Zahlen der EU-Kommission Nur 40 Prozent der Firmen haben Russland verlassen
Trotz des Angriffs auf die Ukraine sind weiterhin etwa 60 Prozent der internationalen Konzerne in Russland aktiv. Unter ihnen sind auch einige deutsche Unternehmen - die unterschiedlich argumentieren.
Ein Großteil der ausländischen Investoren macht nach Angaben der EU-Kommission trotz des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine noch Geschäfte in Russland. Nur gut 40 Prozent der internationalen Firmen haben sich danach entschlossen, das Land zu verlassen, oder setzten dies bereits in die Tat um, wie sich aus einer Antwort der EU-Kommission auf eine Anfrage des Europaabgeordneten Moritz Körner ergibt. Die Brüsseler Behörde stützt sich dabei auf Daten der Yale Management School und des ukrainischen KSE Instituts.
216 Konzerne auf "Liste der Schande"
Den Angaben zufolge sind etwa die deutschen Firmen Stada und Fresenius noch in Russland tätig. Das Pharmaunternehmen und der Gesundheitskonzern hatten das in der Vergangenheit mit der medizinischen Versorgung der Menschen vor Ort begründet. "Jedes europäische Unternehmen, das weiterhin Gewinne in Russland macht, unterstützt mit seinen Steuern an den russischen Staat direkt die Putin'sche Kriegsmaschinerie", sagte Körner. Allein die Gewinnsteuer der 262 deutschen Betriebe in Russland beliefen sich im vergangenen Jahr auf 402 Millionen Dollar.
Die EU müsse ihr Sanktionsregime entsprechend nachschärfen, forderte der FDP-Politiker. "Der Verbleib europäischer Unternehmen am russischen Markt muss zu einem wirtschaftlichen Verlustgeschäft gemacht werden." Die EU werde der Ukraine weiterhin entschlossenen politischen, finanziellen, humanitären und militärischen Beistand gegen den brutalen Angriffskrieg Russlands leisten, hieß es seitens der EU-Kommission.
Die renommierte Yale-Universität führt eine sogenannte "Liste der Schande", die ebenfalls eine hohe Anzahl an Unternehmen zeigt, die in Russland weitermachen wie vor der Invasion und Milliardenprofite erzielen. 216 Konzerne werden in der entsprechenden Kategorie F aufgeführt. Darunter befinden neben zahlreichen chinesischen Firmen, Airlines oder der italienischen Großbank UniCredit auch weitere deutsche Unternehmen - wie der Landmaschinen-Hersteller Claas, der Stahlproduzent Salzgitter oder der Duft- und Aromenhersteller Symrise.
Rückzug westlicher Firmen aus Russland sehr komplex
Auch in russischen Filialen von Elektronikketten, Supermärkten oder Fachgeschäften sind weiterhin deutsche Produkte zu finden, wie eine SWR-Recherche jüngst ergab. So erklärte die Firma Bosch, sie exportiere zwar keine Hausgeräte mehr nach Russland. Allerdings würden noch "verbliebene Restbestände aus Lagern vor Ort verkauft" werden. Ein ähnliches Bild zeigt sich offenbar in russischen Supermärkten: Auch dort seien die Regale voller Produkte "Made in Germany", berichtet der SWR.
Den Recherchen zufolge sind noch weitere deutsche Marken in Moskauer Geschäften weiterhin verfügbar - unter anderem aus dem Bekleidungs- und Sportbereich. Auch die meisten Autohäuser, in denen Modelle von VW, BMW und Mercedes Benz verkauft werden, haben ganz normal geöffnet. Viele Unternehmen argumentieren, dass die Moskauer Filialen mittlerweile rechtlich zu russischen Firmen gehören oder russische Händler noch alte importiere Produkte verkaufen. Andere verweisen darauf, dass Lieferstopp für die Bevölkerung von Russland letztlich nicht diejenigen treffen würde, die für den Krieg verantwortlich seien.
Dazu kommt, dass ein Rückzug westlicher Firmen aus dem Land sehr komplex ist. So gibt es rechtliche Hürden für nicht-russische Konzerne, die mit ihren Aktivitäten im Land eigentlich abschließen wollen. Neben Genehmigungen für potenzielle Investoren drängen russische Behörden die Unternehmen laut Insidern, ihre zum Verkauf gestellten Aktivitäten mit deutlichen Abschlägen zu bewerten. Das sorgt bei den Unternehmen für teils milliardenschwere Abschreibungen. Dazu kommt, dass es wenig Nachfrage außerhalb von Russland gibt.