Ein Frau hält eine Tasse Cappuccino in den Händen.
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Preise sind explodiert Wird Kaffee zum Luxusgut?

Stand: 08.12.2024 08:07 Uhr

Klimawandel, Transportkosten, Spekulanten - der Kaffeepreis ist in die Höhe geschossen. Röstereien halten die Lage für "dramatisch". Kaffeetrinker müssen tiefer in die Tasche greifen, selbst bei billigem Industriekaffee.

Von Fabian Siegel, SWR

Die ersten Sonnenstrahlen fallen in die Küche. Es riecht nach frisch gemahlenen Bohnen, gleichmäßig fließt Kaffee aus Vollautomat, Siebträger oder Filtermaschine in die Tasse - allmorgendliches Ritual für Millionen von Deutschen. Doch ist das nun in Gefahr?

Denn Kaffee droht zum Luxusgut zu werden. Auch Corinna Pape bekommt das zu spüren. Sie betreibt eine Kaffeerösterei in Ettlingen bei Karlsruhe, die seit 1932 traditionell Kaffee röstet. Einen Teil ihrer Bohnen bezieht sie direkt von den Produzenten vor Ort, aber eben auch über die Rohstoffbörsen dieser Welt. Und dort ist Kaffee gerade so teuer wie seit 1977 nicht mehr.

Bei ihren Zwischenhändlern, die meisten in Hamburg, sei die Lage "dramatisch", berichtet Pape. "Früher hatten wir Langzeitkontrakte mit den Händlern, jetzt müssen wir Monat für Monat kaufen, weil auch deren Lager leer sind", sagt Pape. Denn aktuell gibt es schlichtweg zu wenig Kaffee.

Klimawandel ist Hauptgrund

"Der Hauptgrund ist auf jeden Fall der Klimawandel", sagt Steffen Schwarz. Auch er betreibt eine Kaffeerösterei - und daneben auch noch ein unabhängiges Schulungs- und Forschungszentrum zu Kaffee in Mannheim. Dafür ist er viel in der Welt unterwegs, gerade etwa in Südostasien.

"In den Klimazonen, in denen Kaffee wächst, gibt es keinen klassischen Sommer oder Winter, sondern Regen und Trockenzeit", erklärt Schwarz. Die Ernte falle in die Trockenzeit, doch durch den Klimawandel komme es immer öfter auch in der zu starken Regenfällen. Mit der Folge, dass reife Kaffeekirschen durch den Regen aufplatzten und direkt am Baum faulten oder zu Boden fielen.

Hitze, Dürre, Überschwemmungen

Auf der ganzen Welt sind die Auswirkungen spürbar: Brasilien, größter Kaffeeproduzent der Welt, wird immer wieder von Hitze- und Dürreperioden getroffen. 2021 führte das bereits zu einem erheblichen Ernteausfall bei der dort vorherrschenden Sorte Arabica. In Vietnam, nach Brasilien in der Liste der größten Produzenten auf Platz zwei, gab es dieses Jahr schwere Überschwemmungen, die ganze Plantagen zerstörten. Hier wächst hauptsächlich die Sorte Robusta - wodurch beide vorherrschenden Kaffeesorten gleichermaßen von Wetterextremen betroffen sind.

Steigende Kosten für Löhne- und Transport sowie eine gestiegene Nachfrage in klassischen Teetrinker-Ländern wie China und Indien trieben die Preise zusätzlich in die Höhe, sagt Experte Steffen Schwarz. Hinzu kämen Geschäfte an den Rohstoffbörsen, die Kaffee als gutes Spekulationsobjekt erkannt haben.

Nicht alles lässt sich direkt abnehmen

Mit Folgen für Kaffeeröstereien wie die von Corinna Pape. "Wir zahlen jetzt für den Kaffee, den wir bei unseren Zwischenhändlern kaufen, schon so viel wie für den Kaffee, den wir direkt beim Erzeuger kaufen - sieben, acht, neun Euro das Kilo", sagt sie. Der Unterschied sei allerdings, dass der direkt gehandelte Kaffee eigentlich das Premiumprodukt und von der Qualität her deutlich besser sei - also eigentlich immer der deutlich teurere war.

Komplett auf die so genannte Direktabnahme umzusteigen sei aber nahezu unmöglich. "Das sind Kontakte, die über Jahre aufgebaut worden sind, da geht es viel um gegenseitiges Vertrauen, man muss vor Ort reisen", sagt Pape. Das sei zeitaufwändig und gehe nicht von heute auf morgen. Wohl oder übel muss sie also weiterhin auch Kaffee auf dem Weltmarkt kaufen.

"An unverschämt günstigen Kaffee gewöhnt"

Die Kunden müssen sich auf teureren Kaffee einstellen, da sind sich alle Beobachter einig. "Wir haben uns daran gewöhnt, dass der Kaffee unverschämt günstig ist", sagt Steffen Schwarz. Er nennt ein Beispiel: 1950 habe ein Fabrikarbeiter für ein Pfund Bohnenkaffee 29 Stunden arbeiten müssen. Im Jahr 2000 seien es schon nur noch 17 Minuten gewesen. "Das ist die eigentliche Perversion", sagt Schwarz.

Die großen Röstereien hätten versucht, die Kaffeepreise im Supermarkt stabil zu halten, indem sie günstigeren, minderwertigeren Kaffee verarbeitet hätten - und seien dafür abgestraft worden. "Im zweiten Quartal haben sie einen richtigen Verkaufseinbruch erlebt", berichtet Schwarz.

Darin sieht er aber auch eine Chance für die kleinen Röstereien. Denn die Preise für die Top-Qualitäten zögen nicht ganz so sehr an wie die der Industrieware. Das merke er auch in seiner eigenen Kaffeerösterei. "Viele neue Kunden sagen: Dann zahle ich lieber etwas mehr als bisher, bekomme dafür aber auch eine richtig gute Qualität."

Fallen die Zwischenhändler weg?

Auch Corinna Pape hofft, dass die aktuelle Situation auch gute Auswüchse hat. "Vielleicht gehen ja in Zukunft mehr Röster in den Direkthandel", sagt sie. Dadurch hätten schließlich alle was: Die Röstereien seien unabhängiger vom Weltmarkt mit seinen Börsenspekulationen. Bei den Produzenten wie Arbeitern vor Ort bleibe mehr Geld fürs Kilo Kaffee hängen - weil die Zwischenhändler wegfallen.

Und das allmorgendliche Kaffeeritual für Millionen Deutsche würde zwar ein bisschen teurer - dafür aber mit richtig gutem Kaffee.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 03. Dezember 2024 um 09:00 Uhr.