Anbau trotz Wassermangels Ausgerechnet Marokko setzt auf Avocado
Der Genuss von Avocados liegt in Europa im Trend. Um von der Beliebtheit der Frucht zu profitieren, hat Marokko den Anbau deutlich gesteigert - doch der Preis dafür ist hoch.
Vor ein paar Jahren war es noch etwas Besonderes, eine Avocado zu essen. Heute ist die Frucht längst ein Grundnahrungsmittel in vielen europäischen Küchen. Und immer mehr von ihnen kommen aus Marokko. Dort ist der Export in den letzten Jahren um ein Vielfaches gestiegen: Waren es 2023 noch 40.000 Tonnen so sind es in diesem Jahr bereits 60.000.
Dabei macht die Trockenheit den Anbau immer schwieriger, denn Avocado-Bäume brauchen sehr viel Wasser. Trotzdem setzt Marokko weiter darauf, den Avodaco-Hunger der Europäer zu stillen.
"Ideal für den Export"
Auf der Avocado-Plantage von Mohammed Derkaoui hängen die dicken grünen Früchte noch alle an den Bäumen. Erst Anfang Januar ist Erntezeit. Der Landwirt ist stolz auf seine zehn Hektar große Plantage in der Nähe der Stadt Kenitra im Norden Marokkos. Es sei alles biologischer Anbau, er verwende keine Pestizide, erklärt er. Derkaoui hat 1.300 Avocado-Bäume gepflanzt, es sind vier verschiedene Sorten.
Eine davon sei besonders für den Export geeignet, meint Mohammed Derkaoui und zeigt auf eine Avocado mit grüner und dicker unebener Haut, die Hass-Avocado: "Die Qualität der Hass-Avodao hat den Vorteil, dass sie eine sehr robuste und feste Schale hat. Das macht sie ideal für den Transport. Und außerdem kann man sie gut aufbewahren. Du kannst sie heute ernten und einen Monat später verkaufen."
Avocado verkaufen und Weizen importieren
Um seine Bäume zu gießen, hat er ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem angelegt. Das Wasser kommt aus einem Brunnen, der 30 Meter tief ist, also Grundwasser, und wird dann durch schwarze Schläuche zu den Bäumen gepumpt. Dort läuft es rund um den Stamm tröpfchenweise in die Erde. Einmal am Tag schaltet er die Pumpe an, die Energie dafür liefert eine Solaranlage.
Die Region hier mit den sandigen Böden sei ideal für den Avocado-Anbau und Wasser kein Problem, unterstreicht Derkaoui: Hier habe man kein Problem mit dem Wasser so wie andere Regionen des Landes, in denen das Wasser fehle und es sehr trocken sei. "Alle Pflanzen brauchen Wasser, aber wenn du einen Liter Wasser nimmst und Getreide oder Avocado damit gießt, wirst du am Ende mehr Geld mit der Avocado verdienen. So kannst du die Avocado verkaufen und den Weizen importieren", erklärt Derkaoui.
Grundwasserspiegel sinkt
Fakt ist, dass der Export marokkanischer Avocados gestiegen ist. Waren es im Jahr 2023 noch 40.000 Tonnen, so sind es in diesem Jahr bereits 60.000, und für die kommende Saison sind 90.000 Tonnen pro Jahr anvisiert. Der Wirtschaftsexperte Najib Akesbi sieht diese Entwicklung jedoch kritisch: "Auch wenn diese Regionen grundsätzlich relativ gut bewässert sind: Während normaler Jahreszeiten sinkt der Grundwasserspiegel in diesen Regionen tatsächlich auf äußerst gefährliche Weise durch diese sehr wasserintensive Bebauung."
Gut für den Körper, aber gar nicht gut für den Wasserhaushalt - zu diesem Ergebnis kommt auch die marokkanische Journalistin Iman Bellamine. Sie arbeitet für das unabhängige Medium Enass Media und hat viel zu dem Thema recherchiert. Es gibt Berechnungen, nach denen 1.000 Liter Wasser benötigt werden, um ein Kilo Avocado zu ernten.
Deswegen schlagen viele Experten laut Bellamine bereits jetzt Alarm: "Was wir gerade machen, das ist eine Katastrophe. Wenn man sieht, dass es bereits Erfahrungen in anderen Ländern gibt, wo zuerst Avocados angebaut wurden, wie etwa Chile oder Mexiko: Dort wurden Schäden festgestellt, die für die Natur und die Menschen katastrophal sind." Deswegen müsse Marokko seine Agrarpolitik überdenken, und es brauche Regelungen, so die Journalistin. "Irgendwer muss das regeln", fordert sie.
Eine exportierte Avocado bedeutet exportiertes Wasser
So stehen sich Umweltschutz-Bedenken und wirtschaftliche Überlegungen wie die des Landwirts Derkaoui gegenüber. Er sagt, wie viel Wasser es für ein Kilo Avocado brauche, sei je nach Wetter und Region unterschiedlich und nicht klar berechenbar. Die Statistik zeigt: 90 Prozent des Wasserverbrauchs in Marokko geht auf das Konto der Landwirtschaft.
Angesichts der vermehrten Trockenheit muss man sich generell auf Veränderungen einstellen, sagt Wirtschaftsexperte Akesbi: "Es ist klar, dass wir nicht mehr so weiter produzieren können, egal wo und egal wie, so wie es momentan leider noch der Fall ist. Man muss sich die Ökosysteme und die Möglichkeiten jeder einzelnen Region sehr, sehr genau ansehen und dementsprechend entscheiden, welche Pflanzen man noch anbauen kann", stellt Akesbi fest.
Eine exportierte Avocado für unserer Guacamole bedeutet auf jeden Fall exportiertes Wasser. Wie lange Marokko sich das noch leisten kann, ist die Frage.