OECD erwartet schnelles Wachstum Deutschlands Wirtschaft im Aufwärtstrend
Die Rezession in Deutschland ist überstanden - zumindest nach Einschätzung der OECD. Die Organisation erwartet, dass die Wirtschaft stärker wächst, als bislang angenommen. Grund seien unter anderem die steigenden Exporte. Doch für einen langfristigen Aufschwung seien Reformen nötig.
Christoph Wöß, BR-Hörfunkstudio Paris
"Es ist ein entscheidender Augenblick für die Weltwirtschaft." - Wenn ein nüchterner Mann wie OECD-Chef Angel Gurría so formuliert, dann will das schon etwas heißen. Die Experten seiner Organisation nehmen regelmäßig die Wirtschaft in den reichen Ländern unter die Lupe.
Und was diesmal in dem über 200 Seiten dicken Bericht steht, fasst der deutsche Konjunkturexperte Eckart Wurzel so zusammen: "Wir haben doch eine deutliche Verbesserung in der weltwirtschaftlichen Situation. Insofern haben wir das Tal eindeutig hinter uns."
Konsolidierung und Strukturreformen notwendig
Die Wirtschaft in den Industriestaaten erholt sich schneller von der Krise als gedacht, und das gilt insbesondere auch für Deutschland. Um 1,9 Prozent soll die Konjunktur in diesem Jahr wachsen, nächstes Jahr sind sogar 2,1 Prozent drin. Das sei mehr als die Bundesregierung erwarte, sagt Wurzel. Er warnt aber zugleich vor Risiken: "Es gibt die Gefahr einer Ansteckung im Finanzbereich allein wegen der hohen Staatsschulden, die begrenzt werden müssen. Daher brauchen wir eine Politik, die konsolidiert und Strukturreformen macht. Ziel ist ein nachhaltigeres Wachstum und keine Blasenbildung wie innerhalb der vergangenen zwei Jahre."
Boom dank kurzfristiger Einflüsse
Die OECD hat klare Forderungen formuliert: Keine Steuersenkungen, dafür mehr Geld in Bildung stecken, den Menschen das lebenslange Lernen schmackhaft machen, und vor allem: Bürokratieabbau. Es müsse den Menschen mit Ideen erleichtert werden, ein Unternehmen zu gründen. Sonst bleibe die Erholung nur eine Episode.
Dass es jetzt so gut geht, hängt nämlich mit sehr kurzfristigen Einflüssen zusammen: Nach dem ungewöhnlich strengen Winter ist auf den Baustellen ein Nachholboom ausgebrochen. Aber wenn der vorbei ist, könnte es wieder mau werden. "Genau so lief es nämlich mit der Abwrackprämie", erklärt Deutschland-Experte Felix Hüfner.
Die Abwrackprämie habe dazu geführt, dass Leute mehr Autos kauften. "Jetzt kaufen sie weniger Autos", so Hüfner. "Man hat die Autos damit bezahlt, dass man weniger gespart hat. Jetzt wird gespart. Der Konsum leidet auch darunter, dass die Unsicherheit im Moment sehr hoch ist."
Deutschland im OECD-Vergleich "einmalig"
Sicher sind immerhin die Jobs, zumindest vergleichsweise. In den USA sind in der Krise reihenweise Arbeitnehmer gefeuert worden. In Deutschland dagegen gingen besonders betroffene Branchen auf Kurzarbeit und retteten Jobs. "Der deutsche Arbeitsmarkt ist besser durch die Krise gekommen, als man bisher gedacht hat. Das ist im OECD-Vergleich einmalig. Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Lohnstückkosten gestiegen sind und dass die deutschen Unternehmen im vergangenen Jahr an Wettbewerbsfähigkeit verloren haben."
Das aber kann sich ein Land nicht leisten, dessen Aufschwung zum großen Teil vom Export abhängt. In dieser Hinsicht, meint die OECD, ist der schwache Euro für Deutschland von Vorteil.
EU-Länder sollen ihre Verschuldung abbauen
Langfristig werde die Wirtschaft jedoch nur wieder boomen, wenn die Staaten endlich ihre riesigen Schuldenlöcher stopfen, sagt Konjunkturexperte Wurzel mit Blick auf die maroden Kassen in den Euroländern. "Es geht darum, dass man nicht zulassen kann, dass die Staatsverschuldung ausufert, wenn man eine Währungsunion hat. In diesem Sinne müssen neue und besser bindende Regeln gefunden werden, um eine Situation, wie wir sie in der vergangenen Zeit erlebt haben, für die Zukunft dauerhaft zu verhindern."
Die Schuldenbremse, die Deutschland eingeführt hat, wird in Paris ausdrücklich gelobt. Die anderen Euroländer, findet die OECD, könnten sich ein Beispiel daran nehmen. Doch gerade mit der internationalen Zusammenarbeit hapert es, kritisieren die Experten. Wenn Gurría sagt, es sei "ein entscheidender Augenblick für die Weltwirtschaft", dann meint er das zugleich als eindringlichen Appell an die Politiker.