Schweiz prescht vor Erste große Notenbank senkt die Zinsen
Die Schweizerische Nationalbank läutet überraschend die Zinswende ein. Als erste größere Notenbank senkte sie unerwartet ihren Leitzins - und schürte damit Erwartungen, dass andere Zentralbanken bald nachziehen könnten.
Die Schweizer Nationalbank (SNB) hat überraschend die geldpolitische Wende vollzogen und die Zinsen gesenkt - als erste größere Notenbank überhaupt. Der Leitzins in der Schweiz liegt nun bei 1,5 Prozent nach zuvor 1,75 Prozent. Für die SNB ist es die erste Zinssenkung seit 2015.
Inflation in der Schweiz auf dem Rückzug
Möglich machte es die rückläufige Inflation: Die Jahresteuerung in der Schweiz liegt bereits seit Mitte 2023 wieder im Zielbereich der SNB von null bis zwei Prozent. Damit ist sie eine der niedrigsten unter den großen Volkswirtschaften.
Und die SNB ist voller Zuversicht, dass dies auch so bleiben wird: Für dieses Jahr rechnet sie nur noch mit einer Inflationsrate von 1,4 Prozent. Im Dezember hatte sie noch 1,9 Prozent veranschlagt. Die Prognose für 2025 wurde von 1,6 auf 1,2 Prozent nach unten korrigiert. Die Inflation in der Schweiz scheine "unter Kontrolle" zu sein, hatten am Morgen noch die Devisen-Experten der Commerzbank bemerkt.
Franken nach Zinssenkung unter Druck
Die Reaktion der Devisenmärkte auf die überraschende Zinssenkung der Schweizerischen Nationalbank fällt ebenso prompt wie eindeutig aus: Der Franken gerät im Handel deutlich unter Druck. Die Schweizer Landeswährung fällt zum Euro auf den tiefsten Stand seit Juli. Der Dollar wertet zum Franken um rund ein Prozent auf.
SNB-Präsident Thomas Jordan erklärte, dass man mit dem Zinsentscheid auch auf die reale Aufwertung des Franken im vergangenen Jahr reagiert habe. Diese hat nach Meinung von Experten in den letzten Monaten die Schweizer Wirtschaft klar beeinträchtigt.
Die Schweiz als Vorreiter?
Auch wenn aus Schweizer Sicht somit gute Gründe für die Zinswende zu sprechen scheinen, so zeigen sich Marktbeobachter doch verblüfft vom Vorpreschen der SNB. "Wow, die SNB weiß zu überraschen", erklärte etwa VP-Bank-Chefökonom Thomas Gitzel. Ökonomen hatten das dreiköpfige SNB-Direktorium um den im Herbst scheidenden Notenbankchef Jordan bei den Zinsen nicht unter Zugzwang gesehen, zumal auch andere große Notenbanken mit der Zinswende zuletzt zögerten.
"Es sei nicht darum gegangen, als erstes zu handeln", sagte SNB-Chef Thomas Jordan. Die Zeit sei reif gewesen. Bereits im Juni 2022 sei die SNB - damals mit einer Leitzinsanhebung - überraschend vorangeprescht, erinnert Daniel Hartmann, Chefvolkswirt beim Schweizer Vermögensverwalter Bantleon. "Mithin avanciert die SNB immer stärker zum Vorreiter im globalen Zinszyklus."
EZB: Alles deutet auf Juni hin
Zuletzt waren die meisten Zentralbanken wieder vorsichtiger geworden, was das Timing erster Zinssenkungen anbelangt. So hat sich etwa die Erwartungen einer ersten Zinssenkung in den USA in den vergangenen Monaten immer weiter nach hinten geschoben. Aktuell wird an den Märkten für Juni ein erster Zinsschritt der Federal Reserve (Fed) eingepreist.
Auch mit Blick auf die Eurozone rechnen Marktbeobachter fest mit einer ersten Zinssenkung auf der Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) im Juni. Tatsächlich hatten die europäischen Währungshüter den Weg zu einem solchen Schritt auf ihrer letzten Ratssitzung Anfang März geebnet. EZB-Chefin Christine Lagarde hatte implizit die Juni-Sitzung als den Zeitpunkt genannt, zu dem ausreichend Daten vorlägen, um die Lohndynamik ausreichend sicher einschätzen zu können.
Geldpolitischer Sonderfall Japan
Neben EZB und Fed haben auch andere große Notenbanken mit der Einleitung der Zinswende zuletzt noch gezögert. So hat die britische Zentralbank ihren Leitzins heute wie erwartet abermals nicht verändert. Angesichts der rückläufigen Inflation werden im Jahresverlauf aber auch auf der Insel Zinssenkungen erwartet.
Ganz anders sieht es in Japan aus: Dort marschieren die Währungshüter nach einer jahrelangen Negativzinspolitik in die andere Richtung. Die Bank of Japan (BoJ) hatte am Dienstag erstmals seit 17 Jahren den Leitzins angehoben. Laut einem Bericht der Zeitung "Nikkei" erwägt Japans Zentralbank weitere Erhöhungen im Juli oder Oktober.
Im Gegensatz zu anderen führenden Industrienationen kämpfte Japan in den vergangenen Jahren nicht mit zu hohen Inflationsraten, sondern vielmehr mit einer hartnäckigen Deflation - eine Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und Löhnen, die die Wirtschaft ausbremste. Doch mittlerweile liegt die Teuerungsrate seit über einem Jahr über der Zielmarke der BoJ von zwei Prozent.
Mit Informationen von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion