Intel-Fabrik in Magdeburg "Deutschland hat von all dem wenig"
Die Bundesregierung will Intel bei der geplanten Chip-Fabrik in Magdeburg mit Milliarden unterstützen. Angesichts der Krise des Konzerns hält ifo-Chef Fuest das für "fragwürdig".
Der US-Chiphersteller Intel steckt tief in den roten Zahlen und hat aufgrund hoher Kosten ein massives Sparprogramm angekündigt: Mindestens 15.000 Stellen sollen gestrichen werden und auch die Investitionen für die kommenden Jahre werden zurückgefahren.
Der geplante Bau der neuen Chipfabrik in Magdeburg ist offenbar nicht gefährdet. Intel hält an der Strategie fest, durch den Ausbau der Produktionskapazitäten in den USA und der EU Lieferketten widerstandsfähig zu machen. Trotzdem zeigen die Geschäftszahlen und die Stellenstreichungen, wie drastisch die Lage ist.
tagesschau.de: Setzt Deutschland mit seiner Subvention in Höhe von fast zehn Milliarden Euro auf das falsche Pferd der Branche?
Clemens Fuest: Die Chipbranche ist sehr kapitalintensiv, und die Nachfrage ist konjunkturabhängig. Es kommt häufig vor, dass Hersteller Investitionspläne ändern und Stellen abbauen müssen. Bei Intel kommt allerdings hinzu, dass die Firma in letzter Zeit dafür kritisiert wird, wichtige technologische Entwicklungen verschlafen zu haben. Vor diesem Hintergrund ist es zumindest fragwürdig, dass ausgerechnet Intel in Magdeburg so hohe Subventionen bekommt.
Clemens Fuest ist Präsident des ifo Instituts und Professor für Volkswirtschaft an der LMU München. Zuvor war er Professor für Unternehmensbesteuerung an der Universität Oxford und leitete das dortige Centre for Business Taxation. Seine Schwerpunkte sind Finanzwissenschaft und Arbeitsökonomik.
Absicherung von Lieferrisiken grundsätzlich sinnvoll
tagesschau.de: Auf der einen Seite Subventionen abgreifen und auf der anderen Seite so massiv Stellen streichen - geht das überhaupt zusammen?
Fuest: Bei den Subventionen an Intel geht es nicht darum, Arbeitsplätze zu schaffen. Gemessen an der Zahl der Arbeitsplätze wären die Subventionen viel zu hoch. Die Subventionen werden mit dem Ziel begründet, sich gegen Lieferrisiken abzusichern - beispielsweise im Fall einer Verschärfung des Konflikts zwischen China und Taiwan. Hier muss man kritisch fragen, ob das Ziel erreicht wird und der sehr hohen Subvention entsprechender Nutzen für Deutschland gegenübersteht.
"Sinnvolles Verhältnis" erforderlich
tagesschau.de: Die Absicherung gegen Lieferrisiken sei keine Aufgabe des Staates, es gebe zu viele offene Fragen, das Ganze sei ein Signal der Schwäche an die Welt, es gebe bessere Alternativen für Investitionen - und und und: Schon im Sommer 2023 hatten zahlreiche Ökonomen die Intel-Subvention scharf kritisiert. Ist das jetzt die Spitze des Eisbergs?
Fuest: Absicherung gegen Lieferrisiken kann durchaus staatliche Eingriffe erfordern, allerdings kann sie private Absicherungsbemühungen auch verdrängen. Kosten und Absicherungseffekt müssen in einem sinnvollen Verhältnis zueinander stehen. Dass das erfüllt ist, kann man bezweifeln. Im Krisenfall könnte Intel seine in Magdeburg hergestellten Chips meistbietend auf dem Weltmarkt verkaufen. Für Deutschland wird keine wirkliche Versicherung gegen Lieferrisiken erreicht.
tagesschau.de: Intel fehlt ein konkurrenzfähiger KI-Chip, um dem Weltmarktführer Nvidia Paroli bieten zu können. Gleichzeitig sinkt die Nachfrage nach Prozessoren für klassische Server. Zur Strategie von Intel-Chef Pat Gelsinger für das Überleben des Konzerns gehört daher auch, stärker zum Auftragsfertiger für andere Chip-Entwickler zu werden. Welchen Mehrwert hat Intel dann überhaupt für Deutschland?
Fuest: Subventionen könnte man rechtfertigen, wenn Intel hier neue Technologien entwickeln würde, also in großem Umfang Forschung nach Magdeburg bringen würde. Das ist aber nicht geplant. Deutschland hat von all dem wenig.
Auch Subventionen für TSMC wohl nicht zu rechtfertigen
tagesschau.de: In Dresden beginnt Ende August der Bau der neuen TSMC-Chipfabrik, die wohl ebenfalls mit fünf Milliarden Euro subventioniert wird. Sind die Gegebenheiten dort anders oder würden Sie die staatliche Unterstützung für das Werk ähnlich stark kritisieren?
Fuest: Auch in diesem Fall muss man zwei Fragen stellen: Wird in Dresden in größerem Umfang Forschung und Entwicklung angesiedelt? Sichert diese Ansiedlung die deutsche Wirtschaft im Krisenfall gegen Lieferprobleme auf eine Weise ab, die private Absicherung nicht leistet, oder könnte TSMC auch im Fall einer Lieferkrise seine Produkte meistbietend auf dem Weltmarkt verkaufen? Ich fürchte, die Antworten auf diese Fragen fallen so aus, dass die Subvention nicht zu rechtfertigen ist.
Das Interview führte Till Bücker, ARD-Finanzredaktion.