Ein Flugzeug der Fluggesellschaft Discover Airlines.

Lufthansa Discover Streik trotz Tarifabschluss?

Stand: 09.08.2024 16:44 Uhr

Trotz eines Tarifvertrags mit ver.di könnte es bald erneut Streiks beim Lufthansa-Ferienflieger Discover geben. Denn die Konkurrenz-Gewerkschaften Ufo und VC sehen sich vom Lufthansa-Konzern getäuscht.

Beim Lufthansa-Ferienflieger Discover stehen die Zeichen trotz eines neu abgeschlossenen Tarifvertrags auf Streik. Die Konkurrenz-Gewerkschaften Vereinigung Cockpit (VC) und Ufo könnten das fliegende Personal schon bald wieder zu Arbeitsniederlegungen aufrufen, weil bei den aktuellen Verhandlungen nicht sie, sondern die Konkurrenz von ver.di zum Abschluss gekommen ist. Am Ende wären die Passagiere die Leidtragenden im Machtkampf der Gewerkschaften.

Erste Tarifverträge für die vor drei Jahren gegründete Airline

Drei Jahre nach Gründung von Lufthansa Discover gibt es nun erste Tarifverträge für das fliegende Personal der Airline. Das Unternehmen und ver.di teilten heute mit, dass sie für Piloten wie auch für das Kabinenpersonal Vereinbarungen zu Gehalt und Arbeitsbedingungen getroffen haben. Entsprechende Verträge seien in der Nacht unterschrieben worden. Sowohl für die etwa 500 Piloten als auch für die etwa 1.400 Beschäftigten in der Kabine habe man Vereinbarungen zu Gehalt und Arbeitsbedingungen getroffen.

Bis Ende 2027 sind für beide Berufsgruppen Gehaltserhöhungen, Zulagen und Sonderzahlungen vereinbart. Auch an die betriebliche Altersvorsorge, Dienstpläne oder Krankengeldzuschüsse ist gedacht. "Wir haben keinen Dumping-Tarifvertrag gemacht", sagt ver.di-Verhandlungsführer Marvin Reschinsky. Unklar bleibt allerdings, wie viele der Beschäftigten wirklich bei ver.di - oder eben bei den im Lufthansa-Konzern etablierten Gewerkschaften VC und Ufo - organisiert sind. Eine Sprecherin der Airline erklärte, dass man keine Kenntnis über die jeweilige Gewerkschaftszugehörigkeit der Beschäftigten habe.

Ufo und VC sehen sich nach monatelangen eigenen und eigentlich abgeschlossenen Verhandlungen vom Lufthansa-Konzern getäuscht. Sie stellen insbesondere in Zweifel, dass ver.di eine nennenswerte Anzahl von Discover-Beschäftigten organisiert. Ufo-Verantwortliche sprechen intern von "ein paar Handvoll", während man selbst gemeinsam mit der VC leicht "an die 1.000 Kolleginnen und Kollegen" repräsentiere. "Ver.di ist als Tarifpartner vom Arbeitgeber eingesetzt", sagt Ufo-Tarifexperte Harry Jaeger.

Lufthansa-Strategie mit Tochterunternehmen

Ver.di-Vertreter Reschinsky lässt die Vorwürfe an sich abperlen. "Zum Organisationsgrad lassen wir uns nicht in die Karten schauen - wie jede andere Gewerkschaft." Für ver.di ist der Abschluss ein Erfolg, weil man bislang im Lufthansa-Konzern nur beim Bodenpersonal und in den Eurowings-Kabinen so richtig vertreten ist. Einen Tarifvertrag für Piloten hat man nur bei der Fracht-Beteiligung Aerologic. 

Die mit 27 Airbus-Jets noch vergleichsweise kleine Ferienfluggesellschaft Discover startet ausschließlich von Frankfurt und München und soll vor allem der Condor im touristischen Geschäft Konkurrenz machen. Die VC fürchtet, dass immer mehr reguläre Lufthansa-Flüge an die kostengünstigere Tochter abgegeben werden.

Die DGB-Gewerkschaft ver.di könnte zum Nutznießer der Lufthansa-Strategie werden, ihre bisherigen Fluggesellschaften durch neue Flugbetriebe unter Kostendruck zu setzen. Anfangs gelten dort gar keine und später niedrigere Tarifbedingungen. Diese Logik gilt nicht nur bei der Aerologic im Frachtbereich: Mit Discover Airlines und City Airlines stehen zwei junge Gesellschaften bereit, Lang- und Mittelstrecken billiger zu fliegen als die mit tariflichen Höchstgehältern versehene Lufthansa-Kerngesellschaft.

VC kündigt Urabstimmung an

Für die Kunden sind die Unterschiede kaum erkennbar. Konzern-Chef Carsten Spohr hat daher längst zusätzliche Flugzeuge für die jungen Töchter geordert. "VC und Ufo können sich ja für bessere Abschlüsse bei der Discover einsetzen", stichelt Reschinsky. Letztlich ist allen Beteiligten klar, dass dies nur über Arbeitskämpfe erreichbar wäre. Erst bei konkurrierenden Tarifverträgen müsste nach dem Tarifeinheitsgesetz festgestellt werden, welche Gewerkschaft die stärkste im Betrieb ist und dann Tarifverträge abschließen darf. 

Die VC hat bereits eine erneute Urabstimmung unter ihren Mitgliedern bei der Discover angekündigt. Schon im vergangenen Winter hatten die Piloten in drei Wellen und die Flugbegleiter ein Mal den Betrieb des Ferienfliegers bestreikt und einige Flüge ausfallen lassen. Im Februar waren sogar Piloten der Lufthansa-Boeing-Flotte zu einem Solidaritätsstreik angetreten. Der neue VC-Präsident Andreas Pinheiro gibt sich erneut kampfbereit und sagt: "Sollte die Discover eine Tarifierung mit der VC weiterhin kategorisch ausschließen, sind Arbeitskampfmaßnahmen im Sommer und darüber hinaus wieder im Bereich des Möglichen."

Ver.di hofft hingegen darauf, dass sich das fliegende Personal bei den Billigtöchtern von den im Konzern etablierten Gewerkschaften VC und Ufo nicht richtig vertreten fühlen könnte. "Wir stehen für einen Tarifabschluss bei der City Airlines zur Verfügung", sagt Reschinsky. Die nächste Runde im harten Gewerkschaftskampf bei Lufthansa ist damit eröffnet. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 09. August 2024 um 10:31 Uhr.