Regionalexpress der Deutschen Bahn bei Sonnenuntergang.
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Finanzierungskonzepte Was könnte der klammen Deutschen Bahn helfen?

Stand: 05.08.2024 06:26 Uhr

Die Deutsche Bahn verdient viel zu wenig Geld, hat Milliarden Euro Schulden und verliert Marktanteile an die private Konkurrenz. Ideen zur Finanzierung gibt es viele - welche sind realistisch?

Eine Analyse von Ingo Nathusius, HR

Gleise, Kabel, Schalteinrichtungen des deutschen Eisenbahnnetzes halten nicht, was die Deutsche Bahn verspricht. Ein Gutteil der ungenügenden Zuverlässigkeit ist dem mangelhaften Schienennetz geschuldet. Der Bundesverkehrsminister Volker Wissing und die staatseigene Deutsche Bahn AG kalkulieren, dass in den nächsten vier Jahren 45 Milliarden Euro für Infrastruktur ausgegeben werden sollen. Weder ist der Betrag insgesamt gedeckt, noch ist klar, wo die schon für nächstes Jahr geplanten 15,3 Milliarden Euro herkommen sollen.

Die Bahn braucht dringend Geld, die Staatskassen geben es nicht her. Also sinnt die Bundesregierung über neue Finanzierungswege nach. Es gibt drei Möglichkeiten: Erstens: Die Deutsche Bahn AG könnte mehr zahlen. Zweitens: Die Schuldenbremse könnte umgangen werden. Drittens: Man könnte private Bahnunternehmen zur Kasse bitten.

Kann die Bahn mehr zahlen?

Der Deutsche-Bahn-Konzern verdient viel zu wenig Geld, um das deutsche Schienennetz zu bezahlen. Die flüssigen Mittel ("Cash Flow") reichen regelmäßig nicht, um die Investitionen zu finanzieren.

Die Idee, das Staatsunternehmen Deutsche Bahn AG solle selbst Schulden machen und so die Infrastruktur auf Vordermann bringen, ist wenig attraktiv. Schon jetzt ist die Bahn hoch verschuldet. Die Schulden steigen auch so von Jahr zu Jahr. Stand die Bahn 2019 noch mit 24 Milliarden Euro in der Kreide, sind es aktuell 33 Milliarden Euro - und das bei gestiegenen Zinsen.

Zudem wird die Konzerntochter Schenker verkauft. Die weltweit tätige Spedition ist mit Lastwagen und Luftfracht sehr erfolgreich. Ohne Schenker hätte der Betriebsverlust der Deutschen Bahn vergangenes Jahr 2,4 Milliarden Euro statt 1,3 Milliarden Euro betragen. Wenn Schenker nicht mehr zur Bahn gehört, fehlt ein Geldbringer. Damit kommen die Bewertungen des Konzerns durch Ratingagenturen unter Druck.

Von diesen "Ratings" ist die Höhe der Zinsen auf die enormen Schulden abhängig. Vergangenes Jahr waren das schon 620 Millionen Euro. Um die Zinszahlungen auf halbwegs bezahlbarem Niveau zu halten, wird der Löwenanteil des Schenker-Verkaufserlöses zum Abbau von Schulden verwendet werden müssen. Vom Tafelsilber der Bahn ist nur noch Schenker geblieben und dessen Verkauf bringt finanziell kaum Spielraum.

Schuldenbremse umgehen?

Geplant ist, das Eigenkapital der Deutschen Bahn um 5,9 Milliarden Euro zu erhöhen. Dieses Geld muss das Finanzministerium durch neue Schulden beschaffen. Es wird dann in die Deutsche Bahn AG als Stärkung des finanziellen Grundstocks eingezahlt. Damit steht den neuen Schulden des Bundes ein gleichgroßer Wert an neuem Eigentum des Bundes bei seiner Deutschen Bahn AG gegenüber. Dann zählen die Schulden nicht mehr für die Schuldenbremse. Die Bahn kann ihr neues Eigenkapital für Investitionen verwenden. Ob das eine verbotene Subventionierung des Staatsunternehmens DB im Verhältnis zu privaten Bahn- Konkurrenten ist, ist umstritten.

Überlegt wird auch ein Darlehen des Bundesfinanzministeriums an die Deutschen Bahn. Auch die dafür nötigen Milliarden müsste sich der Staat selbst pumpen. Diesen neuen Staatsschulden stünde dann aber eine Forderung in gleicher Höhe an die Deutsche Bahn AG gegenüber, was die Sache wieder vor der Schuldenbremse retten würde. Dagegen spricht, dass die Bahn frisches Geld braucht und nicht noch mehr Schulden.

Beide Methoden - Eigenkapital und Staatskredite - riechen schon von Weitem nach Umgehung der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse. Rechtsregeln zu umgehen ist verboten. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Haushaltsurteil Ende vergangenes Jahr klar gemacht, dass es keine Manipulationen duldet.

Wenn die Deals mit neuem Eigenkapital und Staatskrediten nicht zu auffällig rechtswidrig sein sollen, muss die Bahn Renditen und Zinsen an das Finanzministerium zahlen. Dagegen spricht wiederum, dass die Bahn klamm ist.

Müssen Privatbahnen ran?

Private Konkurrenten jagen der deutschen Staatsbahn immer mehr Marktanteile ab. Im Güterverkehr haben die Privaten schon 81 Prozent Marktanteil, im Personennahverkehr 37 Prozent und im Fernverkehr fünf Prozent. Privatbahnen nutzen Schienen und Bahnhöfe der Deutschen Bahn. Dafür müssen sie Maut zahlen. Die DB-Konzerngesellschaft, die für die Infrastruktur zuständig ist, kassiert zwar auch für DB-Züge Maut. Dieses Geld bleibt aber im DB-Konzern.

Die aufstrebende private Konkurrenz befürchtet, dass nach Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur die nötigen Renditen und Zinsen über höhere Mautgebühren eingetrieben werden. Damit käme das Geschäftsmodell von Privatbahnen unter Druck und die staatliche Deutsche Bahn könnte ihre Marktanteile leichter verteidigen.

Keine Begeisterung bei Politikern

Angesichts der rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Risiken herrscht in der Bundespolitik keine Begeisterung für die aktuellen Planspiele. Die Opposition lehnt sie offen ab. "Es wird Zeit, dass die komplette Neuaufstellung der DB mit einer Trennung von Infrastruktur und Verkehr kommt", sagt der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, Ulrich Lange. "Wenn der Bund künftig alleine für das Schienennetz verantwortlich wäre, ließe sich ein solches finanzielles und operatives Trauerspiel vermeiden. Dann würde das Geld des Staates nämlich dort ankommen, wo es hingehört: bei der Schiene und nicht in irgendeinem Konzernsäckel".

Auch der Verkehrspolitiker der AfD-Bundestagsfraktion, Dirk Spaniel, fordert Abspaltung der Infrastruktur aus dem Bahn-Konzern. Eine unabhängige staatliche Schienen- und Bahnhofsgesellschaft würde dann wie beim Autobahnbetrieb vom Staat finanziert und ihre Infrastruktur allen Eisenbahnunternehmen zu gleichen Preisen vermieten.

Und Bernd Riexinger von der Linksfraktion will den gesamten Staatskonzern Bahn wieder in eine öffentliche Rechtsform wie vor 30 Jahren umbauen.