Chronologie einer Pannenserie Wie sich Stuttgart 21 immer weiter verzögerte
Der Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs ist das größte Bahnprojekt Deutschlands, verschlingt Milliarden und der Start wurde schon etliche Mal verschoben - nun auf Ende 2026. Eine Chronologie der Ereignisse.
Die Deutsche Bahn verschiebt die Inbetriebnahme des Projektes Stuttgart 21 auf Dezember 2026. Nachdem dies mehrere Medien am Montag berichtet hatten, bestätigte die Bahn dies nach einer Sitzung mit den Projektpartnern in Stuttgart nun auch offiziell.
Die Idee, die Stuttgart 21 vorausging, ist tatsächlich schon recht alt: Bereits in den 1970er-Jahren erwägt die Deutsche Bahn - damals bei Planung und Bau der Schnellfahrstrecke Mannheim-Stuttgart - unter dem Stuttgarter Hauptbahnhof eine neue unterirdische Station für den Schnellverkehr zwischen Mannheim und Ulm anzulegen. Während der Bau für die Schnellfahrstrecke aber bereits 1976 beginnt, wird erst 1994 eine Machbarkeitsstudie für den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofes in Auftrag gegeben.
Auf der Grundlage dieser Studie unterzeichnen dann Bahn, Bund, Land und Stadt am 7. November 1995 eine Rahmenvereinbarung mit dem Ziel, den Stuttgarter Bahnhof umzubauen und so die Zugkapazität zu erhöhen. Die Gesamtkosten werden damals mit 4,893 Milliarden Mark (knapp 2,5 Milliarden Euro) veranschlagt. In den folgenden Jahren werden zunächst Gutachten zur Umsetzung durchgeführt. 1997 schließlich findet der Realisierungswettbewerb statt.
Ende der 1990er-Jahre: Projekt zu groß, zu teuer
1999 gerät das Bauprojekt dann ins Stocken: Der damalige Bahn-Chef Johannes Ludewig stoppt alle Planungen mit der Begründung, das Projekt sei "schlicht zu groß und für die Bahn zu teuer".
2001 gelingt dann aber der politische Durchbruch: Der Bund und die Länder Baden-Württemberg und Bayern einigen sich auf eine Vorfinanzierung. Am 14. März 2001 genehmigt der Aufsichtsrat der DB Stuttgart 21.
Am 6. April 2006 schließlich gibt der Verwaltungsgerichtshof Mannheim grünes Licht für den Umbau des Hauptbahnhof. Nach dem Ende der Einspruchsfrist ist das Projekt unanfechtbar, die Genehmigung zum Bau wird erteilt. Am 2. April 2009 unterzeichnen der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Bahn-Vorstand Stefan Garber den Finanzierungsvertrag Stuttgart 21. Die Kosten werden damals auf gut drei Milliarden Euro festgesetzt, zuzüglich eines Risikopuffers von 1,45 Milliarden Euro.
Beginn der Bauarbeiten
Der offizielle Startschuss für den Bau des Projekts Stuttgart 21 fällt am 2. Februar 2010 mit der symbolischen Anhebung eines Prellbocks am Gleis 049. Zu dem Zeitpunkt ist geplant, den neuen Bahnhof 2019 einzuweihen. Als vorbereitende Maßnahmen wird der Nordflügel am Kopfbahnhof abgerissen, im Mittleren Schlossgarten werden Bäume gefällt. Am 30. September 2010 kommt es am "Schwarzen Donnerstag" zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei. Mehr als 100 Menschen werden verletzt.
2011 werden mit dem Fildertunnel und den Tunneln nach Unter- und Obertürkheim erste Aufträge im Wert von 700 Millionen Euro vergeben, 2012 folgen Bauaufträge für den Hauptbahnhof, den Tunnel Bad Cannstatt und den Tunnel Feuerbach im Gesamtumfang von rund 800 Millionen Euro.
Bauarbeiten werden teurer
Bereits in den ersten Jahren der Bauarbeiten bis 2012 wird klar, dass das ganze Projekt teurer wird. Am 5. März 2013 billigt der Aufsichtsrat erstmals, den Finanzierungsrahmen auf bis zu 6,526 Milliarden Euro anzuheben. Nur drei Jahre später, im Juli 2016, werden Teile des Prüfberichts des Bundesrechnungshofes zu Stuttgart 21 öffentlich, wonach die Kosten sogar auf bis zu zehn Milliarden Euro steigen könnten.
Offiziell steht zu diesem Zeitpunkt eine Summe von 6,5 Milliarden Euro in den Büchern - und es gibt Streit über die Übernahme der Kosten. Die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg wollen die Kosten nicht mittragen. Daraufhin reicht die Deutsche Bahn am 23. Dezember 2016 Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart ein. Das Gericht weist im Mai 2024 Klagen der DB zur Übernahme von Kostensteigerungen durch die Projektpartner ab - es ist weiter unklar, wer die Mehrkosten für den Bau tragen wird.
Bauarbeiten schreiten voran
Am 16. September 2016 wird der Grundstein des neuen Hauptbahnhofs gelegt. Der symbolische Akt findet auf dem ersten betonierten Abschnitt der Bodenplatte statt. Kurz darauf wird die erste Röhre des Tunnels Bad Cannstatt in Richtung Hauptbahnhof durchgeschlagen.
Zeitgleich mit den Baufortschritten steigen auch die Kosten: Ende November 2017 muss die Bahn erneut eine Erhöhung des Kostenrahmens auf 7,6 Milliarden Euro bekanntgeben, im Januar 2018 wird der Finanzierungsrahmen dann auf 8,2 Milliarden Euro erhöht, einschließlich eines Risikopuffers von 495 Millionen Euro. In Betrieb gehen soll der Bahnhof zu dem Zeitpunkt im Jahr 2025.
Im März 2019 wird eine interne Finanzplanung der DB bekannt. Mit mehr als vier Milliarden Euro, die sie bis 2023 für das Projekt aufwenden müsse, werde das Projekt für den Konzern zu einer finanziellen Last, heißt es. Nur kurze Zeit später, im September 2019, warnt der Bundesrechnungshof, dass auch ein Finanzierungsrahmen von 8,2 Milliarden Euro kaum ausreichen dürfte. Im November 2019 wird dann der Risikopuffer aufgelöst. Die Gesamtkosten werden nun mit 8,2 Milliarden Euro beziffert.
Kosten steigen immer weiter
Am 2. Juni 2021 erreicht die DB beim Bau einen weiteren Meilenstein: Sie stellt bei Denkendorf den ersten Oberleitungsmast des Projekts auf, auch erste Gleise im Tunnel Feuerbach werden verlegt. Zugleich steigt der Finanzierungsrahmen erneut und liegt nach einem Beschluss des Aufsichtsrats der DB vom 18. März 2022 nun offiziell bei 9,79 Milliarden Euro. Als geplanter Eröffnungstermin wird zum dem Zeitpunkt weiterhin der Dezember 2025 genannt.
Als Grund für den erneuten Kostenanstieg nennt die Bahn die gestiegenen Kosten am Bau. 2023 teilt sie mit: "Alle großen Bauvorhaben der DB in Deutschland sind von der stark gestiegenen Inflation im Baubereich betroffen."
Seit Dezember 2023 ist bekannt, dass die Bahn für das Projekt Stuttgart 21 mit Gesamtkosten von rund 11,5 Milliarden Euro rechnet. Damit sind die Kosten um mehr als sieben Milliarden Euro gestiegen. Und auch der zuletzt angepeilte Eröffnungstermin im Dezember 2025 für den Tiefbahnhof ist nicht zu schaffen. Wie die Deutsche Bahn heute mitteilte, soll der Betrieb von Stuttgart 21 nun im Dezember 2026 starten.
Mit Informationen von Lilli-Marie Hiltscher, ARD-Finanzredaktion