Spatenstich für TSMC-Chipfabrik nahe Dresden

Neues Werk von TSMC "Silicon Saxony" muss sich weiter bewähren

Stand: 20.08.2024 13:35 Uhr

Die hoch subventionierte Ansiedlung von TSMC lässt viele auf einen weiteren Aufschwung der Chip-Industrie in Ostdeutschland hoffen. Aber die glänzenden Prognosen könnten zu hoch gegriffen sein.

Von Detlev Landmesser, ARD-Finanzredaktion

Zehn Milliarden Euro für einen einzelnen Standort: Das ist eine gewagte Investition. Mit der Zusage im Rücken, dass der deutsche Staat die Hälfte der gewaltigen Summe trägt, hat TSMC-Chef C.C. Wei heute den Grundstein für die neue Fabrik des Chip-Herstellers im Dresdner Norden gelegt - im Beisein von Polit-Prominenz: Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Bundeskanzler Olaf Scholz waren anwesend.

"Der größte Mikrochiphersteller der Welt kommt auf unseren Kontinent und schließt sich zusammen mit drei europäischen Champions", sagte von der Leyen bei der Veranstaltung. Die Vorteile werde man weit über Dresden und Sachsen hinaus spüren.

Die europäische Industrie werde von zuverlässigeren Lieferketten und neuen Produkten, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind, profitieren. "In Zeiten wachsender geopolitischer Spannungen wird auch TSMC von der geografischen Diversifizierung nach Europa profitieren", betonte von der Leyen.

Kanzler Scholz fand annähernd euphorische Worte: "Wir sind begeistert, dass ein so wichtiger Akteur der weltweiten Halbleiter-Szenerie jetzt hier bei uns einen Standort öffnet." Halbleiter seien der Treibstoff des 21. Jahrhunderts, das wirtschaftlich von zwei Megatrends geprägt sei: der umfassenden Digitalisierung und dem Abschied von den fossilen Energieträgern.

Mit der neuen Fabrik in Dresden wolle man den Halbleiterbedarf der schnell wachsenden europäischen Automobil- und Industriesektoren decken, sagte TSMC-Chef Wei. "Mit dieser hochmodernen Produktionsanlage werden wir die innovativen Fertigungsmethoden von TSMC viel näher zu unseren europäischen Kunden und Partnern bringen."

Internationales Träger-Konsortium

An dem Milliardenprojekt beteiligen sich neben dem taiwanischen Auftragsfertiger noch die deutschen Konzerne Bosch und Infineon und die niederländische NXP-Gruppe mit je zehn Prozent. Das Gemeinschaftsunternehmen trägt den schlichten Namen "European Semiconductor Manufacturing Company" (ESMC).

Das Projekt ist ein weiterer Meilenstein für die Region rund um die sächsische Landeshauptstadt, deren Bezeichnung "Silicon Saxony" viel mehr als ein schickes Schlagwort ist. Wie das gleichnamige Unternehmensnetzwerk vorrechnet, stammt mittlerweile jeder dritte in Europa produzierte Chip aus Sachsen.

Langjährige Tradition

Der Technologiestandort ist ein Beleg dafür, welche Früchte die gezielte Förderung so genannter Branchen-"Hubs" oder "Cluster" tragen kann. Eine Voraussetzung dafür, dass sich hier der größte Halbleiter-Verbund Europas entwickelt hat, ist auch die lange Branchentradition in der Region, die bis in die frühen Jahre der DDR zurückreicht.

Mit Infineon, Bosch, GlobalFoundries und X-FAB betreiben namhafte Chip-Hersteller hier ihre Werke. Neben den Fertigern hat sich eine Vielzahl kleinerer und mittlerer Unternehmen im Freistaat angesiedelt, die vor allem als Zulieferer und Dienstleister tätig sind. Hinzu kommen Forschungseinrichtungen, die in Kooperation mit den Unternehmen Innovationen im Bereich der Mikroelektronik vorantreiben. Die im Jahr 2000 gegründete Unternehmensvereinigung "Silicon Saxony" zählt mittlerweile mehr als 550 Mitglieder aus allen Bereichen der Mikroelektronik sowie der Informations- und Kommunikationstechnik.

Erhebliche Netzwerkeffekte

Der volkswirtschaftliche Effekt des Clusters ist erheblich. Die Unternehmen profitieren von einem gegenseitigen Wissens- und Technologietransfer, und die Region zieht bisher erfolgreich Fachkräfte an, die wiederum den Wissenstransfer beschleunigen. Allein in Sachsen beschäftigten seine Mitglieder über 20.000 Mitarbeitende und setzten jährlich über vier Milliarden Euro um, so "Silicon Saxony". Dazu kommen weitere Wachstumseffekte für andere Branchen. Gerade in der Halbleiterbranche spielt zudem die Absicherung Deutschlands vor globalen Lieferproblemen eine Rolle.

Für das Jahr 2030 erwartet der Verband gut 100.000 Arbeitsplätze in der Mikroelektronik und Software-Industrie der Region. Auch angesichts der durch die Ansiedlung von TSMC zu erwartenden 6.000 Stellen könnte sich diese Schätzung wohl als "zu konservativ" erweisen, so Verbandschef Frank Bösenberg gegenüber dem "Handelsblatt".

Milliardenhilfen gerechtfertigt?

Während solche Netzwerkeffekte im Grundsatz kaum bestritten werden, bleibt dennoch die Frage, ob sie staatliche Subventionen in dieser Höhe rechtfertigen. Die milliardenschweren Zuschüsse wecken nicht nur hohe Erwartungen und werden im Einzelfall auch von Wettbewerbern kritisiert, wie im Fall TSMC vom US-Konkurrenten GlobalFoundries.

Namhafte Ökonomen wie ifo-Chef Clemens Fuest stellen sie auch grundsätzlich in Frage und verweisen darauf, dass die Mittel erst erwirtschaftet werden müssen und anderswo womöglich sinnvoller eingesetzt werden könnten. Besonders umstritten ist etwa das geplante 30-Milliarden-Projekt des einstigen Chip-Marktführers Intel in Magdeburg, das die öffentliche Hand zu einem Drittel tragen will - also mit rund zehn Milliarden Euro aus Steuergeldern.

Die EU-Kommission hat die Subventionen für TSMC pünktlich zum Spatenstich genehmigt. Der Bau und Betrieb des Werks werde die Versorgungssicherheit, Resilienz und digitale Souveränität Europas im Bereich Halbleitertechnologien stärken, erklärte die Kommission zur Begründung. Außerdem leiste das Werk einen Beitrag zum digitalen und grünen Wandel.

Prognosen für zyklische Branchen schwierig

Aber auch die Prognosen zur Zukunft von "Silicon Saxony" könnten zu optimistisch sein. Zum einen muss es dem Freistaat gelingen, den bereits erheblichen Fachkräftemangel in der Region, der zu einem scharfen Wettbewerb um qualifizierte Arbeitnehmer führt, nachhaltig zu beheben.

Zum anderen zeigt die Historie, dass gerade die Halbleiterindustrie eine zyklische Branche ist, also ihr Erfolg stark von der Weltkonjunktur abhängt. Insbesondere ist unklar, wie lange der durch den KI-Boom ausgelöste Nachfrageschub, der sich auch im europäischen Halbleiterabsatz sichtbar niederschlägt, anhalten wird.