Fans gucken Deutschland-Spanien bei der UEFAEURO2024 am Bildschirm vor einem Restaurant.
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Wirtschaftliche Bilanz Was hat die EM Kneipen, Hotels und Läden gebracht?

Stand: 13.07.2024 11:21 Uhr

Die Stimmung bei der Heim-EM in Deutschland war vielerorts besser als gedacht, Lokale und Biergärten waren voll. Doch hat das auch einen ökonomischen Effekt? Die Erfahrungen sind gemischt.

Von Alina Leimbach, ARD-Finanzredaktion

"Es war mega! Es war so ein wunderbares Fest, friedlich, freundlich. Das hat meine Erwartungen komplett übertroffen", sagt Valerie Seifert, die Wirtin des Bornheimer Dorfstadels. Seifert ist trotz fast vier Wochen Dauereinsatzes in ihrer Frankfurter Gastwirtschaft begeistert von der Heim-EM. Finanziell gelohnt habe es sich auch. "Das Geschäft war sogar noch besser als damals, als die Eintracht im Europapokal gespielt hat." Selbst an Spieltagen ohne die deutsche Nationalelf habe der Laden gebrummt.  

Allerdings hat die Gastwirtin auch investiert. Für die Europameisterschaft hat sie extra größere Fernseher angeschafft - so riesig, dass sie im Innenraum gerade noch Platz finden. Ebenfalls gekauft hat sie neue, leistungsfähigere Boxen, so dass sich der EM-Nervenkitzel auch bis zu den Gästen auf die hinteren Sitzbänke im Außenbereich übertragen konnte.  

"Von Heim-EM hätte ich mehr erwartet"

Nur wenige hundert Meter weiter auf der belebten Berger Straße in Frankfurt sind die Erfahrungen etwas gemischter. In der Traditionskneipe "Gambrinus am Eck", wo es deftige, böhmische Küche und tschechisches Kozel-Bier gibt, zeigt sich die Chefin Helena Lauterkranz zurückhaltend.

"Ich hätte mir mehr erwartet", sagt sie tagesschau.de. "Tschechien war nicht so lange dabei. Bei den Deutschlandspielen war zwar gut was los, aber von einer Heim-EM hätte ich mir mehr erwartet." Ähnlich schildert das auch eine Kioskbetreiberin. Bei Deutschlandspielen habe sie etwas mehr Umsatz gemacht, aber besonders groß sei das nicht ins Gewicht gefallen.  

Handel spricht von "Volltreffer"

Diese Schlaglichter aus Frankfurt stehen exemplarisch für das vorläufige Fazit, das die großen Branchenverbände des Handels und des Gastgewerbes ziehen. Die einen sind sehr zufrieden - einige andere hätten sich mehr erhofft.

"Die Fußball-Europameisterschaft sorgt auf jeden Fall vielerorts für gute Stimmung und Kaufanlässe", sagt etwa Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland. "Das wird man im Bereich Lebensmittel und bei vielen Fanartikeln auch an den Umsätzen sehen." Die vielen Besucherinnen und Besucher an den unterschiedlichen Spielorten im ganzen Land hätten für wichtige Impulse gesorgt. "Für viele in der Branche ist so ein Heimturnier ein Volltreffer." 

Hotel- und Gaststättenverband enttäuscht

Anders sieht dagegen die Bilanz des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) aus. In einer Umfrage unter mehr als zweieinhalbtausend Mitgliedsunternehmen gaben nur wenige an, von der Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land profitiert zu haben - gerade einmal 8,1 Prozent. Der Großteil (88 Prozent) erklärte demnach, keine Umsatzzuwächse verzeichnet zu haben. Befragt wurden die Unternehmen von Anfang bis Mitte Juli, und zwar deutschlandweit. 

Allerdings gibt es auch hier Unterschiede: Rund ein Drittel der Kneipen, Bars und Biergärten habe Umsatzzuwächse verzeichnet, so die Umfrage. Und: In Städten, in denen EM-Spiele vor Ort stattgefunden haben, etwa Berlin und Hamburg, merkten 17,5 Prozent der Betriebe positive Effekte - und damit doppelt so viele wie im Bundesschnitt. 

Wirte merken Konsumzurückhaltung

Bei den Bierbrauern gibt es noch keine bundesweiten Zahlen zum EM-Absatz. Doch auf Anfrage zeigt sich der Deutsche Brauer-Bund eher pessimistisch. "Die Achterbahnfahrt der Temperaturen und die häufigen Unwetter haben vielen Wirten das Geschäft verhagelt; so manche Gartenparty fiel ins Wasser. Wie andere Branchen spüren auch wir die Konsumzurückhaltung", sagt Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. 

Außerdem sorgen sich viele Unternehmen wegen ihrer Aussichten. Der Hotel- und Gaststättenverband rechnet mit einer wirtschaftlich weiter angespannten Lage der Branche. Auch im Gastgewerbe hätten viele Betriebe mit der Konsumzurückhaltung zu kämpfen. In der Frankfurter Gastronomie richtet sich der Blick deswegen schon wieder nach vorne: "Ich hoffe jetzt auf Olympia", sagt Gastwirtin Lauterkranz. 

Experten rechnen nicht mit Konjunkturschub

Bis endgültige Daten zu den Wirtschaftseffekten der EM für die verschiedenen Branchen vorliegen, wird es noch etwas dauern. Konjunkturexperten hatten aber schon vor der EM gewarnt, die wirtschaftlichen Erwartungen zu hoch zuhängen.

So erklärte etwa Michael Grömling, Leiter des Clusters Makroökonomie und Konjunktur beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW): "Sportliche Großereignisse sind kein Konjunkturfeuerwerk." Der Forscher hat sich etwa die Auswirkungen der WM 2006 angesehen - für viele Deutsche noch immer das Großereignis der vergangenen Jahre schlechthin. Doch auch das habe die Wirtschaftsleistung des Landes kaum beeinflusst. 

Seine Erklärung: "Viele Verbraucher werden die EM zwar zum Anlass nehmen, um sich einen neuen Fernseher zu kaufen, zum Public Viewing einzuladen oder beim Mitfiebern ein Bier mehr zu trinken. Doch dafür sparen sie an anderer Stelle: Bratwurst statt Restaurant, Fernsehabend statt Kinobesuch." Die Konsumausgaben stiegen folglich nicht unbedingt, sondern verschöben sich, so Grömling. 

Hoffen auf psychologischen Effekt

Auch die europäischen EM-Gäste könnten Deutschland nicht aus der Rezession holen, im Zweifel verdrängen sie die anderen Touristen. "Ein Hotelzimmer kann eben nur einmal vergeben werden", so der IW-Experte. 

Ein wenig Hoffnung verbreitete Grömling dennoch: Nicht zu unterschätzen sei der psychologische Effekt: "Konjunktur ist geprägt von Erwartungen und Stimmungen - ein sportliches Großereignis kann die Stimmung aufhellen und das Image des Gastgeberlandes verbessern." Imagepflege sei gerade vor dem Hintergrund schwacher Direktinvestitionen ein enormer Gewinn. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 13. Juli 2024 um 09:00 Uhr.