Gefälschte Marken-Taschen
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Produktpiraterie Vuitton-Fake, versandt aus dem Taunus

Stand: 15.04.2024 10:32 Uhr

Gefälschte Luxus-Produkte sind bei vielen jungen Leuten angesagt - befeuert von Influencern, die auf TikTok stolz Designer-Fakes aus China zeigen. Der Handel mit der Ware boomt auch in Deutschland.

Von Susanne Mayer und Laura Kipfelsberger, hr

Influencerin Louisa Burg strahlt in die Kamera. Sie hält ein Paket mit neuen Designer-Fälschungen aus China in den Händen. Gleich packt die 21-Jährige die Überraschungsbox für ihre Follower bei TikTok aus. Mal ist ein gefälschter Kelly-Gürtel von Hermes drin, mal Fake-Turnschuhe von Adidas, falscher Cartier-Schmuck oder eine originalgetreue Kosmetiktasche von Dior.

Das Geschäft mit Luxus-Fälschungen boomt - Importverbot der Plagiate aus China kaum durchzusetzen

Laura Kipfelsberger/Ilyas Meç, HR, tagesschau, 12.04.2024 12:00 Uhr

"Mir gefallen die Sachen", sagt Burg, die aus der Nähe von Düsseldorf kommt und das Werbegesicht der chinesischen App Hacoo, ehemals Saramart, ist. "Wenn mich jemand fragt, lüge ich da nicht herum und behaupte, ich trage hier echte Sachen." Sie verdient auch damit, denn wenn von ihren rund 50.000 Followern jemand die illegal hergestellte Mode über einen platzierten Produktlink bestellt, erhält sie Provision. Ein lukrativer Nebenverdienst zu ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau.

Umschlagplatz für Fälschungen im Taunus

Bizarre Plagiatsblüten entfalten sich nicht nur bei TikTok, auch bei Instagram oder YouTube präsentieren junge Influencer und Nutzer gefälschte und damit erschwingliche Designerware. Auch die Händler selbst preisen dort unverhohlen Designer-Fakes an. Man kann sie anschreiben und sich sogar für einen Deal mit ihnen verabreden.

Dass kriminelle Netzwerke hinter dem Handel mit Designer-Fälschungen stecken, ist manchen offenbar egal. Die Pakete, die Louisa Burg zweimal im Monat erhält, stammen zum Beispiel offiziell gar nicht aus China. Als Absender ist eine Adresse in Friedrichsdorf im Hochtaunus angegeben.

Eine Recherche vor Ort ergibt, dass es sich bei der Adresse um ein Lager im Industriegebiet handelt, in dem sich Hunderte Pakete stapeln. Bevor das Rolltor runtergeht, sagt ein Mitarbeiter, der anonym bleiben will, zu tagesschau.de: "Wir sind hier eine Versandstation. Wir liefern die Pakete einfach weiter." Einer seiner Kollegen gibt zu, dass die Pakete alle aus China stammen.

Plagiate: Kaufen erlaubt, verkaufen verboten

Der vorsätzliche Verkauf von Markenfälschungen ist genauso strafbar wie die Herstellung. Es handelt sich um einen Verstoß gegen das Markenrecht. Denjenigen, die für Plagiate werben, könnte man gewerblichen Handel unterstellen. Das wäre strafbar, sollte es sich um eine Verletzung des urheberechtlichen Verbreitungsrechts handeln.

Für Privatpersonen ist es dagegen grundsätzlich nicht strafbar, eine Markenfälschung zu kaufen, wie die Verbraucherzentrale Niedersachsen mitteilt. Wer Designer-Fakes über das Internet bestellt, muss allerdings damit rechnen, dass der Zoll die Markenfälschung beschlagnahmt. Dieses Risiko gehen viele ein: So kaufte über ein Drittel aller jungen Menschen in der Europäischen Union laut einer EU-weiten E-Commerce-Befragung in den vergangenen Jahren absichtlich Plagiate.

Deutsche Hersteller kostet die Produktpiraterie nach Angaben der Industrie- und Handelskammer pro Jahr Einnahmen im zweistelligen Milliardenbereich.

Für Ohrringe bezahlen, eine Tasche erhalten

Die Plattform Reddit.com gehört zu den großen Umschlagplätzen für Fälschungen. Die Userinnen und User dort kaufen unter anderem direkt bei Händlern in China. Es gibt dort Gruppen, wie etwa "DesignerReps", in denen es nur um Fälschungen geht. Die User sammeln etwa Kontakte zu Händlern und Links zu Produkten - und stellen diese zur Verfügung.

Eine Louis-Vuitton-Handtasche, die im Original 1.000 Euro kostet, wird auf der Plattform zum Beispiel für 235 Dollar angeboten. Ein halbgares Statussymbol "made in China", für das sich Shopping-Fans spätestens beim Bestellvorgang auf dünnes Eis begeben. Denn wer die genannte Louis-Fake-Tasche haben will, muss bei der Bestellung falsche Angaben machen: Die Recherche ergibt, dass man anstatt der Tasche offiziell Ohrringe kauft, und zwar davon 235 Stück zu einem Einzelpreis von 0,94 Euro. Damit begleicht die Kundin den Preis der Tasche (235 Dollar), die später in einem Paket bei ihr landet.

Auch dieses Paket wird nicht offiziell aus China versandt. Auf dem Absender-Etikett steht eine Adresse in Dreieich (Offenbach). Bei einer Recherche vor Ort war die Versandstation dann aber nicht auffindbar. Es handelte sich um eine leere Garage. Vor ein paar Jahren hatte die Polizei in Dreieich ein Lager ausgehoben mit über 20.000 gefälschten Designertaschen.

Luxusmarken beschäftigen Anwälte und Detektive

Warum es so einfach ist, Luxus-Fakes aus China zu kaufen und die Händler damit durchkommen, kann Markenanwalt Stephan Abel aus München erklären: "Das liegt daran, dass China nicht in der EU liegt. Das ist von Europa aus sehr schwer zu verfolgen”, sagte der Anwalt, der zum Beispiel die französische Luxusmarke Longchamp vertritt. "Wenn wir ein Urteil erwirken, ist es in China wenig wert, weil es dort vollstreckt werden muss."

Seine Kunden machen Abel darauf aufmerksam, wenn Fälschungen auf dem Markt auftauchen. Neben Echtheitsprüfern setzen manche Labels auch Detektive ein, die nach Plagiaten suchen. Wenn Fake-Händler ausfindig gemacht werden, schickt ihnen die Kanzlei eine Verpflichtung zur Unterlassung. "Vor Gericht sind wir bei klaren Fälschungsfällen zu 100 Prozent erfolgreich. Es ist nur so, dass die Hintermänner sehr schwer zu ermitteln sind", so Abel.

Zoll führt risikoorientierte Kontrollen durch

Damit die Verkäufer ihre gefälschte Ware erst gar nicht nach Deutschland bekommen, ist natürlich auch der Zoll eingeschaltet. Die Behörde geht mit ihren Kontrollen gegen illegalen Handel mit gefälschten Produkten vor. Die Zöllner stoppten zwischen 2020 und 2022 rund 66.000 Sendungen, weil der Verdacht bestand, es könnten Schutzrechte verletzt worden sein.

In der Folge zogen sie 31 Millionen Fälschungen aus dem Verkehr. Der überwiegende Teil kam aus China, aber auch aus der Türkei und Hongkong, wie der Zoll mitteilte. Viele Fälschungen werden dann in Absprache mit den Luxuslabels vernichtet.