Hohe Mieten, knappes Angebot So schwierig ist die Wohnungssuche für Studierende
Kurz vor Beginn des Wintersemesters suchen viele Studierende noch eine Bleibe - bei weiter steigenden Mieten. Wie dramatisch die Lage in manchen Städten ist, zeigt der jüngste "Studentenwohnreport".
500 bis 1000 Euro für ein Zimmer zahlten Studierende in Berlin inzwischen, sagt Leah vom "Referent*innenRat". So heißt der AStA, der Allgemeine Studierendenausschuss an der Humboldt-Universität in Berlin. Sie selbst ist 2021 aus Baden-Württemberg zum Studium in die Hauptstadt aufgebrochen, hat dort ein halbes Jahr nach einer bezahlbaren Bleibe gesucht - und nichts gefunden.
Sie zog dann nach Brandenburg und pendelte zur Uni, über eine Stunde pro Strecke. "Damals ging das, weil Covid war", sagt Leah. "Heute würde das wahrscheinlich nicht mehr gehen." Aber sie kenne trotzdem noch Leute, die in Brandenburg wohnen, weil sie in Berlin nichts finden.
Die Situation sei wirklich dramatisch, sagt Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks. Eine Schnellabfrage bei elf von 57 Studierendenwerken Ende September habe ergeben: 35.000 Studierende stehen allein bei diesen elf auf den Wartelisten für einen Wohnheimplatz.
Wohnheimplatz nur für jeden zehnten Studierenden
Deutschlandweit bieten die Studierendenwerke 196.000 Wohnheimplätze an - zu einer Durchschnittsmiete von 279 Euro warm. "Das ist eigentlich die günstigste Wohnform abgesehen vom Elternhaus", so Anbuhl. Doch derzeit habe man nur für knapp zehn Prozent der Studierenden ein Angebot parat.
Auf dem privaten Wohnungsmarkt sieht es nicht besser aus. Die Situation hat sich laut einer neuen Untersuchung weiter verschlechtert. Die Mietpreise für Studentenwohnungen stiegen im Vergleich zum Vorjahr nochmal um 6,2 Prozent - zu diesem Ergebnis kommt der "Studentenwohnreport 2023" des Finanzdienstleisters MLP in Zusammenarbeit mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft (DIW), der heute in Köln vorgestellt wurde.
38 Hochschulstandorte hat der Report bundesweit untersucht. Studierende konkurrierten inzwischen mit all jenen, die sich Eigentumswohnung oder Eigenheim aufgrund der gestiegenen Zinsen nicht mehr leisten können. Das mache die Lage nochmal schwieriger. Und nicht nur die Kaltmieten steigen, sondern auch die Nebenkosten - Stichwort Energiekrise.
Frankfurt am Main oder München gehören demnach in diesem Jahr zu den teuersten Städten für Studierende. Fast 700 Euro koste dort eine studentische Musterwohnung von 30 Quadratmetern zur Miete, fast 500 ein WG-Zimmer. Relativ günstig wohnen könnten Studierende noch in Chemnitz oder Magdeburg - in der Beispielrechnung des Reports für um die 300 Euro in Chemnitz und 240 bis 250 Euro Miete in Magdeburg. Gerade mal für diese beiden Hochschulstädte reiche der aktuelle BAfög-Wohnzuschlag von maximal 360 Euro.
Untragbare Wohnverhältnisse aus purer Not
In Berlin sei die Wohnungssituation für Studierende erschreckend, sagt Studentin Leah. Sie lebten oft in Wohnsituationen, die sie eigentlich nicht wollten, nur weil sie keine andere Option hätten: bei älteren Menschen etwa, wo sie den Haushalt machen müssten, in einer Studentenverbindung, obwohl ihnen dieser Lebensstil nicht zusage, als queere Menschen in einer queerfeindlichen WG. Und so manche WG-Anzeige verknüpfe das Unterkunftsangebot mit sexuellen Anspielungen und Erwartungen.
Noch schwieriger sei es für ausländische Studierende. Sie kenne Kommilitonen aus Indien, die in Berlin Informatik studierten, "denen werden die teuersten, runtergekommensten WGs angedreht, mit drei Stockbetten in einem Raum für 400 Euro".
Sorge um den Wissenschaftsstandort
Bund und Länder müssten schneller bezahlbaren Wohnraum schaffen, fordert Leah. Der AStA befürwortet auch den Vorschlag, private Wohnungsgesellschaften und Immobilienkonzerne zu enteignen.
Das DIW, das den "Studentenwohnreport" mitherausgibt, fordert dagegen steuerliche Anreize für Investoren, mehr Bauland auszuweisen und zügigere Baugenehmigungsverfahren.
Das Deutsche Studierendenwerk kritisiert erhebliche Versäumnisse in den vergangenen 15 Jahren: Die Zahl der staatlich geförderten Studienplätze sei in dieser Zeit um über 50 Prozent gestiegen, die Zahl der staatlich geförderten Wohnheimplätze aber nur um sieben Prozent. Wo die Wohnungslage angespannt sei, könne das letztlich den Wissenschaftsstandort gefährden, sagt Vorstandsvorsitzender Anbuhl, weil sich sehr gute, sehr talentierte Leute das Studium dort nicht mehr leisten könnten.
Was der Bund unternimmt
Tatsächlich hat die Bundesregierung im April dieses Jahres das 500 Millionen Euro umfassende Programm "Junges Wohnen" auf den Weg gebracht, um neue Wohnheimplätze für Studierende und Azubis zu schaffen. Die Länder, die für die Umsetzung zuständig sind, planten davon 5700 Plätze neu zu schaffen, teilt das Bundesbauministerium auf Anfrage von tagesschau.de mit.
Das Programm soll für die kommenden zwei Jahre fortgeschrieben und mit 1,5 Milliarden Euro ausgestattet werden. Außerdem würden den Ländern über 18 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt. Auch in solchen Wohnungen könnten Studierende wohnen. Denen, die jetzt ihr Studium beginnen und noch eine Unterkunft suchen, wird das wohl nicht mehr helfen.