Schritt müsse in Zusammenarbeit mit der EZB und dem IWF erfolgen.
Papandreou warnt vor Panikmache
Griechenland hatte vergangenes Jahr Notkredite in Höhe von 110 Milliarden Euro gewährt bekommen. Inzwischen ist jedoch klar, dass ein weiteres Paket in etwa dieser Höhe nötig ist. Ursprünglich sollte das Paket bereits Anfang Juli stehen, nun wird mit einem Abschluss in den kommenden Wochen gerechnet. Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou warnte in einem Brief an Juncker vor Uneinigkeit im weiteren Vorgehen, die "mehr Panik als Sicherheit" schaffe.
Haushaltsdefizit in % des BIP |
Gesamtverschuldung in % des BIP |
Wachstum in % im Vergl. zum Vorjahr |
|
---|---|---|---|
Griechenland | -9,5 | 157,7 | -3,5 |
Portugal | -5,9 | 101,7 | -2,2 |
Italien | -4,0 | 120,3 | 1,0 |
Irland | -10,5 | 112,0 | 0,6 |
Deutschland | -2,0 | 82,4 | 2,6 |
Quelle: Eurostat/EU-Kommission |
Als Konsequenz aus der Schuldenkrise forderte EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi einschneidende Reformen innerhalb von Eurozone und EU. "Es muss weniger Entscheidungen zwischen nationalen Regierungen geben, die immer auf Einstimmigkeit angewiesen sind", sagte er. "Daher befürworte ich Mehrheitsentscheidungen, wie etwa beim Internationalen Währungsfonds."