Konkurrenz für die Currywurst Wie sich das Essen in deutschen Kantinen verändert
Sie ist der Klassiker in deutschen Kantinen: Die Currywurst gehört zu den beliebtesten Mittagessen. Doch andere Gerichte laufen ihr den Rang ab. Was kommt in Kantinen stattdessen auf den Tisch?
Heiß vom Grill kommt die Wurst direkt auf den Teller, dazu knusprig gebackene Pommes direkt aus der Fritteuse, darüber Currysoße und noch ein bisschen zusätzliches Currypulver: Die Currywurst ist so simpel wie beliebt, ein Klassiker in deutschen Kantinen. Auch in der Kantine der R+V Versicherung in Wiesbaden steht sie alle zwei Wochen immer freitags auf dem Speiseplan. "Es gibt die Fans, die wegen der Currywurst extra ins Büro kommen", erzählt Thomas Walter, Geschäftsführer R+V-Gastronomie und Services.
Kaum ein anderes Mittagessen hat es wohl zu ähnlich großer Beliebtheit im ganzen Land gebracht. Um seine Liebe zur Currywurst auszudrücken, widmete Herbert Grönemeyer ihr ein Lied. Als VW sie zwischenzeitlich aus dem Speiseplan nahm, entbrannte ein regelrechter Streit darüber - sie sei der "Kraftriegel des Facharbeiters und der Facharbeiterin in der Produktion", sagte Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder damals.
Womit er recht zu behalten schien: Nach Informationen des VW-Betriebsrats, die der Nachrichtenagentur dpa vorlagen, wurden 2023 insgesamt 8,33 Millionen Currywürste in VW-Kantinen verkauft. Das war ein Rekord. Und auch in der R+V-Kantine von Thomas Walter gehen an den Tagen, an denen die Currywurst auf dem Speiseplan steht, Hunderte von ihnen über die Theke.
Vegetarisch und vegan immer beliebter
Dabei laufen andere Gerichte in deutschen Kantinen der Currywurst längst ihren Rang ab. Stattdessen werden vegetarische und vegane Speisen deutschlandweit immer beliebter, wie aus den Menü-Charts des Verpflegungsanbieters "apetito" hervorgeht, die einmal jährlich veröffentlicht werden. Danach schaffte es die Currywurst 2023 nur noch auf Platz 3 der beliebtesten Gerichte. Auf Platz 2 lag im vergangenen Jahr die vegetarische Cappelletti-Pesto-Pfanne, und beliebtestes Kantinenessen war Spaghetti Bolognese.
Dass sich die Nachfrage beim Kantinenessen ändert, merkt auch Marco Constanzo vom Frankfurter Catering "Mainfood": "Wir merken durchaus, dass der Trend hingeht zu leichterem Essen und zum veganen Essen." In seiner Kantinenküche werden täglich etwa 300 Mittagessen für vier Kantinen in der ganzen Stadt gekocht. Sowohl für Mitarbeiter, die körperlich arbeiten, als auch für jene, die am Schreibtisch sitzen, wird hier gekocht. "Darum versuchen wir, möglichst ausgewogen zu kochen, zum Beispiel mit Vollkornprodukten", so der Koch.
Politik fordert gesünderes Mittagessen
Gesund, leicht, lecker: Nicht erst seit der Pandemie fordert das auch die Politik immer vom Mittagessen in der Kantine wieder. So warb etwa Bundesernährungsminister Cem Özdemir in einer Debatte zur Ernährungsstrategie der Regierung in der vergangenen Woche dafür, dass Speisen in Kantinen gesünder werden sollten.
Und gerade junge Menschen fordern das auch verstärkt ein, beobachtet Mona Freundschuh. Sie ist Ernährungs- und Qualitätsexpertin der R+V Versicherung in Wiesbaden und kümmert sich unter anderem darum, dass die Gerichte, die hier auf den Tisch kommen, den Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung entsprechen: "In diesen Vorgaben ist unter anderem festgelegt, wie viele Fleischgerichte es pro Woche geben soll, wie oft Fisch auf dem Speiseplan steht oder dass es täglich vegetarische Gerichte gibt."
Kantine als Treffpunkt im Unternehmen
Mit einer großen Vielfalt an Speisen will die Versicherung die Kantine aber auch als einen Ort der Begegnung etablieren - ein Treffpunkt innerhalb des Unternehmens, an dem die Mitarbeitenden bewusst zusammenkommen. Denn Homeoffice ist bei der R+V mittlerweile fest verankert - genauso wie in ganz Deutschland: Im Februar dieses Jahres arbeiteten etwa 24,1 Prozent der Beschäftigten zumindest teilweise von zu Hause, wenn sie die Möglichkeit dazu hatten. Im Jahr 2019, also vor der Pandemie, waren es gerade einmal zehn Prozent der Deutschen. Das geht aus aktuellen Daten des ifo-Instituts hervor.
Die Entscheidung, die Currywurst bei der R+V Versicherung immer freitags anzubieten, war darum auch eine unternehmenspolitische, berichtet der Geschäftsführer R+V-Gastronomie und Services Walter: "Der Freitag ist bei uns wie bei vielen anderen Unternehmen, die Homeoffice anbieten, der schwache Tag." Heißt: Freitags nutzen viele Mitarbeitende, die die Möglichkeit haben, Homeoffice.
Deutschlandweit arbeiten laut aktuellen Daten des ifo-Instituts 55 Prozent der Beschäftigten freitags von zu Hause, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Dass viele Mitarbeitende nach wie vor im Homeoffice sind, zeigt sich auch in den Kantinen: Bei der R+V werden derzeit täglich noch etwa 1.400 Mittagessen verkauft - vor der Pandemie waren es jeden Tag bis zu 2.200. Man hofft bei der R+V, mit der Currywurst freitags mehr Leute ins Büro und damit in die Kantine zu locken.
Homeoffice erschwert Planbarkeit
Auch das Frankfurter Catering "Mainfood" spürt den Rückgang deutlich. "Die Nachfrage nach Kantinenessen ist sehr der Pandemie deutlich zurückgegangen, weil die Leute immer noch sehr viel von zu Hause arbeiten", berichtet Geschäftsführer Mathieu Marquant. In einer Kantine, in der "Mainfood" vor der Pandemie täglich etwa 100 Mittagessen verkaufen konnte, seien es heute an schlechten Tagen weniger als die Hälfte.
Zumal viele der Firmen, deren Mitarbeiter in einer der "Mainfood"-Kantinen zu Mittag essen, keine festen Homeoffice-Tage festgelegt haben. Die Mitarbeiter können stattdessen selbst entscheiden, wann sie ins Büro kommen möchten. "Das sorgt auch dafür, dass unser Geschäft viel schwerer planbar wird und wir noch genauer kalkulieren müssen", so Marquant.