Steigende Mieten Mehr Menschen wegen hoher Wohnkosten in Armut
Hohe Mieten und Nebenkosten treiben mehr Menschen in Deutschland in die Armut als gedacht, lautet das Ergebnis einer Studie. Demnach werden Wohnkosten für den tatsächlichen Lebensstandard immer bedeutsamer.
Wegen hoher Mieten und Nebenkosten leben in Deutschland einer Studie zufolge mehr Menschen in Armut als bisher angenommen. Viele Haushalte geben demnach mehr als ein Drittel ihres Einkommens für die Wohnkosten aus, manche sogar mehr als die Hälfte.
Nach Abzug von Miete, Nebenkosten, Kreditzinsen und anderem hätten mehr als 17,5 Millionen oder 21,1 Prozent der Bevölkerung ein verfügbares Einkommen im Armutsbereich, so die Forschungsstelle des Paritätischen Gesamtverbands unter Verweis auf eine Auswertung von Daten des Statistischen Bundesamts.
Wird das Ausmaß von Armut übersehen?
Als armutsgefährdet gelten laut Statistischem Bundesamt Menschen, die monatlich weniger als 60 Prozent des sogenannten Medianeinkommens zur Verfügung haben. Das Medianeinkommen ist das Einkommen, bei dem genau die Hälfte der Bevölkerung ein höheres und die andere Hälfte ein niedrigeres Einkommen hat.
Nach Daten des Statistischen Bundesamts war im Jahr 2023 etwa jede siebte Person, das entspricht 14,3 Prozent der Bevölkerung oder knapp 12,0 Millionen Menschen, in Deutschland armutsgefährdet.
Bei der üblichen Armutsstatistik blieben Millionen Menschen unsichtbar, weil ihre Wohnkosten nicht berücksichtigt würden, kritisiert jetzt der Verband. "Wer nur Einkommen betrachtet, nicht aber, dass Menschen immer weniger Geld zur Verfügung haben, weil sie hohe Wohnkosten aufbringen müssen, übersieht das Ausmaß von Armut in Deutschland", heißt es in der Auswertung.
Gleiches Einkommen heißt nicht gleiche Finanzlage
Demnach leben in Deutschland 5,4 Millionen mehr Menschen unter der Armutsgrenze als bislang angenommen. Um die Wohnkosten bereinigt gelte mehr als ein Fünftel der Bevölkerung als arm, hieß es. Der Schwellenwert liegt nach diesen Berechnungen für einen Ein-Personen-Haushalt bei 1.016 Euro frei verfügbares Einkommen im Monat.
Beispielhaft nennt die Forschungsgruppe eine Rentnerin mit Standardrente von 1.770 Euro. Mit langjährigem Mietvertrag und 450 Euro Miete gilt sie nicht als arm. Muss sie aber umziehen, etwa in eine barrierefreie Wohnung, und plötzlich 900 Euro Miete zahlen, rückt die Frau unter die Armutsgrenze.
"Über den Lebensstandard entscheidet nicht mehr nur die Höhe des Einkommens, immer wichtiger werden die Fragen, wie viel Geld eine Person fürs Wohnen ausgeben muss und wie viel Geld darüber hinaus noch übrigbleibt", heißt es in der Studie.
Gleiches Einkommen suggeriere zwar einen ähnlichen Lebensstandard, tatsächlich sei die finanzielle Situation der Betroffenen möglicherweise aber sehr unterschiedlich. "Wohnen entwickelt sich mehr und mehr zum Armutstreiber", erklärt HauptgeschäftsJoachim Rock.
Hamburg, Bremen und Sachsen-Anhalt besonders betroffen
Stark betroffen von sogenannter Wohnarmut sind der Auswertung zufolge junge Erwachsene unter 25, darunter viele Studentinnen und Studenten, sowie Ältere über 65 Jahre. Alleinlebende trifft es eher als Paare, weil sie in der Regel höhere Wohnkosten pro Person haben. Am schlimmsten sei die Situation für alleinstehende Menschen im Rentenalter.
Auch regional gibt es Unterschiede: In Bremen, Sachsen-Anhalt und Hamburg sei Wohnarmut am stärksten verbreitet, am wenigsten stark in Baden-Württemberg und Bayern. Der Unterschied zwischen der konventionellen und der um Wohnkosten bereinigten Armutsquote sei in Hamburg und Schleswig-Holstein besonders hoch.
Der Paritätische Gesamtverband ruft die künftige Bundesregierung auf, neue und dauerhaft sozial gebundene Wohnungen zu schaffen. "Eine zielgerichtete Politik zur Vermeidung von Armut in Deutschland braucht gute Löhne, bessere soziale Absicherung und eine Wohnungspolitik, die Mieten bezahlbar hält", so Rock.