Martin Winterkorn

Hauptverfahren soll Klärung bringen Ab wann wusste Winterkorn vom Dieselbetrug?

Stand: 03.09.2024 08:07 Uhr

Neun Jahre nach Bekanntwerden des millionenfachen Dieselbetrugs bei VW steht erstmals der damalige Vorstandschef Winterkorn vor Gericht. Ob der Prozess mehr Licht ins Dunkel des Abgasskandals bringt?

Auch neun Jahre nach dem Auffliegen des VW-Dieselbetrugs ist die Frage nach der Verantwortung in der Wolfsburger Konzernzentrale weiter offen. Der ehemalige Volkswagen-Vorstandschef Martin Winterkorn hatte zwar kurz nach dem Bekanntwerden im September 2015 seinen Chefsessel geräumt.

Von dem großangelegten Betrug habe er aber nichts geahnt, hatte Winterkorn im Laufe der Jahre immer wieder betont. Ein aufwändiges Gerichtsverfahren soll nun klären, zu welchem Zeitpunkt der Ex-VW-Boss über die Manipulationen an Dieselautos Bescheid wusste.

Millionenfache Täuschung der Kunden

Über Jahre waren in Europa und den USA insgesamt mehr als neun Millionen Dieselfahrzeuge der Volkswagen-Marken VW, Audi, Skoda und Seat mit verbotener Abschalteinrichtung verkauft worden. Diese illegale Technik hatte dafür gesorgt, dass die Autos auf dem Teststand deutlich weniger Schadstoffe ausstießen als im Normalbetrieb auf der Straße.

Alexander Drost, NDR, über den Prozessbeginn gegen Ex-VW-Chef Winterkorn

tagesschau24, 03.09.2024 09:00 Uhr

Kunden und Behörden wurden von VW über Jahre bewusst getäuscht, so die Überzeugung der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Die illegale Abschalteinrichtung sei außerdem stetig weiterentwickelt und verfeinert worden, so der Vorwurf. 2015 kam der Betrug ans Licht. Seitdem hat die Dieselaffäre den VW-Konzern mehr als 32 Milliarden Euro gekostet.

Betrug, Marktmanipulation und Falschaussage

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig wirft dem inzwischen 77-jährigen Winterkorn gewerbs- und bandenmäßigen Betrug vor. Spätestens seit Mai 2014 soll er von den illegalen Manipulationen gewusst, diese aber absichtlich geheim gehalten haben.

Außerdem geht es um den Vorwurf der Marktmanipulation. Denn Vorstände börsennotierter Unternehmen sind verpflichtet, hohe finanzielle Risiken für den Konzern öffentlich zu machen, sobald sie davon erfahren. Auch wegen des Verdachts der Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags ist der ehemalige Manager angeklagt.

Winterkorn "keines Fehlverhaltens bewusst"

Winterkorn hat sämtliche Vorwürfe immer wieder entschieden zurückgewiesen. Bereits bei seinem Rücktritt im September 2015 ist er sich "keines Fehlverhaltens bewusst". Im September 2020 teilt sein Verteidiger mit, dass der Vorwurf der Marktmanipulation "aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht fundiert ist".

Auch als Winterkorn im Februar 2024 als Zeuge in einem großen VW-Zivilverfahren aussagte, zeigte er sich ahnungslos. Mehrfache Hinweise auf Probleme mit Dieselfahrzeugen in den USA habe er zwar zur Kenntnis genommen. Er sei aber von technischen Schwierigkeiten ausgegangen, so Winterkorn. Von einem Betrug habe er nichts geahnt.

Aufwändiges Verfahren erwartet

Gemeinsam mit vier anderen ehemaligen Managern und Ingenieuren sollte Winterkorn eigentlich schon vor drei Jahren vor Gericht stehen. Ein Gutachten hatte ihm damals aber bescheinigt, dass er nach mehreren Hüftoperationen nicht verhandlungsfähig sei. Das Verfahren wurde auf Eis gelegt.

Das Landgericht Braunschweig nennt das nun startende Winterkorn-Verfahren "außerordentlich umfangreich". In zunächst 89 Terminen bis Herbst kommenden Jahren soll der Dieselskandal erneut aufgearbeitet werden. Die Verhandlung gegen die vier anderen Angeklagten läuft parallel in Braunschweig weiter. Frühestens im Januar sollen die Urteile fallen.

VW-Konzern-Management bisher nicht belangt

Ihre Mitschuld am Abgasbetrug haben bisher der frühere Porsche-Entwicklungschef Wolfgang Hatz und der frühere Audi-Motorenentwickler Giovanni Pamino eingeräumt. In dem Betrugsprozess am Landgericht München hatten sie gestanden, den Einbau verbotener Software veranlasst zu haben. Beide wurden 2023 zu Geld- und Bewährungsstrafen verurteilt.

Ex-Audi-Vorstandschef Rupert Stadler hatte den Diesel-Betrug zwar nicht eingefädelt, aber nach dem Auffliegen den Verkauf der Autos nicht gestoppt. Dafür war er im Juni 2023 zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt worden. Ob und wie früh die oberste Volkswagen-Chefetage in den Diesel-Betrug verwickelt war, ist bis heute offen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 03. September 2024 um 08:00 Uhr.