Adventsbeleuchtung in Städten Energiesparen im Lichtermeer?
Die Bundesregierung ruft die Bürger zum Stromsparen auf, doch Deutschlands Innenstädte sind im Advent hell erleuchtet. Wie passen Energiekrise und Weihnachtsgeschäft zusammen?
116 Meter ragt das Wahrzeichen der Stadt in die Höhe. Das Freiburger Münster mit seinem rotbräunlichen Buntsandstein ist ein Touristenmagnet und auch vom nahegelegenen Weihnachtsmarkt für die Besucher der badischen Metropole gut zu sehen. Im Gegensatz zu vielen anderen Attraktionen im Land wird die Kirche auch in Zeiten der Energiekrise beleuchtet: mit sparsamen LED-Birnen.
Es leuchtet erst vier Stunden später
Auch auf dem Freiburger Weihnachtsmarkt ist auf dem ersten Blick nichts von Energieeinsparungen zu spüren. Es leuchtet und glitzert. Weil die Veranstalter schon vor Jahren Schritt für Schritt alte Leuchtmittel gegen effiziente LED-Technik eingetauscht haben, sei der Stromverbrauch gering.
Veranstalter Thomas Barth spricht von rund 12.000 Kilowattstunden, die der Weihnachtsmarkt im Jahr für die Beleuchtung benötigt. "Wegen der Energiekrise mussten wir schauen, wo wir noch mehr Einsparungen erzielen können", so Barth. "Wir starten deswegen in diesem Jahr die Weihnachtsbeleuchtung vier Stunden später. Statt ab 10 Uhr erst ab 14 Uhr. Damit sparen wir 30 Prozent des Stromverbrauchs ein." Auf die Idee eines späteren Beleuchtungsstarts sei man erst durch die Energiekrise gekommen. Die spätere Beleuchtung soll nun dauerhaft beibehalten werden.
LED-Technik senkt den Verbrauch
Demian Traber betreibt auf dem Freiburger Weihnachtsmarkt einen Bratwurst- und einen Glühwein-Stand. Im vergangenen Jahr, als der Weihnachtsmarkt nach sechs Tagen wegen der Corona-Pandemie geschlossen wurde, verlor er rund 10.000 Euro. Personalmangel und Inflation bereiten dem Schausteller in diesem Jahr zusätzlich Probleme. Viele seiner Kollegen stehen wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand.
Nach den ersten knapp zwei Wochen ist Glühwein-Verkäufer Traber aber "sehr zufrieden". Der Markt werde gut besucht. Zwar gebe es vereinzelt Beschwerden über die hohen Preise - Glühwein und Bratwurst kosten jeweils vier Euro -, "solche Beschwerden gibt es aber jedes Jahr", sagt der erfahrene Schausteller. Seine Stände hat Traber schon vor Jahren auf LED-Technik umgestellt und seinen Stromverbrauch reduzieren können. Energiesparen habe aber auch Grenzen: "Ich kann meine Bratwurst nicht auf halber Flamme grillen."
Für den Handel hat das Weihnachtsgeschäft von jeher eine große Bedeutung. Einzelne Branchen machen in der kalten Jahreszeit einen Großteil ihres Jahresumsatzes. "Nach zweieinhalb Jahren Dauerkrise und damit einhergehenden Umsatzeinbußen ist das diesjährige Weihnachtsgeschäft natürlich überaus wichtig. Viele Händlerinnen und Händler sind dringend auf starke Umsätze angewiesen", sagt Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann vom Handelsverband Baden-Württemberg. Weihnachtliche Beleuchtung sei für Stimmung und Atmosphäre in den Innenstädten von großer Bedeutung.
Weniger Deko, abgesenkte Heiztemperatur
Beim Einkaufszentrum "Das Gerber" in der Stuttgarter Innenstadt bleibt wegen der Energiekrise in diesem Jahr die Außenbeleuchtung größtenteils ausgeschaltet. Neu gekaufte Weihnachtsbeleuchtung, etwa ein großer Lichtervorhang, wird erstmal eingemottet. "Im Innenbereich setzen wir auf LED", so Center-Manager Guido Reuter. Auf weihnachtliche Deko wolle man nicht verzichten.
"Wir möchten auch in diesem Jahr unseren Besuchern eine schöne und festliche Weihnachtsstimmung bieten", sagt auch der Manager des Einkaufszentrums Milaneo in Stuttgart, Dirk Keuthen. Die Vorweihnachtszeit sei für die Geschäfte im Einkaufszentrum die umsatzstärkste Zeit des Jahres. Statt komplett auf Weihnachtsdeko zu verzichten, reduziere man in diesem Jahr die Dekoration.
"Nach Geschäftsschluss wurde die Zeit, bis die Beleuchtung in den Nachtmodus wechselt, ebenfalls erheblich verkürzt", so Keuthen. Beide Manager betonen jedoch: Der weitaus größere Einspareffekt werde durch Anpassungen der Klima- und Heiztechnik erzielt, etwa durch Absenkung der Temperatur.
Jahresstromverbrauch eines Privathaushaltes
"Jeder kleine Beitrag beim Energiesparen hilft und ist deshalb in der aktuellen Situation zu begrüßen", heißt es vom Energiekonzern EnBW. Einsparungen von rund 4000 Kilowattstunden (kWh) wie auf dem Freiburger Weihnachtsmarkt entsprechen laut EnBW immerhin dem Stromverbrauch eines Privathaushalts von mehr als einem Jahr.
"Die Netzbetreiber gehen auch beim Strom in diesem Winter von einer angespannten Versorgungssituation aus. Das liegt unter anderem an der Lage in den Nachbarländern und welche Kraftwerkskapazitäten in Europa insgesamt in diesem Winter zur Verfügung stehen", so der Versorger. Zudem werde auch Gas für die Stromerzeugung eingesetzt. Reduziere man den Stromverbrauch, schaffe das auch Entlastung auf dem Gasmarkt. Jede eingesparte Kilowattstunde helfe.
Neu-Isenburg will Vorbild sein
Deutlich radikaler als Freiburg und Stuttgart geht die hessische Kommune Neu-Isenburg das Thema Stromsparen an. Auf den traditionellen Weihnachtsschmuck in den Straßen wird in diesem Jahr ganz verzichtet. Die 111 Weihnachtssterne, die in den Vorjahren die Straßen beleuchteten, verbrauchen zu viel Strom - jeweils rund 120 Watt. "Die Energieeinsparung für einen Zeitraum von circa sechs Wochen beträgt rund 12.000 kWh", rechnet Bürgermeister Dirk Gene Hagelstein vor. Die so eingesparten Energiekosten liegen bei rund 3000 Euro.
Einen neuen, sparsameren Untergrund gibt es für die Schlittschuhfahrer: Statt einer Eisbahn aus Echteis wird in diesem Jahr eine Kunststoffeisbahn aufgebaut. Die verbrauche keinen Strom, und man spare im Vergleich zu den Vorjahren rund 22.000 kWh an Energie. "Wir haben als Kommune eine Vorbildfunktion. Bei dem Verzicht auf die Weihnachtsbeleuchtung waren nicht nur die eingesparten Kilowattstunden entscheidend, sondern auch das Zeichen, das wir damit setzen", sagt Bürgermeister Hagelstein.
Eine erste Auswertung der Bundesnetzagentur zeigt, dass Deutschland beim Stromsparen offenbar auf einem guten Weg ist: Der Stromverbrauch im Jahr 2022 liege seit Juni 2022 niedriger als in den jeweiligen Monaten des Jahres 2021. "In manchen Monaten näherte sich der monatliche Stromverbrauch dem Niveau des Corona-Jahres 2020 an", so die Bundesnetzagentur.