Stagnierender Netzausbau Keiner will die 5G-Antennen
In Überlingen am Bodensee sucht die Telekom händeringend nach Standorten für moderne 5G-Mobilfunkmasten. Doch die Reserviertheit im Ort ist groß. Der Fall steht beispielhaft für den schleppenden Netzausbau in Deutschland.
"Unsere Antennen suchen ein Zuhause": Mit diesem Slogan im markentypischen Magenta sucht die Deutsche Telekom auf großen Plakatwänden überall in Überlingen, der zweitgrößten Stadt im baden-württembergischen Bodenseekreis, nach potenziellen Standorten für ihre Mobilfunkantennen.
Der Grund: Die Telekom würde gerne das Netz für den neuen, schnellen Mobilfunkstandard 5G ausbauen - doch es fehlt an geeigneten Flächen für die Funkmasten. Das sei ein Problem, das der Konzern überall in Deutschland immer wieder habe, sagt Telekom-Sprecher Markus Jodl.
Bei Vollauslastung stößt das Netz an seine Grenzen
Prinzipiell sei das 5G-Netz in Überlingen gar nicht schlecht, so Jodl. Nur einige Teilorten seien noch nicht ganz abgedeckt. Das viel größere Problem sei allerdings die Netzkapazität. "Die Nutzung von Mobilfunknetzen nimmt pro Jahr um circa 30 Prozent zu."
Streaming, Messengerdienste, Videocalls - das alles seien datenintensive Anwendungen. Selbst dort, wo die Netzabdeckung auf den ersten Blick gut sei, reichten die Kapazitäten oft nicht mehr aus. "Sie brauchen gar nicht mal Spitzengeschwindigkeit, aber möglichst viele Menschen müssen das Netz gleichzeitig nutzen können", sagt Jodl.
Das heißt: Es braucht mehr Antennen. Doch in Überlingen hat das Unternehmen bisher weder von der Stadt, noch von Privatleuten geeignete Standorte zur Miete angeboten bekommen.
Vorbehalte gegen Mobilfunkantennen nach wie vor groß
Die Deutsche Telekom ist von der Bundesnetzagentur damit beauftragt, die Versorgung sicherzustellen. Sie muss selbst die Standorte finden, an denen sie ihre Masten aufstellt - und auch für die anderen Mobilfunkbetreiber diese Aufgabe übernehmen.
Doch vielerorts scheitere man an Widerständen. "Oft ist es so, dass wir bei den Gemeinden immer noch auf sehr viel Reserviertheit treffen", sagt Jodl. Dabei sei der Ausbau von Mobilfunknetzen in den 2000er-Jahren viel kritischer gesehen worden.
"Da haben wir viel häufiger über Gesundheitsaspekte diskutiert oder darüber, ob man Mobilfunk überhaupt braucht." Das habe sich in Jodls Augen zwar gebessert, viele seien aber nach wie vor skeptisch - und zwar nicht nur auf dem Land, sondern auch in den Städten.
Standortangebote der Stadt für Telekom ungeeignet
Beispiel Überlingen: Hier habe die Telekom früh den Kontakt zur Stadt gesucht - das sei der normale Vorgang, sagt der Konzernsprecher. Die Telekom mache Orte ausfindig, an denen das Mobilfunknetz in ihren Augen verbessert werden muss, sogenannte Suchkreise. Als erstes kontaktiere man dann die Kommunen. In Überlingen habe man aber wenig Unterstützung bekommen, kritisiert Jodl.
Stadtsprecherin Andrea Winkler sieht das anders und verweist darauf, dass man durchaus städtische Grundstücke vorgeschlagen habe, die in den Augen der Stadt Überlingen geeignet seien. "Allerdings befinden sich diese nicht immer in den Suchkreisen beziehungsweise werden im konkreten Fall nicht von Seiten der Telekom akzeptiert", so Winkler.
Ein deutschlandweites Problem, sagt die Telekom. Vielen Gemeinden fehle das Verständnis dafür, dass die Mobilfunkanbieter nicht irgendwelche Standorte bräuchten, sondern auch solche, die ins Netz passen.
"Ein Standort kann nicht irgendwo im Wald sein. Hase und Igel telefonieren ja nicht, sondern die Menschen", sagt Telekom-Sprecher Jodl. Deshalb sucht die Telekom in Überlingen nun nach Privateigentümern, die ihre Flächen an sie vermieten - auf 15 Jahre.
Auch andere Mobilfunkbetreiber kennen die Probleme
Das Problem mit den Funkmaststandorten kennen auch die anderen Mobilfunkbetreiber. Vor allem wenn alte Standorte wegfielen, teilt Vodafone mit, sei es oft extrem schwierig, einen geeigneten Ersatzstandort zu finden.
Telefónica, Dachkonzern von O2, kritisiert neben der Vermietbereitschaft von Kommunen und Privatleuten auch die oft langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren. "Bürokratische Hürden bei der Errichtung neuer Standorte sowie teure Frequenzauktionen hemmen den Mobilfunkausbau", sagt Vorständin Valentina Daiber gegenüber tagesschau.de.
Eine Lösung könnten ihrer Meinung nach sogenannte "Genehmigungsfiktionen" sein: Eine Genehmigung gilt dann als erteilt, wenn der Vorgang bis zum Ablauf einer Frist nicht bearbeitet wurde.
Bundesnetzagentur hält sich bedeckt
Die Bundesnetzagentur hält sich aus dem Streit heraus. Planung, Aufbau, Ausbau und Betrieb von Telekommunikationsnetzen lägen in der Verantwortung der jeweiligen Netzbetreiber, heißt es auf Anfrage von tagesschau.de. Nur sie könnten Fragen dazu beantworten.
Die Versorgung mit 5G durch mindestens einen Netzbetreiber ist laut Bundesnetzagentur in den vergangenen Monaten aber auf rund 79 Prozent der Fläche des Bundesgebiets angestiegen.
Nach Meinung der Telekom könnte es mehr sein, wenn es in Deutschland nicht so viele Vorbehalte gegen die Antennen gäbe. Immerhin: Auf die Plakataktion in Überlingen habe es mehrere Angebote von privaten Grundstücksbesitzern gegeben. Zwei davon prüfe man nun intensiver.