Sparpläne der Autokonzerns Welche VW-Standorte besonders bangen müssen
Volkswagen tut sich schwer mit dem Umbruch hin zur Elektromobilität: Die Auslastung der Fabriken ist schlecht, die Kosten sind zu hoch. Der Konzern plant harte Sparmaßnahmen. Welches Werk könnte es treffen?
Wenn der VW-Konzern ein Lebewesen wäre, dann wäre Wolfsburg das Herz. Die Fabriktürme und das große VW-Logo sind schon von weitem sichtbar, zum Schichtwechsel sind die Straßen voller Volkswagen-Arbeiter. Fast jeder in der Stadt hat irgendeine Verbindung zum Konzern.
Aber in den vergangenen Jahren ist das Herz aus dem Takt geraten, messbar an gestrichenen Nachtschichten und verschobenen Modellanläufen. Und an einer viel zu geringen Auslastung: 800.000 Autos wurden in Wolfsburg zu Spitzenzeiten gebaut. 490.000 waren es im vergangenen Jahr.
Wolfsburg: Schließung undenkbar - Jobverluste nicht
Dass der Konzern aber diesen Standort, sein Herz, in Zweifel zieht - undenkbar. Dass dort in Zukunft sehr viel weniger Menschen arbeiten werden - sehr wohl denkbar. 40.000 der 70.000 Beschäftigten in Wolfsburg arbeiten in der Verwaltung. Die Unternehmensspitze hat bereits vor Monaten angekündigt, dass 20 Prozent der Personalkosten in diesem Bereich eingespart werden sollen.
Die 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Produktion wiederum bauen aktuell den Golf, den Tiguan und den Touran - allesamt Verbrenner. Ursprünglich sollte in diesem Jahr auch das Elektromodell ID.3 vom Band laufen - aber weil die Nachfrage fehlt, wurden die Pläne auf Eis gelegt.
Zwischen Elektro-Antrieben und Verbrenner-Produktion
Ein Blick auf die weiteren Standorte der Marke VW in Deutschland zeigt vor allem eins: Der Konzern steckt mitten im größten Wandel seiner langen Geschichte, baut hier noch Verbrenner und dort schon E-Autos und anderswo beides.
In Hannover wird noch der VW-Bus T6 gebaut, aber auch schon der elektrische ID.Buzz. In Emden wird als letzter verbliebener Verbrenner noch der Arteon Kombi gefertigt, aber ebenfalls die E-Modelle ID.4 und ID.7.
Volkswagen hat viel Geld in die Hand genommen, um den Standort Emden mit seinen 8000 Beschäftigten auf E-Mobilität umzurüsten. Aber auch dort ist das Werk längst nicht voll ausgelastet, ebenso wenig in Hannover. Rund 1000 Leiharbeiter bekamen daher an den beiden Standorten keine Anschlussverträge mehr und Nachtschichten wurden gestrichen. Das sorgt für Unsicherheit bei den Beschäftigten.
Karte: Deutschland mit VW-Werk-Standorten und Beschäftigtenzahlen.
Volles Risiko auf E-Mobilität in Zwickau
Auch in Zwickau und im Motorenwerk in Chemnitz machen sich die Beschäftigten Sorgen. Zwickau ist das erste vollständig auf E-Mobilität umgerüstete VW-Werk - und jetzt bei weitem nicht ausgelastet. Hier werden die Elektromodelle ID.3 und ID.4 gefertigt.
Der eigentliche Plan für Zwickau war: Die ID.3-Produktion, die das Werk dort nicht schafft, wird ab 2024 ergänzend in Wolfsburg gemacht. Aber von übervollen Auftragsbüchern ist man derzeit ganz weit entfernt. Und beim ID.4 stellt so mancher schon die Frage, wie lange er noch im nicht ausgelasteten Werk in Zwickau und auch im ebenfalls nicht ausgelasteten Werk in Emden gebaut wird.
Zukunft des Standorts Osnabrück ungewiss
Der Wandel - auch in Braunschweig, Kassel und Salzgitter ist er in vollem Gange. In Salzgitter werden noch Motoren gebaut, und in Kürze soll die erste Batteriezellfabrik ihre Arbeit aufnehmen. In Kassel werden die Antriebe für E-Motoren und Leichtmetallteile produziert, in Braunschweig verschiedene Komponenten, unter anderem Batteriesysteme.
Am meisten Sorgen machen sich aktuell wohl die 2.300 Beschäftigten am kleinsten VW-Standort in Niedersachsen, in Osnabrück. Sie bauen die Porsche-Modelle Cayman und Boxster und das T-Roc Cabrio - und eigentlich ist vorgesehen, dass sie in Zukunft die elektrische Porsche-Version produzieren. Ob es dabei bleibt oder ob die Pläne - wie beim ID.3 in Wolfsburg - geändert werden, kann niemand mit Gewissheit sagen.
Klar ist dagegen, dass sich das Land Niedersachsen und der VW-Betriebsrat mit aller Macht gegen Standortschließungen wehren werden - innerhalb Niedersachsens, aber auch darüber hinaus. Mit ihr werde es keine Werksschließungen geben, hat die Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo in den vergangenen Tagen wiederholt betont. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) erwartet von VW ebenfalls, alle Standorte zu sichern.
Experte: Werksauslastung nur bei 70 Prozent
Experten fürchten aber, dass es ganz ohne Schließungen möglicherweise nicht gehen könnte. Am stärksten gefährdet ist nach Ansicht von Frank Schwope, Dozent für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands in Hannover, die gläserne Manufaktur in Dresden. Allerdings arbeiten in dem reinen E-Mobilitäts-Werk auch nur noch gut 300 Beschäftigte. Abgesehen von der Marke VW steht im Konzern auch das Audi-Werk in Brüssel vor dem Aus, wo es kein Nachfolgemodell für den Audi Q8 gibt.
Schwope schätzt, dass die VW-Fabriken im Schnitt nur zu rund 70 Prozent ausgelastet sind. Das belastet das Konzernergebnis. Jahrzehntelang hat unter anderem das starke Chinageschäft die maue Rendite der Marke VW ausgeglichen, aber diese Einnahmequelle sprudelt deutlich weniger als früher.
Sorgen nicht nur im VW-Konzern
Wie geht es jetzt weiter? Nach dem Säbelrasseln der vergangenen Tage werden jetzt gemeinsame Gespräche folgen müssen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat bei seinem Besuch im VW-Werk Emden die klare Erwartung formuliert, dass Unternehmen und Arbeitnehmervertretung zu einem "gemeinsamen Ergebnis" kommen müssten.
Das Land werde gerne unterstützen, es gebe ein großes Interesse an einer positiven Entwicklung von VW in Niedersachsen, aber auch über die Landesgrenzen hinaus, sagte Weil. "Da machen wir nicht den großen Unterschied."
Klar ist auch: An der Beschäftigung in den allermeisten VW-Werken hängen ganze Regionen, die von der Wertschöpfung profitieren. Nicht nur bei Volkswagen wird also gebangt, wenn es um harte Einschnitte geht.