EU-Kommission rückt von striktem Kurs ab Wider das Image vom bösen Spardiktator
Sparen ja, aber es kann gerne auch etwas länger dauern: Auf diese Formel lässt sich der neue Kurs der EU-Spitze bringen. Währungskommissar Rehn hat jetzt versucht, die Wogen zu glätten, die Kommissionspräsident Barroso zu Wochenbeginn ausgelöst hatte.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Die EU-Kommission will den Ruf des unerbittlichen Spardiktators loswerden. Von einem Kurswechsel will Währungskommissar Olli Rehn zwar nicht reden, die Haushalte müssten auch künftig weiter konsolidiert werden. Aber man könne es nun beim Schuldenabbau etwas langsamer angehen lassen.
"Wir ermutigen die Euroländer, ihre strukturellen Defizite mit einer mehr mittelfristigen Perspektive abzubauen - und nicht durch plötzliche Kürzungen", sagte er.
Und diese Tempodrosselung beim Schuldenabbau ist bereits im vollen Gange. Die strukturellen - also die von Kunjunkturschwankungen bereinigten - Defizite werden laut Rehn in diesem Jahr in der Eurozone nur noch um 0,75 Prozent reduziert. Im vergangenen Jahr war der Abbau noch doppelt so hoch. "Die Entscheidungen, die zu dieser Tempodrosselung führten, wurden 2012 getroffen, ganz im Einklang mit den Empfehlungen der EU-Kommission."
Rehn: US-Sparkurs strikter als EU-Politik
Rehn verwies auf das Beispiel der USA. Dort werde das strukturelle Defizit um bis zu zwei Prozent abgebaut - deutlich mehr als in der EU. Die europäische Politik sei also nicht so sparwütig, wie ihr immer vorgeworfen wird, wollte der Währungskommissar damit wohl damit sagen.
Rehn verteidigte zugleich die drakonische Sparpolitik der Vergangenheit. In den Krisenjahren 2010 und 2011 hätten einige Länder bei Strafe des finanziellen Untergangs einfach sehr harte Entscheidungen treffen müssen. Mittlerweile habe sich die Lage in der Eurozone aber gebessert, auch weil die Fiskalpolitik durch die entschlossenen Maßnahmen der vergangenen Jahre an Glaubwürdigkeit zurückgewonnen habe. Das verschaffe nun mehr Spielraum.
Jedes Land separat im Blick
Nächsten Monat will die EU-Kommission ihre Empfehlung vorlegen, wie es mit der Haushaltskonsolidierung weitergehen soll. "Wir sagen eindeutig: Bei der Entscheidung, wie schnell die Euroländer ihre Schulden zurückfahren, muss man die spezifische wirtschaftliche Lage des jeweiligen Landes berücksichtigen", sagte Rehn.
Damit deutet der EU-Währungskommissar an, dass man Ländern wie Spanien, Portugal und Frankreich, die große wirtschaftliche Probleme haben, wohl mehr Zeit einräumen wird, bis sie die zuvor vereinbarten Ziele beim Haushaltsdefizit erreichen müssen.
Bei all diesen Klarstellungen hatte Rehn die aufgeregte Diskussion der vergangenen Tage über eine Abkehr Brüssels von der Sparpolitik im Auge. Zu Wochenbeginn hatte Kommissionspräsident José Manuel Barroso in einer Diskussionsrunde mit Blick auf die Lage in den südlichen Krisenländern gesagt, die Sparpolitik stoße an ihre Grenzen. Eine erfolgreiche Politik brauche ein Minimum an politischer und gesellschaftlicher Unterstützung. Also nun ist klar: Die Kommission ist weiter fürs Sparen, aber für ein Sparen mit Augenmaß. Mal sehen, was das in der Praxis bedeutet.