Chinesische Zentralbank in Peking.

Überraschende Leitzinssenkung Chinas Kampf gegen die Wirtschaftsflaute

Stand: 22.07.2024 10:59 Uhr

Die chinesische Zentralbank hat zwei wichtige Leitzinssätze gesenkt: unter anderen den fünfjährigen Zins, der für die Baufinanzierung maßgeblich ist. Damit könnte die Zentralbank den für die Wirtschaft so wichtigen Immobilienmarkt stützen.

Kredite in China sind wieder günstiger zu bekommen. In einem überraschenden Schritt hat die chinesische Zentralbank heute die Leitzinsen gesenkt. Die People's Bank of China (PBOC) hat dabei sowohl den einjährigen Leitzins gesenkt - von 3,45 auf 3,35 Prozent, als auch den fünfjährigen Leitzins - von 3,95 auf 3,85 Prozent. Viele Experten hatten nicht damit gerechnet, dass China an der Zinsschraube drehen würde.

Gerade der fünfjährige Zinssatz ist für die Finanzierung von Bauvorhaben wichtig. Angesichts der anhaltenden Immobilienkrise und des schwachen Konsums könnten niedrigere Kreditkosten die Wirtschaft ankurbeln.

Schwacher Immobilienmarkt lastet auf Chinas Wirtschaft

Die chinesische Wirtschaft leidet aktuell unter einer beispiellosen Krise des Immobiliensektors. Zugleich hat sich der inländische Konsum seit der Corona-Pandemie nicht nachhaltig erholt, und auch die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch. Geopolitische Spannungen - insbesondere mit den USA und zunehmend auch mit der Europäischen Union - belasten den Außenhandel.

Die überraschende Leitzinssenkung soll der mauen Wirtschaft nun neuen Schub verleihen. Vergangene Woche erst hatte die chinesische Staatsführung bei einer Konferenz der Kommunistischen Partei Lösungen für zentrale wirtschaftliche Probleme wie den Immobilienbereich in Aussicht gestellt, ohne dabei konkret zu werden.

Die chinesische Baubranche galt lange als wichtiger Wachstumsmotor. Doch der Bauboom der vergangenen Jahrzehnte geschah hauptsächlich auf Pump. Eine Reihe riesiger Immobilienkonzerne steht heute vor der Zahlungsunfähigkeit, Projekte werden nicht fertiggestellt, und die Preise sind im Keller. Nach dem langen Boom, in dem auch viele Geisterstädte entstanden waren, lastet der schwache Immobilienmarkt schon länger auf der Wirtschaft Chinas sowie der Weltwirtschaft.

Sorge um finanzielle Stabilität Chinas

Die Baukrise wirkt sich dabei mittlerweile auch stark auf die Haushaltslage der Kommunen aus. Nach offiziellen Angaben sitzen sie auf einem gigantischen Schuldenberg von umgerechnet 5,6 Billionen Dollar, was Anlass zur Sorge um die allgemeine finanzielle Stabilität des Landes gibt. Die Parteikonferenz vergangene Woche vereinbarte auch hier, gezielt tätig zu werden, ohne dies näher auszuführen.

Die Entscheidung, die Leitzinsen zu senken, sei ein "Schritt in die richtige Richtung", erklärte Zhang Zhiwei, Chefökonom von Pinpoint Asset Management. "Aber die Geldpolitik ist nicht das wichtigste politische Instrument." Im weiteren Verlauf des Jahres komme es vor allem auf staatliche Unterstützungsmaßnahmen an.

Handeln notwendig

Die überraschende Zinssenkung sorgte allerdings auch für Nervosität an den Finanzplätzen in Asien. Die Börse in Shanghai notierte zum Handelsschluss 1,1 Prozent tiefer: "Grundsätzlich deuten alle zugrundeliegenden Daten darauf hin, dass China niedrigere Zinsen gut gebrauchen kann", sagte Gary Ng, Ökonom bei der Investmentbank Natixis in Hongkong. Doch zeige der Schritt, dass sich die Behörden gezwungen sähen, die Wirtschaft dringend anzukurbeln.

Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua sprach unter Berufung auf nicht näher genannte Gewährsleute im Umfeld der Notenbank von "entschiedenen" Zinssenkungsschritten. Sie seien Ausdruck der Entschlossenheit, die Konjunkturerholung zu stützen und das diesjährige Wachstumsziel von rund fünf Prozent zu erreichen.

Dass die Notenbank in Peking nun noch vor der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) die Zinsen senkte, ist aus Expertensicht daher ein Anzeichen dafür, wie dringend die Konjunktur in der Volksrepublik auf Impulse angewiesen ist: "Die Tatsache, dass die PBoC nicht darauf gewartet hat, dass die Fed zuerst ihre Zinsen senkt, zeigt, dass die Regierung den Abwärtsdruck auf Chinas Wirtschaft erkennt", sagte Zhang Zhiwei, Chefvolkswirt bei Pinpoint Asset Management.