Eine Kuh steht ziwschen anderen Kühen in einem Kuhstall.
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Zukunft der Ernährung Kommt Fleisch aus dem 3D-Drucker bald in den Handel?

Stand: 01.12.2024 07:52 Uhr

Ersatzfleisch aus dem 3D-Drucker, ganz ohne Tierquälerei und Antibiotika: Forscher sind weitergekommen bei der Suche nach biotechnologischen Fleisch-Alternativen. Doch eignen sie sich zur Massenproduktion?

Von Martin Rottach, SWR

Für viele ist es die Leibspeise schlechthin: das saftige Schweinesteak oder der knusprige Rinderbraten. Egal ob vom Grill, aus der Pfanne oder langsam im Ofen gegart, Fleisch kommt bei vielen Deutschen regelmäßig auf den Tisch. Zwar ist der Pro-Kopf-Konsum in den vergangenen Jahren etwas zurückgegangen; trotzdem isst jeder Deutsche im Durchschnitt nach Zahlen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung immer noch 51,5 Kilogramm Fleisch pro Jahr - ungefähr das Gewicht eines halben Mastschweins.

Nach Alternativen zum Fleisch wird schon lange gesucht, vor allem aus Gesundheits-, Umweltschutz-, oder Tierwohlgründen. Auch zehn Wissenschaftler der Hochschule Reutlingen forschen seit etwa fünf Jahren an Ersatzprodukten. Genauer gesagt, an Ersatzfleisch aus dem 3D-Drucker. Und haben damit Erfolg. Mit ihrer Forschung wollen sie künftig kultiviertes Fleisch herstellen, das so schmeckt und so aussieht wie richtiges Fleisch. "Der biotechnologische Prozess soll antibiotikafrei und mit angepassten Nährmedien frei von tierischen Bestandteilen, kostengünstig und lebensmittelkonform sein," sagt Petra Kluger, die Leiterin des Projekts.

Kultiviertes Fett als "Biotinte" für den 3D-Drucker

Am Anfang stehen Schlachtabfälle vom Schlachthof. Aus diesen konnten die Forscher mittels Zerkleinerns und eines enzymatischen Verdauungsprozesses sogenannte Vorläuferzellen extrahieren. Diese können vom Körper normalerweise zu allen möglichen Zellen weiterentwickelt werden, auch zu Fettzellen. Die Forscher an der Hochschule Reutlingen haben nun herausgefunden, wie sie außerhalb des Körpers das Wachstum von Fettzellen anregen können. Dafür haben sie die Vorläuferzellen in einem speziell entwickelten Nährmedium kultiviert und dadurch die Reifung zu Fettzellen erzeugt.

In einem nächsten Schritt konnten sie diese Fettzellen in einem speziellen Bioreaktor miteinander verklumpen lassen, zu sogenannten Sphäroiden. "Das war neu. Und dass man solche Sphäroiden in eine essbare Biotinte mischt und diese dann verdrucken kann, das war auch neu," sagt Projektleiterin Kluger stolz. "Verdrucken" heißt, diese "Biotinte" wird anschließend in einem 3D-Drucker zum Endproduckt - dem künstlichen Stück Fleisch. Das Problem dabei: Für die Biotinte braucht man jede Menge Sphäroiden, und die Herstellung ist sehr kompliziert und aufwändig.

Fortschritt mit Hindernissen

Kluger weist auch auf weitere Hindernisse hin. Unter anderem seien da Widerstände in der Gesellschaft. Sie weiß, dass Biotechnologie den Menschen eher Angst macht und oft auf Ablehnung stößt. Die Reutlinger Professorin zieht deshalb einen Vergleich, der zeigen soll, wie harmlos die Herstellung von kultiviertem Fett in ihren Augen ist. "Es ist ein biotechnologischer Prozess wie Bierbrauen. Jeder trinkt gern sein Bier, und das ist ja ein altbekannter biotechnologischer Prozess." Außerdem würden solche Nahrungsmittel vor der Markteinführung strengen offiziellen Tests und Auflagen unterzogen, so dass Kluger sich sicher ist: Die Sorgen vor ihrer Technologie sind unbegründet.

Bis wirklich Fleisch in großen Mengen hergestellt werden kann, wird es noch Jahre dauern, befürchtet Kluger. Der Prozess sei sehr zeit- und kostenaufwendig. Außerdem befinde man sich erst am Anfang und brauche noch mindestens drei bis fünf Jahre intensiver Forschung, um den Prozess auf ein massentaugliches Niveau hieven zu können. Aber jetzt habe man gezeigt, es geht, und darauf lasse sich aufbauen. "Ich sage immer, die ersten Autos aus Holz am Anfang, die sind ja auch gefahren mit einer quietschenden Hupe. Und alle haben gesagt, so ein Quatsch, ich hab ja meine Pferdekutsche. Nach den ersten Autos sind ja erst mal ein paar Jahre vergangen, bis sie sich wirklich durchgesetzt haben. Und wir sind eben auch noch recht am Anfang."

Eine Forschung zwischen Kritik und Vorteilen

Aber das Ziel ist verlockend: Antibiotikafreies Fleisch könnte erzeugt werden, ohne Tiere quälen zu müssen. Gleichzeitig hat die Technologie das Potenzial, weniger schädlich für Natur und Klima zu sein. Wissenschaftlerin Kluger sieht in ihrer neuen Technologie vielfältige Möglichkeiten. Für sie ist es am Anfang auch nicht notwendig, ein Steak aus 100 Prozent kultivierten Fett- und Muskelzellen zu drucken. Ein Drittel würde ihr reichen, betont sie. Der Rest käme dann aus pflanzlichen Substanzen. "Das gibt ja den landwirtschaftlichen Betrieben durchaus die Möglichkeit, zusätzlich auch in dieser Sparte tätig zu sein."

Ein Kritikpunkt bezieht sich bei der Kultivierung von Zellen auf das Nährmedium, mit dem die Sphäroiden gebildet werden. Dieses Medium besteht derzeit noch aus FCS, dem fötalen Kälberserum. Es wird aus dem Blut ungeborener Kälber gewonnen und steht vor allem aus ethischen Gründen in der Kritik. Jedoch enthält es zahlreiche Wachstumsfaktoren, Vitamine, Aminosäuren und andere Nährstoffe, die ideal für das Zellwachstum sind. Kluger und ihr Team haben zum Ziel, künftig mit alternativen Nährmedien die Fettzellen zu bilden. "Wir machen seit Monaten Experimente, das wegzukriegen. Natürlich so, dass es für  Lebensmittel passt, also mit für Lebensmittel zugelassenen Bestandteilen wie beispielsweise Algenextrakten. Aber das ist auch eine große Baustelle."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 09. August 2024 um 12:35 Uhr.