Sonderzahlungen des Arbeitgebers Seltener Urlaubsgeld im Osten als im Westen
In Deutschland erhalten einer Umfrage zufolge lediglich 47 Prozent der Arbeitnehmer Urlaubsgeld. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen und auch Regionen sind dabei groß.
Nur knapp die Hälfte aller in der Privatwirtschaft Beschäftigten in Deutschland bekommt Urlaubsgeld. Wie das Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung heute mitteilte, erhalten dabei Beschäftigte in Ostdeutschland generell seltener Urlaubsgeld (34 Prozent) als Arbeitnehmer im Westen (49 Prozent). "Dieser Unterschied ist in erster Linie auf die deutlich geringere Tarifbindung im Osten Deutschlands zurückzuführen", erläuterte die Stiftung.
Ob Beschäftigte Urlaubsgeld empfangen, hängt laut der Auswertung einer Online-Befragung von fast 60.000 Menschen mit der Größe des Unternehmens sowie der Höhe des Bruttomonatslohns zusammen. Je mehr Menschen in einer Firma arbeiteten und je höher das Einkommen sei, desto größer sei die Chance auf die entsprechende Sonderzahlung. Gleichzeitig unterstrich das WSI, dass in größeren Unternehmen häufiger eine Tarifbindung bestehe und auch die Lohnhöhe wiederum in Beziehung dazu stehe.
In tarifgebundenen Unternehmen liegt der Anteil der Beschäftigten mit Urlaubsgeld bei 74 Prozent - und somit deutlich über dem Anteil in privaten Unternehmen ohne Tarifvertrag (35 Prozent). Für Deutschland insgesamt liegt die Quote bei 47 Prozent.
Vergleichsweise hohes Urlaubsgeld in der Metallindustrie
Wieviel Geld dann tatsächlich in der Urlaubs- oder Haushaltskasse landet, ist von Branche zu Branche sehr verschieden. Das WSI wertete 22 Tarifbranchen aus und kam auf Zahlungen zwischen 180 Euro für die Beschäftigten in der ostdeutschen Landwirtschaft und 2686 am oberen Ende für Angestellte in der westdeutschen Holz- und Kunststoffindustrie. Vergleichsweise viel Urlaubsgeld gibt es auch in der Metallindustrie, vergleichsweise wenig im Gastgewerbe.
Auch das gezahlte Urlaubsgeld ist im Westen höher als im Osten. Ausnahmen bildeten das Versicherungsgewerbe, die Chemische Industrie, die Druckindustrie und das Gebäudereinigungshandwerk, in denen jeweils in Ost- und Westdeutschland das gleiche Urlaubsgeld gezahlt wird.
"Ursprünglich war das seit den 1960er-Jahren in vielen Branchen eingeführte tarifvertragliche Urlaubsgeld dafür gedacht, um mehr Beschäftigten einen Jahresurlaub zu ermöglichen", sagte der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten. Zurzeit sei die Sonderzahlung für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eher ein Puffer, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten auszugleichen. Umso schlimmer sei es, "dass die Beschäftigten im Niedriglohnsektor einmal mehr zu den Verlierern gehören, da sie deutlich seltener in Unternehmen mit Tarifvertrag arbeiten und deshalb auch zumeist beim Urlaubsgeld leer ausgehen".
Urlaubsgeld vielfach erhöht
Allerdings hat sich das tarifliche Urlaubsgeld in Zeiten hoher Inflation dem WSI zufolge in vielen Bereichen erhöht. Dies gelte insbesondere für diejenigen Wirtschaftszweige, in denen es als ein bestimmter Prozentsatz der Tarifentgelte festgelegt wird. Hierzu gehören demnach im laufenden Jahr das Bauhauptgewerbe, die Eisen- und Stahlindustrie, der Einzelhandel, die Druckindustrie, das Gebäudereinigungs-Handwerk, die Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie, die Papier verarbeitende Industrie und auch das Versicherungsgewerbe
Die Anstiege des Urlaubsgeldes folgten demnach den allgemeinen Tariferhöhungen und lagen überwiegend zwischen 1,6 und 2,5 Prozent. Den höchsten Zuwachs beim Urlaubsgeld gab es mit 6,5 Prozent in der Eisen- und Stahlindustrie sowie mit 8,7 Prozent im Gebäudereinigungs-Handwerk. Die Höhe des tarifvertraglich vereinbarten Urlaubsgeldes fällt je nach Branche sehr unterschiedlich aus: Zwischen 180 und 2686 Euro bekommen Beschäftigte in der mittleren Vergütungsgruppe dieses Jahr.
Hintergrund der Zahlen ist eine Umfrage des Portals "Lohnspiegel.de", welches vom WSI betreut wird. Zwischen Mai 2022 und April 2023 wurden die Angaben von 59.215 Beschäftigten ausgewertet, die an einer kontinuierlichen Online-Erhebung teilgenommen haben. "Die Umfrage ist nicht repräsentativ, erlaubt aber aufgrund der hohen Fallzahlen detaillierte Einblicke in die Arbeitswelt", erklärte das Institut. Beschäftigte des öffentlichen Dienstes seien nicht berücksichtigt worden, da bei ihnen das Urlaubs- und Weihnachtsgeld seit der Tarifreform des Jahres 2005 in einer einzigen Jahressonderzahlung zusammengefasst worden seien.