Tarifkonflikt EVG und Bahn gehen in vierte Verhandlungsrunde
Nach einer ersten Annäherung setzen die Deutsche Bahn und die Gewerkschaft EVG heute ihre Tarifverhandlungen in vierter Runde in Fulda fort. Wird keine Einigung erzielt, könnten weitere Warnstreiks die Folge sein.
Im Tarifkonflikt zwischen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der Deutschen Bahn geht es heute in Fulda in die nunmehr vierte Verhandlungsrunde. Bis einschließlich Donnerstag wollen der Konzern und die Gewerkschaft dort über höhere Tarife für rund 180.000 Konzernbeschäftigte sprechen.
Die Gespräche wurden in der vergangenen Woche bei einem ersten Zusammenkommmen unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorbereitet. Sollten die Parteien weiterhin keine Lösung finden, drohen erneute Warnstreiks oder gar eine Urabstimmung der EVG über unbefristete Streiks.
Verhandlungsführer Loroch: "Wir drücken aufs Tempo"
"Das, was bislang auf dem Tisch liegt, ist nicht das, was die Kolleginnen und Kollegen wollen", sagte EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch. Er betonte erneut die Bereitschaft der Beschäftigten, "jederzeit" zu streiken. Sollten "echte Fortschritte" ausbleiben, "kann ich für nichts garantieren".
"Wir wollen inhaltlich vorankommen", versicherte Loroch. Deshalb habe die EVG der Bahn bereits signalisiert, dass sie zu einem weiteren Termin im Juni bereit sei. "Die Themen sind komplex, für einen guten Abschluss brauchen wir sicher noch einiges an Zeit", erläuterte Loroch. "Wir wollen bis zum Sommer fertig werden und drücken deshalb aufs Tempo."
Mindestlohn als erste Annäherung
Zuletzt war Bewegung in den über Monate festgefahrenen Tarifstreit gekommen: Beide Seiten räumten unter Vermittlung des Arbeitsgerichts Frankfurt den Knackpunkt Mindestlohn aus dem Weg.
Rund 2000 Beschäftigte hatten den gesetzlichen Mindestlohn bislang nur über Zulagen erhalten. Die Bahn hat zugestimmt, diesen nun rückwirkend zum März als Sockel in die Tariftabellen aufzunehmen. So können sich künftige Tarifergebnisse auf diese höhere Basis beziehen. Nach dem Vergleich hatte die EVG einen geplanten 50-stündigen Warnstreik vergangene Woche kurzfristig abgesagt.
EVG: Forderungen noch dieses Jahr umsetzen
In Fulda soll es nun in die Verhandlungen über die konkreten Tarifforderungen gehen. Die Gewerkschaft will mindestens 650 Euro mehr oder zwölf Prozent für die oberen Einkommen, außerdem eine Laufzeit von zwölf Monaten.
Die Bahn hat bislang eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie sowie eine stufenweise Tariferhöhung von insgesamt zehn Prozent für die unteren und mittleren Einkommen sowie acht Prozent für die höheren Einkommen angeboten. Bei einer Laufzeit von 27 Monaten würde die erste Stufe davon aber erst im nächsten Jahr anlaufen. Die EVG fordert eine Tabellenerhöhung aber noch 2023.
Verhandlungen auch mit anderen Unternehmen
"Für uns ist wichtig, dass es noch in diesem Jahr eine Lohnerhöhung gibt, mit einem ordentlichen Mindestbetrag, weil der vor allem den unteren Lohngruppen zugute kommt", fasste Verhandlungsführer Loroch die Ziele vor dem Treffen zusammen. Davon sei im Angebot der Bahn "nichts" zu finden. Eine erste Lohnerhöhung erst ab März 2024 "würde ein ganzes Jahr ohne einen Cent mehr in der Tabelle bedeuten. Das geht überhaupt nicht", kritisierte der Gewerkschafter.
EVG-Tarifvorständin Cosima Ingenschay erklärte, auch die Tarifverhandlungen mit anderen Eisenbahnunternehmen sollten "zügig" fortgeführt werden. "Hier gilt es, die Angebote so zu synchronisieren, dass wir am Ende für die Branche einen einheitlichen Tarifabschluss erreichen."
Streiks und Ausfälle weiterhin möglich
Die Gewerkschaft verhandelt außer mit der Deutschen Bahn mit Dutzenden weiteren Eisenbahn-Unternehmen über die gleichen Forderungen. Schon zwei Mal hat sie mit bundesweiten Warnstreiks den Bahnverkehr in Deutschland weitgehend zum Erliegen gebracht.
Ein Abschluss beim bundeseigenen Konzern dürfte die Richtung auch für die Verhandlungen bei den anderen Betrieben vorgeben. Warnstreiks wären dort weiter möglich, solange nicht überall ein Kompromiss erreicht ist. Sie hätten allerdings deutlich geringere Auswirkungen als bei der Deutschen Bahn.
Die EVG ist die größere von zwei Gewerkschaften beim bundeseigenen Konzern. Die Tarifverhandlungen zwischen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) unter ihrem Chef Claus Weselsky sind erst für den Herbst angesetzt. Schon Anfang Juni will die GDL aber ihre Forderungen festlegen.