Gespräche mit Geldgebern angestrebt Portugal will Rettungspaket nachverhandeln
Der Euro-Rettungsschirm hilft Portugal mit 78 Milliarden Euro durch die Krise. Die Regierung setzt die geforderten Reformen energisch um, obwohl es vielen im Land dadurch schlechter geht. Doch nun werden Rufe nach Nachverhandlungen über die Auflagen des Rettungspakets laut.
Von Daniel Sulzmann, ARD-Hörfunkstudio Madrid, zzt. Lissabon
Während in Brüssel kräftig über die Bedingungen verhandelt wird, zu denen die spanischen Banken ihre Milliardenhilfe bekommen, und gerade bekannt geworden ist, dass die Spanier wohl bis 2014 Zeit bekommen, ihr Defizitziel von rund drei Prozent zu erreichen, rumort es in Portugal. Denn eigentlich ist das Land eine Art Musterschüler der Finanzkrise: Zwar mussten die Portugiesen unter den Rettungsschirm der EU flüchten. Sonst wären sie pleite gewesen. Aber die Regierung tat alles, um die Auflagen von Internationalem Währungsfonds, EU und Europäischer Zentralbank zu erfüllen.
Sparkurs zeigt Wirkung
Das zeigte Wirkung: Im vergangenen Jahr schafften es die Portugiesen, das Staatsdefizit unter die vorgesehenen 4,5 Prozent zu drücken. Eingefrorene und gesenkte Pensionen und Gehälter im öffentlichen Dienst, Erhöhung der Mehrwertsteuer, Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr, Verkauf staatlicher Firmen - den Portugiesen war es wirklich ernst mit dem Sparwillen.
Und das, obwohl die Auswirkungen dramatisch waren, wie bei Elisa Pinto, einer Krankenschwester aus Lissabon, die sich über den Geldmangel und das Sinken der Kaufkraft beklagt. "Sie ist dramatisch zurückgegangen", sagt Pinto. "Wir haben eine Kraufkraft, die drastisch schlecht ist. Es ist skandalös und wir Arbeiter können damit nicht zufrieden sein."
Wirtschaftsleistung schrumpft
Alle machen mit bei den Reformen und es geht den elf Millionen Portugiesen immer schlechter. Das Land hängt immer noch am Tropf der europäischen Geldgeber. Gerade erst wurden wieder vier Milliarden Euro aus dem 78 Milliarden Euro schweren Hilfspaket ausgezahlt.
Denn die Wirtschaft kommt in Portugal nicht in Gang, im Gegenteil. Eigentlich hatte Finanzminister Vitor Gaspar einen Anstieg der Steuereinnahmen veranschlagt, aber die sanken von Januar bis Mai. Die Wirtschaft schrumpft in diesem Jahr um rund drei Prozent.
Inzwischen mehren sich die Stimmen, die ganz zögerlich und vorsichtig ein Nachverhandeln mit den Geldgebern fordern. Sogar der sonst sehr zurückhaltende Staatspräsident Anibal Cavaco Silva formuliert Ansprüche, seitdem klar ist, dass trotz aller Anstrengungen wieder ein Loch im Haushalt klaffen wird. "Ich denke, diese Inhalte werden mit Sicherheit Objekte von Dialog und Reflexion sein, wenn die portugiesische Regierung und die Troika Ende August die Situation beurteilen", sagte er. Mit anderen Worten: Es soll nachverhandelt werden. Aber bis es Ende August so weit ist, müssen sich die Portugiesen damit begnügen, eigentlich alles richtig gemacht zu haben, aber bisher nichts davon zu spüren.