Tarifstreit bei der Bahn Verhandlungen gescheitert - und nun?
Die Verhandlungen zwischen Bahn und GDL sind gescheitert. Neue Streiks drohen schon ab nächster Woche. Gleichzeitig gibt es neue Forderungen nach einer Schlichtung. Eine Übersicht zum Stand der Dinge.
Die gute Nachricht für alle Bahnreisenden: Bis über das Wochenende hinweg bleibt alles ruhig. Die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) will sich am kommenden Montag zu den geplatzten Verhandlungen mit der Deutschen Bahn und ihrem weiteren Vorgehen äußern. Bis dahin hält sie sich nach eigener Aussage an die vereinbarte Friedenspflicht, die bis einschließlich Sonntag gilt.
Anschließend aber dürfte es wohl Streiks geben. Die Frage ist: Wie lange? Ein unbefristeten Arbeitskampf hatte GDL-Chef Claus Weselsky zuletzt ausgeschlossen. Das könnte sich nach den gescheiterten Verhandlungen aber auch geändert haben - die GDL hatte sich den Verzicht schließlich selbst auferlegt. Gebunden ist sie daran nicht.
Auf Nachfrage von tagesschau.de wollte sich ein Sprecher dazu nicht äußern und verwies auf die Nachrichtensperre, die bis zur Pressekonferenz am Montag gelte. Befristete Streiks könnte es aber sehr schnell geben. Wie lange und wie umfangreich, liegt dabei im Ermessen der GDL.
Der Druck auf die Gewerkschaft wächst
Der nächste mögliche Schritt im Tarifstreit ist aber auch die sogenannte Schlichtung. Dabei entsenden beide Seiten jeweils Mitglieder in eine Kommission - zwei unabhängige Schlichter vermitteln. Das Verfahren endet mit dem sogenannten Schlichterspruch. Der kann dann wiederum angenommen werden oder auch nicht. In diesem Fall wären die Verhandlungen endgültig gescheitert.
Eine Schlichtung hatte GDL-Chef Weselsky in den vergangenen Wochen wiederholt abgelehnt. Deshalb kam es vor wenigen Wochen zu einer Zwischenlösung. Die Verhandlungen wurden moderiert von Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther und dem ehemaligen Innenminister Thomas de Maizière. Und sind nun abgebrochen worden.
Politik und Wirtschaftsverbände fordern von der GDL vehement, sich einer Schlichtung nicht zu verschließen. Der Vorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Detlef Neuß, erklärte im SWR, die Schlichtung sei überfällig, "so kann es einfach nicht weitergehen".
Kein Streikgesetz in Deutschland
Das Schlichtungsverfahren wird auch deshalb so heiß diskutiert, weil es in der Politik inzwischen Bestrebungen gibt, mit gesetzlichen Mitteln einzugreifen. Ein Streikgesetz gibt es in Deutschland nicht. Die Tarifautonomie ist im Grundgesetz verankert - also die Regelung, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften alleine eine Lösung finden sollen. Ebenso das Recht auf Arbeitskämpfe.
Genau hier will die Union ansetzen. Streiks sollten bei kritischer Infrastruktur erst erlaubt sein, wenn zuvor ein Schlichtungsverfahren gescheitert ist. Dazu aber müsste ein Gesetz erlassen werden, das die SPD-geführte Bundesregierung strikt ablehnt. Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte bereits im Januar, an der Tarifautonomie solle nicht gerüttelt werden.
Damit bleibt für die Unternehmen als letzte Möglichkeit nur noch der Gang vor Gericht. Die Bahn oder auch die Lufthansa haben das in der Vergangenheit versucht, der Erfolg blieb bescheiden. Die Gerichte müssten jeweils im Einzelfall entscheiden, was erlaubt ist und was nicht, erklärte der Arbeitsrechtler Gregor Thüsing von der Universität in Bonn im Bayerischen Rundfunk.
Hohe Kosten durch Streiks
Die Wirtschaft befürchtet nun lang anhaltende Streiks - auch im Güterverkehr. Den volkswirtschaftlichen Schaden durch die Streikfolgen hatte jüngst das arbeitgebernahe Institut der Wirtschaft (IW) in Köln auf bis zu 100 Millionen Euro pro Tag beziffert. Wobei sich die Summe mit jedem weiteren Streiktag wegen entstehender Folgekosten noch erhöht.
Einen Zusammenbruch von Lieferketten, wie er inzwischen auch schon befürchtet wird, sehen Logistiker allerdings nicht. Der Anteil der Bahn am Güterverkehr per Schiene liegt laut Bundesnetzagentur bei rund 40 Prozent. Konkurrenzunternehmen aber können bei einem Streik weiter fahren. Und kommen wegen leerer Gleise bei Bahnstreiks sogar pünktlicher ans Ziel.
Ökonomen rechnen damit, dass lang anhaltenden Streiks, die die Wirtschaft ausbremsen, das Wirtschaftswachstum zusätzlich drosseln. Aber ob sich die GDL einen langen Arbeitskampf mit vielen Streiks auch leisten kann, ist unklar. Sie selbst zahlt den Streikenden nach eigener Aussage 10 Euro pro Stunde. Die Kosten liegen dann auch für die Gewerkschaft schnell in Millionenhöhe.