Ein älteres Ehepaar geht in Berlin spazieren.

Altersarmut Armutsrisiko Wohnen

Stand: 13.01.2025 13:30 Uhr

Die Mieten in Deutschland steigen und steigen, und auch Wohneigentum wird immer teurer. Experten warnen, dass das besonders die älteren Generationen massiv treffen wird.

"Gehen wir mal nach oben. Da kommt jetzt mein Bereich", sagt Juliette Küsters und geht die Treppe hoch. "Hier ist mein Wohnzimmer. Klein aber fein. Nach meinem Geschmack eingerichtet. Ich bin hier glücklich", erzählt die 69-Jährige. Juliette Küsters wohnt im Haus von Romain Thies in Rodershausen in der Eifel. Die beiden sind eine ganz besondere Zweckgemeinschaft.  

Romain Thies und Juliette Küsters sind kein Paar, wohnen aber trotzdem zusammen - er im Erdgeschoss, sie im ersten Stock. Beide putzen ihr Stockwerk, gekocht wird gemeinsam in der Küche. Sie hilft, das Haus in Schuss zu halten. Im Laufe der Jahre hat Küsters Teile des Gebäudes mit renoviert. Außerdem geht sie dem 71-Jährigen im Haushalt zur Hand.

Da Thies nach einem Unfall in der Kindheit weder Lesen noch Schreiben kann, hilft sie ihm auch bei behördlichem Papierkram. "Ich bezahle keine Miete, sondern nur Nebenkosten. Meine Hilfe rund um das Haus ist der Ausgleich", erzählt Küsters. "Ich spare Geld, Julia spart Geld. Wir tun unsere Arbeit zusammen und ergänzen uns so auch", erklärt Romain Thies zufrieden.  

Mieten werden auch auf dem Land unbezahlbar

Früher arbeitete Thies als Rangierer bei der Bahn in Luxemburg. Vor elf Jahren kaufte er das damals renovierungsbedürftige Haus. Juliette Küsters wohnt inzwischen seit sieben Jahren dort. Sie war früher selbstständig als Hauswirtschafterin und Kinderbetreuerin. Jetzt bekommt sie rund 1.200 Euro Rente im Monat. Selbst auf dem Land wird ein solch niedriges Einkommen immer mehr zu einem Problem.

"Unter 800 Euro läuft bei Mietwohnungen in der Region nichts. Dann könnte ich mir nichts mehr leisten - kein Auto, kein Urlaub und auch sonst kaum noch etwas. Inzwischen fahre ich nur noch ein kleines Auto. Ohne Pkw ist man hier in der Region aufgeschmissen", so Küsters. "Deine Autos werden im Laufe der Jahre immer kleiner. Das nächste ist dann ein Rollator", scherzt Thies und lacht. "Da zahlst du wenigstens auch keine Versicherung mehr und sparst Geld." 

 

Neue Studie warnt vor wachsender Altersarmut

Das Beispiel aus der Eifel zeigt einen langfristigen Trend in Deutschland: Für immer mehr Menschen wird die Miete auch außerhalb der Ballungsräume immer schwerer zu bezahlen. Das gelte zunehmend auch für Senioren, so die aktuelle Studie "Wohneigentum in Deutschland". Die Untersuchung hat das Pestel Institut im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) durchgeführt, sie wurde heute auf der Messe "BAU 2025" in München vorgestellt.

"Steigende Mieten drängen mehr und mehr ältere Menschen in die Altersarmut", sagt Pestel-Chefökonom Matthias Günther. Die BDB-Präsidentin Katharina Metzger fordert deshalb: "Deutschland braucht mehr Sozialwohnungen, mehr bezahlbare Mietwohnungen, aber auch mehr Wohneigentum."

Die Experten vom Pestel Institut kritisieren die bisherige Regierungspolitik. Von "politischem Versagen" spricht Günther. "Für Durchschnittsverdiener ist die Chance auf Wohneigentum heute gleich Null. Die Enttäuschung der Menschen darüber ist enorm." Der Bund habe eine effektive Förderung von Wohneigentum versäumt, dabei müsse das künftig ein fester Baustein der Altersvorsorge werden. "Insbesondere älteren Menschen wächst die Miete schnell über den Kopf: Wer in Rente geht, den trifft oft der Mieten-Schock. Für viele Seniorenhaushalte wird die Miete zur K.o.-Miete. Oder anders gesagt: Altersarmut ist Mieterarmut", so Günther.

 

Langfristige Planbarkeit gefordert

Laut Studie gibt es aber auch Probleme bei jüngeren Bevölkerungsgruppen: "Die meisten der 25- bis 45-Jährigen wohnen heute zur Miete. Der Staat hat aus ihnen quasi eine komplette Miet-Generation gemacht", so Günther. Die Wissenschaftler des Pestel Instituts haben deshalb einen Forderungskatalog aufgestellt.

Unternehmen und Bürger bräuchten vor allem wieder Verlässlichkeit für langfristige Bau- und Finanzierungsvorhaben. "Wer sich bis an die Grenze des Machbaren verschuldet, der will kein Risiko - keine Überraschungen durch zusätzliche Klimaschutzauflagen zum Beispiel. Denn die Menschen können nicht fünf oder zehn Jahre nach einem Immobilienkauf schon wieder kräftig investieren, etwa in eine neue Heizung oder zusätzliche Dämmung", so BDB-Präsidentin Metzger.

Kosten für Bauherren zu hoch

Zudem müsse es eine effektive Förderung geben. Der Staat habe sein Engagement hier heruntergefahren. "Der soziale Wohnungsbau war ursprünglich - von den 50er- bis in die 80er-Jahre - zu rund 40 Prozent Wohneigentumsförderung. In diese Richtung muss es jetzt wieder gehen", sagt Günther vom Pestel Institut. Konkret solle es etwa ein Darlehen mit niedrigem, etwa auf zwei Prozent dauerhaft festgeschriebenem Zins geben.

Auch die Grunderwerbsteuer solle gestrichen werden, wenn die Immobilie selbst genutzt werde. Diese liege derzeit bei zu 6,5 Prozent. Das sei eine erhebliche Finanzierungshürde für viele Menschen.  

Die hohen Finanzierungskosten schreckten ab, so das Pestel-Institut - immer weniger Menschen wohnten in den eigenen vier Wänden. Die Eigentumsquote in Deutschland liege derzeit bei unter 44 Prozent - der niedrigste Wert seit 15 Jahren. Die Tendenz sei weiter rückläufig: Die Zahl der Haushalte, die im Eigenheim oder in einer Eigentumswohnung lebten, sinke kontinuierlich. Ziel müsse es aber sein, pro Jahr 500.000 Haushalte in die Lage zu versetzen, sich selbst genutztes Wohneigentum anzuschaffen.

Wohngemeinschaft als Zweckgemeinschaft

Selbst wenn das gelingen sollte, würde Deutschland im europäischen Vergleich immer noch weit abgeschlagen auf dem vorletzten Platz rangieren. "Eine Eigentumsquote von 50 Prozent und mehr wie in Österreich, den Niederlanden und Schweden würde vor allem auch mehr soziale Stabilität bringen", so Matthias Günther.

In Rodershausen ist es Zeit für den Nachmittagskaffee. Das Senioren-Duo trifft sich in der Küche. Als Romain Thies den Kuchen aufschneidet, macht er sich grundsätzliche Gedanken - nicht nur über sich selbst. "Wer kann sich heute ein Altersheim leisten? Das ist auch ein Problem. Wenn der Staat da nichts dazulegt, können sich das viele alte Menschen nicht mehr leisten."

Juliette Küsters hört zu und nickt. "Alles wird gefördert. Ich kriege jetzt 20 Euro Rente mehr. Da muss ich Steuern bezahlen, die Krankenkasse wird auch wieder teurer", erklärt Küsters, während sie nachdenklich ihren Kaffee umrührt. "Und wie viele Medikamente ich zusätzlich bezahlen muss. Das sind jetzt schon 150 Euro. Einfacher wird es nicht."

Beide sind dennoch mit ihrer WG in der Eifel zufrieden und hoffen, dass es noch lange so bleibt, wie es ist. Sollte aber Eigentümer Romain Thies eines Tages sterben, müsste sich Juliette Küsters eine neue Bleibe suchen. Ihre Aussichten auf eine neue Wohnung wären eher schlecht, denn die Probleme am Immobilienmarkt dürften nach Meinung vieler Experten noch viele Jahre andauern.     

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 06. Januar 2025 um 19:20 Uhr.