Kooperation mit Rivian Volkswagen startet Allianz mit Tesla-Rivalen
Nun ist es offiziell: Volkswagen holt sich für Auto-Software der nächsten Generation Hilfe vom US-Elektroautobauer Rivian. Dafür stockt der Konzern seine Investition in ein Gemeinschaftsunternehmen noch einmal auf.
Volkswagen hat die Partnerschaft mit dem US-amerikanischen Tesla-Herausforderer Rivian besiegelt. Bereits 2027 sollen die ersten Fahrzeuge auf Basis der neuen Elektro-Architektur anrollen, wie Konzernchef Oliver Blume zum Start des Gemeinschaftsunternehmens im kalifornischen Palo Alto ankündigte.
Die Investition in das Projekt stockte der kriselnde Autobauer dafür noch einmal auf: 5,8 Milliarden Euro wollen sich die Wolfsburger die Zusammenarbeit kosten lassen, 800 Millionen mehr als bisher geplant. Mit dem Gemeinschaftsunternehmen soll VW Zugriff auf die Elektro- und Softwarearchitektur der Amerikaner erhalten. Dadurch erhofft sich der Konzern einen Durchbruch bei der Software für neue Elektroautos.
Softwareprobleme verzögerten Modellanläufe
Bereits Ende Juni hatten die beiden Unternehmen die Kooperation angekündigt, im Juli gab das Bundeskartellamt schließlich seine Zustimmung. Bei der Zusammenarbeit geht es um Software, Steuercomputer sowie Netzwerk-Architektur. Der Plan sieht ein Gemeinschaftsunternehmen vor, in dem für beide Hersteller entwickelt werden soll und das sie zu gleichen Teilen führen. Basis soll die bestehende Elektronik-Architektur von Rivian sein, die weiterentwickelt werde.
Neue Elektroautos von VW sollen dann nach und nach auf Rivians Technologie und Software umschwenken. Die ersten Modelle mit der neuen Technik sollten 2027 anlaufen, sagte Blume. "Wir starten mit Volkswagen, dann Audi, Scout, Porsche, und danach kommen allen anderen Marken." Dabei gehe es um alle Fahrzeugklassen, vom Kleinstwagen bis hin zu Luxusautos und Sportwagen. Das werde große Stückzahlen und sinkende Kosten ermöglichen. Zum Einsatz kommen werde die Rivian-Technik aber nur bei Elektroautos.
Seit Jahren haben die Wolfsburger mit Problemen bei der hauseigenen Software-Entwicklung zu kämpfen, immer wieder kam es zu Verzug. Die Schwierigkeiten bei der Software-Tochter Cariad sorgten bereits für verzögerte Modellstarts, zum Teil um mehrere Jahre. Rivian entwickelte von Anfang an eine eigene Architektur, in der die Auto-Elektronik in mehrere Zonen mit eigenen Computern aufgeteilt wird und die dadurch mit deutlich weniger Steuergeräten auskommt. Inzwischen ist dort bereits die zweite Generation der Plattform im Einsatz.
Deutliche Einsparungen erwartet
Schon heute soll das neue Gemeinschaftsunternehmen seinen Betrieb aufnehmen. Seinen Sitz wird es in Palo Alto im US-Bundesstaat Kalifornien haben, weitere Standorte in Europa und Nordamerika sind geplant. Der Großteil des Teams werde von Rivian kommen, hinzu kämen einige Kollegen von Volkswagen, sagte der Gründer und Chef des US-Partners, RJ Scaringe. Die Doppelspitze bilden der Rivian-Manager Wassym Bensaid und Carsten Helbing von VW.
Von den bis zu 5,8 Milliarden Dollar, die Europas größter Autobauer für das Projekt ausgeben will, entfallen 3,5 Milliarden Dollar auf Rivian-Anteile. Daneben sollen 2,3 Milliarden Dollar in das neue Gemeinschaftsunternehmen fließen, davon eine Milliarde als Darlehen. Bisher war von drei Milliarden Dollar für den Rivian-Einstieg und zwei Milliarden für das Gemeinschaftsunternehmen die Rede gewesen. VW stockte beide Summen noch einmal auf - vor allem deswegen, weil mehr Autos die neue Software bekommen sollen als ursprünglich geplant.
Die Wolfsburger versprechen sich von der Software-Zusammenarbeit deutliche Einsparungen. Finanzchef Arno Antlitz sagte, das Investitionsvolumen werde durch niedrigere Kosten in dem Gemeinschaftsunternehmen und künftige Einsparungen in der Investitionsplanung wettgemacht. Das spiegele sich darin wider, dass das Investitionsvolumen für die Planungsrunde 2025 bis 2029 auf 165 Milliarden Euro worden gesenkt sei. Cariad werde derweil auch künftig eine zentrale Rolle im VW-Konzern spielen, sagte Blume, und unter anderem für das Thema Autonomes Fahren zuständig sein.
Rivian schreibt tiefrote Zahlen
Für Rivian ist der Deal eine höchst willkommene Geldspritze. Die 2009 gegründete Firma schreibt nach wie vor rote Zahlen und hat aktuell mit sinkendem Interesse an Elektroautos in den USA zu kämpfen. "Sicherlich sichert diese Partnerschaft und dieser Deal für uns das Kapital", das für den weiteren Hochlauf der eigenen Produktion benötigt werde, sagte Rivian-Chef Scaringe.
Im vergangenen Quartal lieferte Rivian rund 10.000 Fahrzeuge aus, machte dabei 874 Millionen Dollar Umsatz und 392 Millionen Dollar Verlust. Der VW-Konzern kam im selben Zeitraum auf fast 2,2 Millionen Auslieferungen, 78,5 Milliarden Euro Umsatz und verbuchte trotz eines massiven Gewinneinbruchs nach Steuern noch einen Überschuss von 1,58 Milliarden Euro.
Rivian ist in zwei der in den USA populären Fahrzeug-Kategorien aktiv, baut große SUVs und Pickups. Außerdem produziert Rivian für Amazon elektrische Lieferwagen, die inzwischen auch in Europa zu sehen sind. Der weltgrößte Online-Händler ist ebenfalls ein Investor. Mit dem Geld von VW will Rivian die Entwicklung des billigeren und kleineren R2-Geländewagens finanzieren, der 2026 auf den Markt kommen soll.