Bauenproteste in Europa Gegen EU-Agrarpolitik und Importe aus der Ukraine
In mehreren europäischen Ländern haben Landwirte gegen die Agrarpolitik der EU protestiert. In Polen und Ungarn richtete sich der Protest auch ausdrücklich gegen Importe aus der Ukraine.
In mehreren EU-Nachbarstaaten der Ukraine gibt es Proteste gegen Importe von Agrarprodukten aus dem von Russland angegriffenen Land. In Ungarn blockierten Landwirte mit zahlreichen Traktoren eine Fahrspur am wichtigsten Grenzübergang zur Ukraine bei Zahony.
Zu den Protesten hatten Ungarns Landwirtschaftskammer sowie der Bauernverband Magosz aufgerufen. Beide Institutionen werden von Parlamentsabgeordneten der regierenden rechstpopulistischen Partei Fidesz geführt. Auch der Fidesz-Vorsitzende und Ministerpräsident Viktor Orban hatte zuvor Verständnis für die Bauernproteste in Europa geäußert.
In Polen bremsten laut Medienberichten Landwirte mit langsam fahrenden Traktoren den Verkehr auf vielen Straßen. Protestierende Bauern blockierten nach ukrainischen Angaben auch den Übergang Medyka-Schegyni an der Grenze zur Ukraine. "Wir haben keine andere Wahl", sagte Marcin Wilgos, Landwirt und Organisator des Protests im Grenzort Dorohusk, der Nachrichtenagentur AFP. "Die Flut von Produkten aus der Ukraine, die nicht nach EU-Standards und -Verfahren hergestellt werden, ist eine große Belastung für uns."
Polnischer Minister: "Ein berechtigtes Interesse"
Die Bauern hätten ein berechtigtes Anliegen, wenn sie eine Begrenzung des übermäßigen Waren-Flusses aus der Ukraine sowie aus anderen nicht-europäischen Märkten in die EU und insbesondere nach Polen forderten, sagte der polnische Landwirtschaftsminister Czeslaw Siekierski.
Während die ungarische Regierung einen russlandfreundlichen Kurs fährt, zählt Polen politisch und militärisch zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine. Die Landwirte dort fürchten aber die Konkurrenz aus der Ukraine. Nach Ansicht polnischer Bauernverbände drücken günstige Produkte aus der Ukraine die Preise, seit die EU infolge des russischen Angriffskrieges die Zölle auf viele Einfuhren ausgesetzt hat.
Protest auch gegen "Green Deal" der EU
Der Protest der Landwirte richtet sich aber auch gegen die EU-Agrarpolitik insgesamt - und er beschränkt sich nicht nur auf die Nachbarländer der Ukraine. Auch in Spanien und Italien gab es Proteste, ähnlich wie zuvor schon in Frankreich, Griechenland oder Deutschland.
Die Landwirte sind besorgt über den "Green Deal" der EU, der nach Angaben der EU-Kommission darauf abzielt, "den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft" zu schaffen, indem bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr ausgestoßen werden, das Wachstum an die Ressourcennutzung gekoppelt wird und der Einsatz von Chemikalien begrenzt wird.
Die Bauern befürchten in der Folge eine Schmälerung ihrer Produktion und ihres Einkommens. Sie machen geltend, dass die EU-Vorgabe, vier Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche dem Schutz der Landschaft und von Biodiversität zu widmen, ebenfalls negative Auswirkungen auf ihre Produktion habe.
In Rom nutzen Landwirte die Kulisse des Kolosseums für ihren Protest.
Forderung nach Rücktritt des polnischen EU-Kommissars
In Rom bewegte sich ein kleiner Konvoi von Traktoren durch das historische Zentrum zum Kolosseum. Die Bauern in Spanien setzten an ihrem vierten Protesttag in Folge auf ähnliche Aktionen wie ihre polnischen Kollegen und verstopften mit ihren Traktoren mehrere Straßen.
Für die Agrarpolitik der EU ist in Brüssel der polnische Kommissar Janusz Wojciechowski zuständig, den noch die frühere nationalkonservative PiS-Regierung benannt hatte. Vizeregierungschef Wladyslaw Kosiniak-Kamysz, Vertreter der Bauernpartei PSL in der neuen Mitte-links-Regierung, fordert den Rücktritt des Kommissars. "Es gibt einen Mann in Europa, der alle europäischen Bauern gegen die von ihm vorgeschlagene Reform vereint hat. Das ist Janusz Wojciechowski", so Kosiniak-Kamysz. Aber auch PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski kündigte an, er wolle Wojciechowski bitten, sein Amt abzugeben.