Böckler-Studie Reallöhne in der EU trotz Tarifplus gesunken
In der EU sind die Nominallöhne im vergangenen Jahr zwar gestiegen, gleichwohl haben die Arbeitnehmer an Kaufkraft eingebüßt. Das zeigen Zahlen der Böckler-Stiftung. Im Vergleich zum Jahr 2022 ist das Minus allerdings relativ gering.
Die Beschäftigten in der Europäischen Union haben trotz steigender Nominallöhne im vergangenen Jahr erneut an Kaufkraft eingebüßt. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung teilte mit, dass die Reallöhne in zwölf der 27 EU-Staaten gesunken und im Schnitt um 0,6 Prozent zurückgegangen seien. Und das trotz anziehenden Wachstums der Nominallöhne und fallender Inflationsraten, stellt das WSI fest. 2022 waren die Reallöhne sogar um 4,2 Prozent eingebrochen.
Für die Beschäftigten sei damit die Krise nicht überwunden: Sie hätten den Großteil der realen Einkommenseinbußen getragen, die mit dem Energiepreisschock infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine verbunden gewesen seien, schreibt das WSI. "Damit steht die Lohnpolitik weiterhin vor der Aufgabe, die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre zu korrigieren und so zu einer gerechteren Lastenverteilung beizutragen", so die Autoren.
"Lohnwachstum gesamtwirtschaftlich wichtig"
Für Deutschland gehen die Forschenden von einem Reallohnverlust von 0,3 Prozent für das vergangene Jahr aus. 2022 waren es 4,4 Prozent. Starke Reallohnverluste gab es 2023 den Angaben zufolge noch in Tschechien mit 4,4 Prozent sowie in Malta mit minus 3,8 Prozent und Italien mit minus 3,3 Prozent. Reale Lohnzuwächse gab es beispielsweise in Rumänien und Belgien.
Im laufenden Jahr zeichnen sich Reallohnzuwächse dann fast in der gesamten EU ab, wie das WSI unter Bezug auf die EU-Kommission mitteilte. Die Forschenden gehen demnach von 2,0 Prozent Wachstum im Schnitt aus. Damit seien die Verluste der Vorjahre "aber längst noch nicht ausgeglichen", erklärten die Forschenden. Sie sehen bei der Lohnentwicklung "weiterhin Aufholbedarf", auch, weil die Verbraucherpreise sich dauerhaft erhöht hätten.
Ein Wachstum der Löhne sei auch gesamtwirtschaftlich wichtig, "um den privaten Konsum zu fördern und damit die Konjunktur zu stützen".
Inflation frisst Plus beim Einkommen
Dass die Inflation die jüngste Steigerung der Einkommen in Deutschland aufgefressen hat, zeigen auch andere Zahlen. Zwar wuchs das mittlere Einkommen nach Angaben des Statistischen Bundesamts von 2022 auf 2023 um 5,1 Prozent, die Teuerungsrate lag aber bei 5,9 Prozent. Die Daten hat das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bei der Behörde abgefragt. Vergleicht man die Jahre 2021 und 2023, ist die Lücke noch größer. "Die Deutschen sind deutlich ärmer geworden", schließt die BSW-Vorsitzende Wagenknecht aus den Zahlen.
Gewerkschaften versuchten, die Preissprünge mit hohen Tarifabschlüssen auszugleichen, und auch die Renten wurden deutlich erhöht. Unterm Strich bleibt aber in den Kassen der Haushalte im Schnitt ein Minus. Besonders deutlich wird das mit Blick auf Zahlen vor der Ukraine-Krise: So lag die Teuerung von 2021 bis 2023 bei insgesamt 13,2 Prozent. Die verfügbaren mittleren Einkommen wuchsen in derselben Zeit nur um gut 5,8 Prozent von 33.558 auf 35.510 Euro.