Analyse der Schuldenkrise in Italien "Made in Italy" wird zum Auslaufmodell
Die Schulden Italiens haben die Euro-Partnerländer alarmiert. Ministerpräsident Berlusconi verbreitet Zuversicht und verspricht einen Sparkurs. Doch das überdeckt die Hauptprobleme des Landes: die rückständige Wirtschaft und die fehlenden Reformen.
Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom
Italiens Schuldenberg ist riesig - so riesig, dass er unter keinen Rettungsschirm passt. Mit 1,8 Billionen Euro ist Italien fast genauso hoch verschuldet wie das größere und wirtschaftsstärkere Deutschland. Verglichen mit der jährlichen Wirtschaftsleistung liegen die Staatsschulden bei 120 Prozent. Bei diesem Vergleichswert ist nur noch Griechenland schlechter.
Dennoch verbreitet Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi weiter Zuversicht. Nur seine Regierung sorge für die notwendige Stabilität des Landes. "Wir können so den Märkten die Garantie für Stabilität und Disziplin geben, die uns bereits in den letzten drei Jahren mit Erfolg ermöglicht haben, unsere Staatspapiere zu verteidigen", sagte er. "Wir werden sicherlich vermeiden, so zu enden wie andere europäischen Staaten, die sich jetzt den letzten Blutstropfen abpressen, um zu überleben."
Ziel: Haushalt ohne Neuverschuldung 2014
Gerade brachte die Regierung ein umfangreiches Sparpaket auf den Weg, das bis zum Jahr 2014 für einen ausgeglichenen Haushalt sorgen soll. Schmerzhafte Einschnitte in allen Bereichen sollen nervöse Schuldner und die europäischen Partner beruhigen. Doch der Chef der italienischen Unicredit Bank, Federico Ghizzoni, sagt im Gespräch mit dem ARD-Hörfunkstudio Rom: Sparen allein bringt nichts. "Nach dem Sparpaket muss es mit den Reformen weitergehen, die können nicht aufgeschoben werden", so Ghizzoni. "Eine Reform des Arbeitsmarktes, der öffentlichen Verwaltung, eine Rentenreform, mit der bereits begonnen wurde. Dann müssen weitere Wettbewerbshindernisse beseitigt und weiter privatisiert werden. Zuerst das Sparpaket und dann der Rest."
Denn das Hauptproblem Italiens sind gar nicht so sehr die überbordenden Staatsschulden. Italien kommt seit Jahren nicht so richtig in die Gänge. Die Wirtschaft stagniert und leidet unter mageren Zuwachsraten und schwachen Prognosen.
"Es muss Wachstum her"
"Wo kein Wachstum ist, kann auch die Verschuldung nicht verbessert werden. Es muss Wachstum her", sagte eine deutsche Analystin, die für eine italienische Privatbank arbeitet. Ihren Namen möchte sie lieber nicht veröffentlichen, denn ihre Analyse ist schonungslos und schmerzhaft: "Ganz schlimm sind in Italien die fehlenden Investitionen in Forschung und Entwicklung. Das hat man vollkommen aufgegeben", sagt sie. "Es werden keine Produkte mehr mit Mehrwert produziert. Man macht nur noch ganz banale Produkte. Früher hatte Italien noch Nischen mit Hightech-Produkten im Verteidigungssektor und Automobilsektor. Das ist alles nicht mehr vorhanden."
Das alles wurde ins Ausland verlagert. Textilproduktion findet in Italien fast nur noch in chinesischen Wanderarbeiterfirmen statt. Und auch Fiat-Chef Sergio Marchionne dürfte die Zukunft seines Konzerns in den USA sehen und nicht mehr in Italien. Wer kann, der geht. Das gilt im Großen wie im Kleinen. Bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 30 Prozent verlassen vor allem junge Leute scharenweise das Land. "Auch viele ausländische Arbeitnehmer versuchen die Koffer zu packen. Weil man im Moment hier ein fehlendes Wachstum sieht und man sieht auch in der aktuellen Politik keine Wende", sagt die deutsche Analystin.
Berlusconi begreift den Ernst der Lage nicht
Die Prognose ist düster: Wenn vor allem junge, qualifizierte Menschen das Land verlassen, welche Zukunft hat dann noch Italien? Wenn die Sparguthaben aufgebraucht sind, wovon sollen die Menschen leben? Doch die Regierung Berlusconi scheint den Ernst der Lage noch nicht begriffen zu haben. Als neulich eine junge Frau protestierte und einen Minister auf ihre prekäre Lebenssituation aufmerksam machte, verließ der nur genervt den Saal und schimpfte: "Sie stehen für das mieseste Italien."